„Es braucht Vertrauen in die Kraft der Sozialen Marktwirtschaft“
Im Rahmen der Bundestagswahl beantwortet Christian von Stetten die Fragen des DMB: Wir wollten von ihm wissen, welchen Mittelstands-Kurs seine Partei in einer künftigen Regierung einschlagen will.
Bitte stellen Sie sich kurz vor und skizzieren Ihren Weg in die Mittelstandspolitik. Warum ist das Thema für Sie wichtig?
Während meines Studiums habe ich mich selbstständig gemacht und bin auch heute noch geschäftsführender Gesellschafter des mittelständischen eigenen Unternehmens. Da war es naheliegend, dass meine Bundestagsfraktion mich gebeten hat, die Mittelstandspolitik auch thematisch zu begleiten. Seit etwa zehn Jahren bin ich mittelstandspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Vorsitzender des Parlamentskreis Mittelstand meiner Fraktion.
Wie schätzen Sie den Stellenwert der Mittelstandspolitik in der eigenen Partei ein?
In keiner anderen Volkspartei hat die Mittelstandspolitik einen höheren Stellenwert als bei CDU/CSU. Das wird auch dadurch deutlich, dass ich von den 246 Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU-Fraktion 160 im Parlamentskreis Mittelstand engagieren. Es gibt im Deutschen Bundestag keine zahlenmäßig größere soziologische Gruppe.
Wie bewerten Sie rückblickend die Mittelstandspolitik der 19. Legislaturperiode?
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vertritt die Soziale Markwirtschaft von Ludwig Erhard. Mittelständische Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen im Vordergrund unserer politischen Arbeit. Aber ich gebe zu, dass aufgrund des Koalitionspartners SPD zahlreiche Mittelstandsinitiativen in unserer gemeinsamen Regierungsarbeit behindert und verhindert wurden. Das hätte insgesamt besser laufen können. Leider hat unser Koalitionspartner SPD bei allen Gesetzesinitiativen ein Vetorecht und davon wurde häufig zum Nachteil des Mittelstandes Gebrauch gemacht.
Welche mittelstandspolitischen Prioritäten würden Sie für die kommende Legislaturperiode setzen?
Nach nunmehr 18 Monaten pandemiebedingten Ausnahmezustands und dadurch erhöhter staatlicher Präsenz im Wirtschaftsleben kommt es darauf an, die Wirtschaft wieder mehr Wirtschaft und weniger Staat sein zu lassen. Hierfür brauchen wir umfangreiche Möglichkeiten vor allem für diejenigen, die im in Bezug auf die Pandemie nur noch geringe Gefahren bzgl. Infektion und schwerer Erkrankung haben, wieder normal am Gesellschafts- und Wirtschaftsleben teilzuhaben. Darüber hinaus brauchen wir auch wieder Normalität nicht nur bei der Insolvenzabwicklung, sondern auch bei sämtlichen Dienstleistungen etc. sowie bei der Rückführung der Hilfsprogramme und der damit teilweise verbundenen staatlichen Einflussnahme. Kurzum: Es braucht Vertrauen in die Kraft der Sozialen Marktwirtschaft. Dabei ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Wirtschaft mit Schwung aus der Krise kommen kann. Hierfür darf die Belastung durch Steuern, Beiträge, Energiepreise, europäische und nationale Vorgaben bzw. Bürokratie nicht erhöht, sondern muss im Idealfall zurückgefahren werden.
Stellen wir uns vor, die CDU ist an einer künftigen Regierung beteiligt. Welche Maßnahme sollte als aller Erstes umgesetzt werden, um KMU zu entlasten?
Weiterhin aktuell sind für uns Maßnahmen aus einer Liste, für die sich eine große Zahl von PKM-Mitgliedern im Herbst 2020 eingesetzt hat und die gerade wegen des Widerstands des Koalitionspartners nicht umgesetzt wurden:
- Mehr Möglichkeiten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei der Arbeitszeit durch die Nutzung der Spielräume des EU-Rechts, indem anstelle der täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit festgelegt wird.
- Anhebung der Minijob-Grenze auf 550 Euro/Monat und ihre Kopplung an die allgemeine Lohnentwicklung.
- Anhebung der Grenze für die Sofortabschreibung GWG auf 1.500 Euro.
- Eingrenzung der Arbeitszeitdokumentationspflicht ab einem monatlichen Entgelt von 2.000 Euro und entsprechend Absenkung der Grenze für Teilzeit-Arbeitnehmer.
- Vereinfachungen und höhere Schwellenwerte für betriebliche Beauftragte und die Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten.
- Anhebung der Umsatzgrenze der Ist-Besteuerung im Umsatzsteuergesetz von 600.000 auf 1 Million Euro.
Zudem brauchen wir eine Begrenzung bzw. Absenkung der Energiekosten etwa durch eine geringere EEG-Umlage und die Perspektive für ein Auslaufen des EEG.
Bleiben wir in diesem Gedankenspiel. Die deutsche Förderlandschaft ist für KMU unübersichtlich, die Antragsstellung oft kompliziert. Wollen Sie hier Veränderungen vornehmen? Und welche Förderprogramme bzw. -schwerpunkte halten Sie für besonders wichtig?
Beim Thema Wirtschaftsförderung bewegt man sich immer im Spannungsfeld zwischen ihrer zielgerichteten Wirksamkeit, ihrer Finanzierbarkeit, der Erfüllung insbesondere der europäischen Vorgaben, dem Anspruch eines fairen Wettbewerbs und der Verhinderung von Mitnahmeeffekten oder gar von Missbrauch. Hierdurch sind der Vereinfachung und Vereinheitlichung Grenzen gesetzt. Es geht aber darum, Erfolgreiches fortzuführen und - wo immer möglich - Optionen für die einfachere Abwicklung im Zusammenspiel der einzelnen Programme, der Förderer sowie der beteiligten Hausbanken zu erkennen und zu nutzen. Für besonders wertvoll erachten wir das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM), da es dem Mittelstand gezielt bei der Weiterentwicklung seiner Innovationskraft hilft.
Die Zukunftsfähigkeit des Mittelstandes ist eng mit dem Innovations- und Digitalisierungsniveau von Unternehmen verknüpft. Wie können KMU zielgerichtet dabei unterstützt werden?
Neben der bereits erwähnten Förderung durch das ZIM ist gerade für den Bereich der Digitalisierung das Förderprogramm „Digital Jetzt“ für kleine und mittlere Unternehmen – einschließlich Handwerksbetriebe und freie Berufe - zu erwähnen. Es ist ein großer Erfolg, dass hier kürzlich das Fördervolumen von 204 Mio. Euro auf rund 450 Mio. Euro bis 2023 mehr als verdoppelt wurde. Dennoch gibt es hier noch Luft nach oben. Gefördert werden Investitionen in digitale Technologien sowie in die Qualifizierung der Beschäftigten zu Digitalthemen. Adressiert werden damit neue wirtschaftliche Chancen der Digitalisierung durch neue Geschäftsmodelle, intelligente Arbeits- und Produktionsprozesse, eine effektivere Kundengewinnung und eine bessere Vernetzung, zum Beispiel mit Lieferanten. Auch digitale Kompetenzen der Mitarbeiter sind ein entscheidender Faktor für wirtschaftlichen Erfolg. Zudem fehlt oft im Bereich der IT-Sicherheit noch das nötige Bewusstsein für die Abwehr von Risiken.
Unternehmertum muss für junge Menschen attraktiver werden. Wie können Gründungswillige besser gefördert werden?
Generell wollen wir mehr Freiräume eröffnen und neue Möglichkeiten nutzen, etwa durch Austesten in so genannten Reallaboren, „Bürokratieschutzzonen“ für Gründer. Wir brauchen weitere Schritte hin zu einem Staat, der Bürger und Unternehmen digital effizient gegenübertritt und sich im Zuge dessen auch endlich selbst koordiniert. In den „Bürokratieschutzzonen“ könnten Vorschriften etwa des Arbeits-, Unternehmensrechts oder auch Melde- und Berichtspflichten temporär nach der Unternehmensgründung begrenzt werden, damit sich die Gründer noch mehr ums Gründen als ums Berichten kümmern können. Zudem wollen wir durch die Weiterentwicklung der steuerlichen Rahmenbedingungen finanzielles aber auch persönliches Engagement bei Unternehmensgründungen noch attraktiver machen. Gesellschaftlich aber auch in der Einschätzung durch die Banken muss ein Scheitern bei einer Gründung noch stärker als „normales Risiko“ und weniger als Malus für künftige Entwicklungschancen des Einzelnen betrachtet werden. Weiterhin bleibt es eine Daueraufgabe, die ökonomische Bildung von Kindern und Jugendlichen zu verbessern.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr von Stetten!