28.04.2021Fachbeitrag

Selbstcheck – Wo steht mein Unternehmen?

Zu Beginn einer Kooperation sollte stets eine Bewertung der gegenwärtigen Situation im eigenen Unternehmen erfolgen.

 

Kooperationen zwischen dem Mittelstand und Start-ups können für beide Seiten bereichernd sein. Welche Fragen man sich dazu im Vorfeld stellen sollte, erläutert dieser Selbstcheck.

Mittelständische Unternehmen verfügen zumeist über jahrelange Erfahrung, ein großes Netzwerk und einen umfänglichen Marktzugang. Junge Unternehmensgründungen zeichnen sich häufig durch innovative Produktlösungen – gerade im digitalen Bereich – aus. Wenn die Grundvoraussetzungen auf beiden Seiten stimmen, die Bereitschaft sich zu öffnen gegeben ist und einige Regeln beachtet werden, kann eine wertvolle und beidseitig ertragreiche Zusammenarbeit entstehen.

 

Klassische Win-win-Situationen für beide Seiten

Mittelständische Unternehmen stehen für eine spezifische Führungskultur, für etablierte und optimierte Prozesse, für Innovationskraft und für eine hohe Produktqualität. Häufig sind das die traditionellen Erfolgsfaktoren, die den mittelständischen Unternehmen über Jahre eine hervorragende Marktposition verschafft haben. Start-ups hingegen sind jung, flexibel und wissbegierig. Sie befinden sich auf dem Weg zur Marktreife ihres Produkts oder ihrer Dienstleistung. Beide Seiten haben eigene Probleme, die eine passgenaue Kooperation beheben könnte: ein alteingesessenes Unternehmen möchte die eigene Zukunftsfähigkeit sichern, sich für neue Perspektiven und Potentiale öffnen und durch digitale Technologien das eigene Geschäftsmodell erfolgreich transformieren. Neben dem Kerngeschäft bleibt jedoch zumeist wenig Zeit, um neue Kapazitäten für innovative Lösungen aufzubauen. Diese kann möglicherweise ein Start-up liefern und dabei gleichzeitig an den eigenen Schwachstellen arbeiten: eine im Vergleich schwache finanzielle Ausstattung, ein Mangel an Erfahrung, Know-how und Marktzugang sowie fehlende Referenzen in Bezug auf renommierte Kunden.

Auf den ersten Blick leitet sich aus dieser Konstellation eine klassische Win-Win-Situation ab. Eine Kooperation zwischen beiden Unternehmensformen funktioniert aber nicht uneingeschränkt. Es gilt einige Regeln und Besonderheiten zu beachten.

 

Vier Fragen, um eine erfolgreiche Kooperation aufzubauen

Zunächst einmal ist es wichtig, dass man sich über die Andersartigkeit seines Partners bewusst wird. Zwischen Unternehmen aus dem Mittelstand und der Start-up-Welt gibt es wesentliche Unterschiede in Arbeitsweise, Arbeitsstruktur, Zeitmanagement, Kommunikation und Unternehmenskultur. Daher ist es von zentraler Bedeutung, sich über diese Unterschiede auszutauschen und eigene Erwartungen an die gemeinsame Zusammenarbeit zu kommunizieren. Bevor das geschehen kann, sollte unbedingt die eigene Strategie in Bezug auf innovative Technologien bestimmt werden.

Dazu dient dieser Selbstcheck, der als Inspiration und Orientierung bei der eigenen Positionsbestimmung helfen soll. Dieser beinhaltet vier wesentliche Fragen, die sich ein Unternehmen vor einer Kooperation stellen sollte:

1. Wo stehe ich derzeit mit meinem Unternehmen?

2. Worin besteht meine Motivation, eine Veränderung anzustoßen?

3. Welche Veränderungen möchte ich in meine Unternehmensstrategie einbeziehen?

4. Welche Erwartungen stelle ich an die Zusammenarbeit mit einem Start-up?

 

Ist-Zustand: Wo stehe ich derzeit mit meinem Unternehmen?

Am Anfang eines Projekts sollte stets eine Bewertung der gegenwärtigen Situation im Unternehmen erfolgen. Die wesentliche Frage bezieht sich auf den Fortschritt bei der digitalen Transformation. Welche Abläufe und Bereiche sind bereits digitalisiert. Welche Prozesse funktionieren gut und an welcher Stelle fehlt möglicherweise ein zufriedenstellender Mehrwert. Darüber hinaus sollte selbstredend auch eine belastbare IT- und Dateninfrastruktur vorhanden sein, um digitale Projekte umzusetzen. Sollten hierbei erste Probleme identifiziert werden, wäre das Thema Informationstechnologie bereits ein erster Anknüpfungspunkt für eine Kooperation. Auch die Mitarbeiter im Unternehmen spielen eine zentrale Rolle. Kann bei der Implementierung einer digitalen Innovation möglicherweise auf betriebsinterne Expertise zurückgegriffen werden? Sind die Mitarbeiter ausreichend geschult, um digitale Projekte auf Basis einer Kooperation zu begleiten?

 

Motivation: Worin besteht meine Motivation, eine Veränderung anzustoßen?

Der Grund für den Einsatz einer neuen innovativen Technologie kann sowohl interner als auch externer Natur sein. Optimierungspotentiale, Möglichkeiten zur Kosteneinsparung oder die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sind interne Treiber, die einen Veränderungswunsch auslösen. Häufig verlangt der Unternehmergeist zudem die Erschließung neuer Vertriebswege oder die Diversifizierung des Geschäftsfeldes. Viele Unternehmer spüren ferner eine intrinsische Motivation, Dinge zu reflektieren, zu verändern und mit Mut und der Bereitschaft Risiken einzugehen, die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu gestalten. Es gibt jedoch auch externe Treiber, die eine passive Veränderung erfordern. Geschäftspartner, Kunden und Lieferanten, die auf dem Pfad der Digitalisierung möglicherweise schon weiter vorangeschritten sind, stellen neue Anforderungen und erwarten Anpassung. Ein weiterer wichtiger Punkt sind regulatorische Herausforderungen, die die Politik an die mittelständischen Unternehmen stellt.

 

Strategiebestimmung: Welche Veränderung möchte ich in meine Unternehmensstrategie einbeziehen?

In die Unternehmensstrategie und in die mittelfristigen Zielsetzungen sollten in den heutigen Zeiten sicherlich auch Aspekte aus dem Bereich der digitalen Transformation integriert werden. Konkret stellt sich hierbei zunächst die Frage, an welcher Schwachstelle im Unternehmen vorrangig gearbeitet werden soll. Grundlegend ist dabei die Unterscheidung zwischen einer Innovation zur Produktverbesserung und einer Innovation zur Prozessverbesserung. Nachgelagerte Fragen behandeln den Einsatz von Risiko, Kapital und Arbeitskraft. Strategisch relevant sind zudem ein gut ausgearbeiteter Planungshorizont und eine Einordnung nach Prioritäten. Eine hohe Sensibilität hat die Frage, ob die Kooperation das Kerngeschäft oder nur einen sekundären Bereich betrifft.

 

Erwartungen: Welche Erwartungen stelle ich an die Zusammenarbeit mit einem Start-up?

Sobald die Bestandsaufnahme und die strategische Einordnung vorgenommen wurden und das Innovations- und Kooperationsmotiv ergründet ist, stellt sich die Frage nach den Erwartungen an eine Zusammenarbeit mit einem Start-up. Umso ausführlicher die Erwartungen und Arbeitsabläufe abgesteckt und formuliert werden, desto zufriedenstellender das Ergebnis. Wie eng möchte ich die Zusammenarbeit gestalten? Welche Instrumente eignen sich um Zwischenziele zu überprüfen? Wie lange soll die Zusammenarbeit andauern und in welcher Frequenz sollen Meetings abgehalten werden? Für die gemeinsame Arbeit bietet sich ein iterativer Prozess mit kontinuierlicher Evaluierung an. Identifizierte Schwachstellen und Probleme sollten stets angesprochen und im Projektplan angepasst werden. Nachdem die eigenen Erwartungen an das Partner-Start-up formuliert sind, sollten auch die Erwartungen des Gegenübers in einem konstruktiven Austausch eruiert werden.

Die thematisierten Grundsatzfragen schaffen einen groben Überblick über ein mögliches Zusammenwirken mit einem Start-up. In einem nächsten Schritt stellt sich die Frage auf welcher formellen Basis die Zusammenarbeit erfolgen soll. Dazu werden im nächsten Beitrag mögliche Kooperationsformen und deren vertragliche Ausgestaltung zwischen mittelständischen Unternehmen und Start-ups vorgestellt: von der losen Kooperation bis hin zur Beteilung und Integration.

 

Teil des Wegweisers Mittelstand trifft Start-up

 

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