Digitalisierung des Mittelstands: Die goldene Mitte hat es schwer
Laut einer Capterra Studie würden 35 Prozent der deutschen Mitarbeiter aus KMU ihr Unternehmen nicht bzw. nicht wirklich als digitalisiert bezeichnen. Ganze 56 Prozent wünschen sich, dass ihr Unternehmen die Vorteile von Software besser nutzt und technologisch fortgeschrittener ist.
Die Vorteile der Digitalisierung sind den meisten Unternehmen bekannt, doch bei der Umsetzung stoßen sie häufig auf Probleme. Digitalisierung setzt den Einsatz von Software voraus, geht jedoch weit über das hinaus. Im Mittelpunkt des digitalisierten Unternehmens steht die Fähigkeit, sich mit Kunden und Partnern internetbasiert vernetzen zu können. Der erste Schritt zur erfolgreichen Transformation ist daher immer strategisch. Unternehmen müssen erst einmal verstehen, was es genau heißt, ein digitalisiertes Unternehmen zu sein und eine entsprechende Digitalisierungsstrategie aufstellen. Erst im zweiten Schritt geht es an die Softwareauswahl.
Digitalisierung ist also folglich nicht der Einsatz von IT im Unternehmen, sondern stellt die Art und Weise dar, wie Unternehmen ihre Stakeholder (Kunden, Lieferanten, Banken usw.) auf der Basis digitaler Kanäle integrieren können.
Wie sieht ein digitalisiertes Unternehmen aus?
Wie ein digitalisiertes Unternehmen genau aussieht, hängt natürlich von der Art des Unternehmens ab. Es gibt Unternehmen, die ihr Kerngeschäft digitalisieren können bzw. deren Kerngeschäft digital ist. Weiterhin gibt es die klassischen analogen Unternehmen. Beide Unternehmensformen können von der Digitalisierung in gleicher Weise profitieren.
Ein Beispiel für ein Unternehmen mit digitalisiertem Kerngeschäft ist die Telekom. Kunden besuchen ein Telekom-Geschäft, kaufen ein Handy, schließen einen Vertrag ab und können beim Rauslaufen bereits damit telefonieren. Die Verknüpfung der Prozesse, die hier im Hintergrund ablaufen, ist ein Zeichen der erfolgreichen Digitalisierung.
Ein Beispiel für ein klassisches nicht-digitales Unternehmen ist eine Schreinerei. Auch wenn das Kerngeschäft einer Schreinerei nicht komplett digitalisiert werden kann, kann auch aus dieses Unternehmen digital werden. Die komplette Auftragsabwicklung von der Angebotserstellung bis hin zur Rechnungsstellung kann in der Schreinerei digital umgesetzt werden. Weiterhin können Mitarbeiter und Arbeitszeiten digital in einer Software verwaltet werden. Auf Papierkram kann verzichtet werden und Liefer- oder Abholscheine können mit dem Smartphone abfotografiert und direkt dem Kunden zugeordnet werden. Die Schreinerei kann sich auf sozialen Medien mit seinen Kunden austauschen und Online-Buchungen anbieten usw.
Excel ist immer noch ungeschlagen
Die eindeutige Mehrzahl (96 %) der Mitarbeiter aus deutschen KMU geben an, dass sie Software bei ihrer Arbeit unterstützt. Für 62 % der Mitarbeiter verbessern Softwareanwendungen die tägliche Arbeit sehr. Diese Zahlen sprechen mehr als deutlich für die Vorteile von Software.
Capterra fragte ebenfalls welche Software in KMU eingesetzt wird. Die meistgenutzte Software in Deutschland ist immer noch Excel - und das mit großem Abstand. Doch Kunden- und Mitarbeiterdaten in Excel zu sammeln oder Projekte darin darzustellen hat wenig mit Digitalisierung zu tun. Excel ist eben kein Ersatz für ein CRM-System (Customer-Relationship-Management) oder eine Business Intelligence Software. Denn zentrale Funktionen wie Standardisierung und Typisierung sind mit Excel problematisch. Daher ist es für Unternehmen wichtig, die richtigen Tools für unterschiedliche Aufgaben zu identifizieren.
Der Einsatz eines CRM-Systems für die Kundenverwaltung, einer Projektmanagement-Software für die Planung & Steuerung von Projekten und eines Personalmanagement-Tools für die Mitarbeiterverwaltung und das Recruiting ist für jedes Unternehmen unerlässlich. Neben diesen Systemen wird Business Intelligence Software immer wichtiger. Business Intelligence umfasst das Sammeln und Aufbereiten geschäftsrelevanter Informationen, die zur besseren Planung und Entscheidungsfindung genutzt werden. Die Daten werden anschließend automatisch auf einem Dashboard visuell dargestellt und sind für alle Mitarbeiter eines Unternehmens sichtbar. Die Software übernimmt also Aufgaben, die viele Unternehmen heute noch manuell in Excel vornehmen. In die Datenanalyse können jedoch beliebig viele Daten einfließen, was die Ergebnisse viel genauer macht. Weiterhin können sich Nutzer verschiedene Ansichten und Datensätze in den Dashboards anzeigen lassen und einfach filtern (wie ein solches Dashboard aussieht und welche Funktionalitäten es bietet, kann z.B. auf der Produktseite von Microsoft Power BI entdeckt werden).
Viele Unternehmen scheuen bislang Business Intelligence-Anwendungen, da sie zu hohe Kosten fürchten. In den letzten Jahren haben sich jedoch auch einige cloudbasierte Anwendungen am Markt etabliert, die KMU eine effiziente und kostengünstige Datenanalyse ermöglichen.
Unternehmen sollten bei der Softwareauswahl also auch die Cloud in Betracht ziehen. Denn neben den vielfältigen Vorteilen, die Cloud-Software bietet, setzen Digitalisierungstrends wie Business Intelligence, Chatbots oder künstliche Intelligenz den Einsatz von Cloud-Technologien voraus. Diese Technologien werden zukünftig unter anderem in Projekt-, Kunden- und Personalmanagement-Tools implementiert sein und Unternehmensprozesse deutlich verbessern. So kann künstliche Intelligenz im CRM datenbasierte Vorhersagen aus den vorhandenen Kundendaten nutzen, um zu bestimmen, welche Handlungen ein Käufer als nächstes bevorzugen wird. Künstliche Intelligenz kann ebenfalls als Mittel der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine in der Kundenbetreuung eingesetzt werden.
Hauptvorteile von Cloud-Lösungen:
- Cloud-Lösungen sind je nach Bedarf des Unternehmens skalierbar.
- Aufgaben, die Kompetenz, Fachpersonal und Zeitaufwand fordern, können ausgelagert werden: Installation, Konfiguration, Datensicherung, Software-Updates etc.
- Es muss keine Hardware angeschafft werden.
- Unternehmensdaten sind von überall aus verfügbar und mobiles Arbeiten wird unterstützt.
- KMU haben durch den Einsatz von Cloud-Software einen relativen Kostenvorteil (die Softwarekosten fallen auf monatlicher Basis an und das Risiko einer Fehlinvestition ist deutlich reduziert).
Cloud-Anwendungen haben ihren größten Nachteil in der Datensicherheit. Daher werden sie in Deutschland häufig noch gemieden. Deutsche Sicherheitsstandards liegen im Vergleich zum Ausland sehr hoch. Vor allem Cloud-Anwendungen aus den USA sollten mit Vorsicht betrachtet werden. Daten werden in US-Rechenzentren nach US-Recht gespeichert. Diese Datenspeicherung ist häufig nicht mit den deutschen Sicherheitsstandards und -normen konform. Wer daher auf der sicheren Seite sein möchte, sollte auf Cloud-Anbieter aus Deutschland bzw. Anbieter mit Unternehmensstandort und Rechenzentrum in Deutschland setzen.
Warum hat es der Mittelstand bei der digitalen Transformation am schwersten?
In deutschen Großunternehmen ist die Digitalisierung in der Regel auf einem recht hohen Standard. Große Unternehmen verfügen über das entsprechende Fachpersonal und Ressourcen, die zur Digitalisierung benötigt werden. Startups hingegen sind schnell bei der Implementierung neuer Prozesse und Systeme und neuen Technologien gegenüber sehr aufgeschlossen. Die digitale Transformation folgt hier weniger einer gezielten Digitalisierungsstrategie, sondern beruht auf Probieren und Verändern. In Startups und kleinen Unternehmen liegt zwischen Entscheidung eine bestimmte Software zu verwenden und deren Implementierung häufig nur ein sehr kurzer Zeitraum. Unternehmen können agil handeln und Trends schneller nachahmen.
Der deutsche Mittelstand liegt in der goldenen Mitte und tut sich bei der digitalen Transformation schwer. Zwischen der Entscheidung, eine bestimmte Software zu nutzen, bis zur Umsetzung kann häufig bis zu ein Jahr vergehen. Um Software effizient einzusetzen, müssen alle Unternehmensprozesse dargestellt werden und folglich in die Software übertragen werden. Hierbei ist häufig eine Prozessveränderung und -verbesserung notwendig. Sämtliche Prozesse eines Unternehmens darzustellen dauert im Mittelstand viel länger als bei einem kleinen Unternehmen. Weiterhin sind die steilen Führungshierarchien oft ein Hindernis. Jede Prozessänderung muss mit dem Management abgesprochen werden.
Im Gegensatz zu Großunternehmen verfügt der Mittelstand häufig nicht über das benötigte Fachpersonal und Know-how. Ebenfalls ist das Budget geringer und die Angst einer Fehlinvestition daher verständlicherweise höher. Oft scheitert die Digitalisierung auch an mangelnder Unterstützung durch das Management und fehlender abteilungsübergreifender Zusammenarbeit.
Gelingt es allerdings, eine im besten Falle sämtliche Hierarchie- und Abteilungsebenen umfassende Digitalisierungsstrategie mit einer darauf abgestimmten Softwareauswahl zu verbinden, werden sowohl die eigenen Mitarbeiter als auch Kunden schnell ein ganz anderes Bild vom digitalen Reifegrad eines Unternehmens erhalten.