06.08.2014Fachbeitrag

Rechtskommentar:
Kündigung und Widerruf von Hochzins-Darlehen – ungeahnte Chancen für benachteiligte Verbraucher?

Häufig halten unzufriedene oder tatsächlich geschädigte Verbraucher jahrelang an – aus heutiger Sicht – nachteiligen Immobilienfinanzierungen fest, weil sie irrtümlich davon ausgehen, bei einem vorzeitigen Ausstieg deutliche finanzielle Nachteile zu erleiden. Oft genug ist dies jedoch ein Trugschluss, der auf mangelhafter Information über die geltende Rechtslage beruht.

Die vielfältigen Möglichkeiten zur vorzeitigen Beendigung von mittel- und langfristigen Darlehensverträgen haben in der Vergangenheit viele Gerichte beschäftigt. Grundsätzlich kann ein Darlehensvertrag vom Darlehensnehmer zwar nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes – und dann auch nur gegen Zahlung einer u.U. erheblichen Vorfälligkeitsentschädigung – gekündigt werden.

Allerdings steht den Verbrauchern bei Abschluss von Verbraucherdarlehensverträgen, insbesondere wenn diese grundpfandgesichert sind, ein zweiwöchiges Widerrufsrecht zu. Die Frist zur Ausübung dieses Widerrufsrechts beginnt aber nur dann zu laufen, wenn diese Belehrung korrekt erfolgt ist. Hieran fehlt es häufig.

Vor allem in der Zeit von 2003 bis 2008 von zahlreichen Banken verwendete Belehrungen wurden von der Rechtsprechung häufig nachträglich noch als eindeutig fehlerhaft eingestuft. Diese Feststellung führt gleich in mehrerlei Hinsicht zu für den Verbraucher günstigen – oftmals weithin unbekannten – Schlussfolgerungen:

  • Zum einen begründet eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung eine jederzeitige Widerrufsmöglichkeit.
  • Dadurch entfällt die nachteilige Vorfälligkeitsentschädigung, die ansonsten bei einer langjährig eingegangenen Zinsbindung zu leisten wäre.
  • Der Darlehensvertrag wandelt sich in ein Rückabwicklungsverhältnis um.
  • Die Bank verliert dadurch zusätzlich den Anspruch auf den vertraglich vereinbarten Zins und muss sich mit dem häufig niedrigeren jeweils gültigen Marktzins begnügen.
  • Dies führt zu einer zusätzlichen Zinsersparnis für den Verbraucher.


Bei einem auf der geschilderten Grundlage erfolgenden begründeten Widerruf von Darlehensverträgen hat die Rechtsprechung bislang keinerlei Aufweichungstendenzen bei den Rechtsfolgen vorgenommen, sodass dieser Weg für betroffene Verbraucher in Zeiten niedriger Zinsen äußerst attraktiv sein kann.

Wichtig ist, dass der betroffene Verbraucher bereits vor Ausspruch des Widerrufs eine Alternativfinanzierung vorbereitet. Immerhin muss er damit rechnen, innerhalb von 30 Tagen das von ihm vorzeitig gekündigte Darlehen auch vollständig abzulösen. Daher benötigt der Verbraucher eine Umfinanzierungsmöglichkeit, auf die er schnell zurückgreifen kann.

Eine neuere Entwicklung zeigt sich im Übrigen im Falle der fristlosen Kündigung des Darlehensvertrages durch die Bank selbst, z.B. wegen Zahlungsverzuges, Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Darlehensnehmers oder der gestellten Sicherheiten. In diesem Fall verlangen die selbst kündigenden Banken in der Regel gleichwohl eine Vorfälligkeitsentschädigung. Diese ist im Gesetz – im Gegensatz zur Kündigung durch den Darlehensnehmer – in § 490 Absatz 2 BGB so nicht ausdrücklich vorgesehen.

Die Banken stützen dabei ihren vermeintlichen Anspruch auf Erstattung des Zinsschadens aufgrund einer längerfristig eingegangenen Zinsbindung auf allgemeine Schadensersatzregelungen unter analoger Anwendung der Rechtsprechung zur Vorfälligkeitsentschädigung. Nach der Neuregelung des Verbraucherkreditgesetzes ist in § 497 BGB allerdings für den Fall der Kündigung des Darlehens durch den Darlehensgeber nur eine Verzinsung von 2,5 % (§ 503 Abs. 2 BGB) über Basiszinssatz bei Immobiliardarlehen vorgesehen.

In der mündlichen Verhandlung des BGH vom 13.01.2013 wies der Vorsitzende des Bankensenates u.a. darauf hin, dass daraus durchaus eine Sperrwirkung gegenüber weiteren Schadensersatzansprüchen gesehen werden könne. Die auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung beklagte Bank erkannte zur Vermeidung eines entsprechenden Urteils den Klageanspruch unverzüglich an. Hintergrund dieser Rechtsprechungsänderung ist die Neufassung des § 497 BGB und die Intension des Gesetzgebers, wonach dem in einer Notlage befindlichen Darlehensnehmer, dem der Bankkredit gekündigt wurde, nicht noch ein weiterer Schaden in Form einer Vorfälligkeitsentschädigung aufgebürdet werden dürfe.

Ungeachtet dessen versuchen diverse Banken nach Kündigung von Darlehensverträgen derzeit vielfach sogenannte Rückzahlungsvereinbarungen von ihren Kunden unterschreiben zu lassen, die gleichwohl eine Vorfälligkeitsentschädigung enthalten und zum Teil sogar Zinssätze aufweisen, die noch über den in § 497 BGB genannten – teilweise deutlich – hinausgehen.

Da diese Regelung vertraglich nicht abdingbar ist, dürften solche Regelungen demnach unwirksam und daher zumindest erfolgreich angreifbar sein.

Fazit:

Das von zahlreichen Banken nach wie vor gepflegte Schreckgespenst der Vorfälligkeitsentschädigung hält viele Verbraucher davon ab, die Möglichkeiten einer vorzeitigen Eigenkündigung nachteiliger Finanzierungen gar nicht erst im Detail zu prüfen. So werden häufig auf Dauer vermeidbar hohe Zinsen gezahlt, obwohl eine Umfinanzierung ohne Weiteres möglich wäre.

Kennen die Verbraucher die Möglichkeit einer Widerrufskündigung und üben diese sogar aus, treten nicht selten Fälle auf, in denen die Anschlussfinanzierung durch Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung konterkariert wird. Selbst wenn die Verbraucher eine Vorfälligkeitsentschädigung vermeintlich vermeiden konnten, bleiben Restrisiken bei der Anschlussfinanzierung, da auch dort versteckte Risiken z.B. in Form überhöhter Zinsen, lauern.

Auch in Fällen, in denen die Bank selbst kündigt, werden Verbraucher häufig genug benachteiligt.

Kurzum: Den Betroffenen ist stets zu raten, rechtzeitig fachanwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wie die Erfahrung zeigt, geben die meisten Banken eine einmal erlangte Rechtsposition in der Regel nicht ohne kompetent und mit Nachdruck vorgetragene Argumente auf.

Der Autor:

Dr. Joerg Andres ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater (www.andresrecht.de) in Düsseldorf und Beirat der Advocatax Steuerberatungsgesellschaft mbH. Er ist spezialisiert auf die Bereiche Erbrecht, Steuerverfahrens- und Gesellschaftsrecht. Zudem ist er langjähriger Dozent und Autor u.a. für Erbschaftsteuer-, Steuerstraf- und -verfahrensrecht. Er ist als Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Standort Düsseldorf, tätig und leitet das dortige Kuratorium. Der Autor ist Verfasser des neuen kompakten Ratgebers "Heute schon gepflichtteilt?", das als E-Book im April 2014 erschienen ist.

Der Autor:

Dr. Johannes Bender ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht (

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