"Wir brauchen Investitionen der öffentlichen Hand!"
Im Rahmen der Bundestagswahl beantwortet Sabine Poschmann die Fragen des DMB: Wir wollten von ihr wissen, welchen Mittelstands-Kurs ihre Partei in einer künftigen Regierung einschlagen will.
Bitte stellen Sie sich kurz vor und skizzieren Ihren Weg in die Mittelstandspolitik. Warum ist das Thema für Sie wichtig?
2013 wählten mich die Dortmunderinnen und Dortmunder das erste Mal direkt in den Deutschen Bundestag. In Berlin entschied ich mich dann für eine Mitgliedschaft im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Dort setze ich mich intensiv für gute Rahmenbedingungen für kleine und mittelständische Unternehmen ein – dies war schon während meiner Zeit als Ratsmitglied in Dortmund einer meiner Schwerpunkte. Daher habe ich in der SPD-Fraktion auch die Position der Beauftragten für den Mittelstand und das Handwerk sowie die der stellvertretenden wirtschaftspolitischen Sprecherin übernommen. Der Mittelstand macht unsere Wirtschaft aus, deswegen ist klar, dass er eine starke Befürworterin und eine Ansprechpartnerin in unserer Fraktion braucht. Durch einen regelmäßigen Austausch mit Betrieben, Kammern und Verbänden, aber natürlich auch mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern stelle ich sicher, dass ihre Belange in Berlin Gehör finden.
Wie schätzen Sie den Stellenwert der Mittelstandspolitik in der eigenen Partei ein?
Der Stellenwert ist sehr hoch. Das haben wir unter anderem in der Corona-Krise gezeigt. Olaf Scholz und Hubertus Heil haben direkt unterschiedliche Maßnahmen ergriffen, um Unternehmen und Selbständige in der Krise zu unterstützen. Zudem wurde ein Konjunkturprogramm aufgelegt. Weitere Hilfen wurden bereits zugesagt. Eine funktionierende Wirtschaft ist für alle wichtig, davon profitiert die gesamte Gesellschaft. Allerdings geht es uns nicht nur darum zu schauen, dass es den Unternehmen gut geht, sondern natürlich auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Wie bewerten Sie rückblickend die Mittelstandspolitik der 19. Legislaturperiode?
In den vergangenen vier Jahren haben wir einiges für den Mittelstand erreicht. Ein gutes Beispiel ist die von uns eingeführte steuerliche Forschungsförderung, die den Mittelstand gerade bei den Personalkosten für Forschung unterstützt, damit die KMU nicht gegenüber Großbetrieben abfallen. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz haben wir unseren Arbeitsmarkt erstmals in vollem Umfang auch für Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung geöffnet. Zudem wirken wir dem Fachkräftemangel durch eine umfassende Förderung von Weiterbildung entgegen, z. B. mit dem beschlossenen Qualifizierungschancengesetz. Mit der Wiedereinführung der Meisterpflicht für zwölf Gewerke sichern wir Qualität und Ausbildung im Handwerk.
Welche mittelstandspolitischen Prioritäten würden Sie für die kommende Legislaturperiode setzen?
Um kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen, brauchen wir Investitionen der öffentlichen Hand. Wir werden das von uns durchgesetzte hohe Investitionsniveau des Bundes mit mindestens 50 Milliarden Euro pro Jahr weiter fortsetzen und zudem dazu beitragen, dass sich alle staatlichen Ebenen mit großer Investitionskraft beteiligen. Unsere Verwaltung wollen wir modernisieren und Bürokratie abbauen: Es braucht eine wirtschaftsfreundliche Erreichbarkeit bei den Behörden, Verwaltungskontakte müssen verringert werden. Die Verpflichtung von Bund, Ländern und Kommunen zur Bereitstellung digitaler Verwaltungsdienstleistungen werden wir ausbauen. Außerdem soll Deutschland Europas Region mit den kürzesten Planungs- und Genehmigungszeiten werden. Indem wir die EEG-Umlage bis 2025 abschaffen, reduzieren wir merklich die Stromkosten für Unternehmen und halten sie wettbewerbsfähig. Ferner gilt es, sich weiter um die Fachkräftesicherung zu kümmern. Wir setzen auf eine Ausbildungsgarantie sowie ein Recht auf Weiterbildung. Meister- und Technikerkurse müssen kostenfrei sein. Außerdem werden wir das Fachkräfteeinwanderungsgesetz daraufhin überprüfen, ob dringend benötigte Fachkräfte wirklich ihren Weg in die deutschen Betriebe finden. Bei Bedarf muss nachgebessert werden.
Stellen wir uns vor, die SPD ist in an einer künftigen Regierung beteiligt. Welche Maßnahme sollte als aller Erstes umgesetzt werden, um KMU zu entlasten?
Als Erstes gilt es, die coronabedingte Krise zu überwinden. Wir haben mit massiven Hilfen das Handwerk und den Mittelstand weitreichend gestützt. Damit die Effekte nicht verpuffen, müssen die Hilfen weiter gelten. Auch über weitere Konjunkturmaßnahmen und Schuldenschnitte muss nachgedacht werden. Darüber hinaus müssen wir den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft angehen. Hier dürfen wir keine Zeit mehr verlieren. Wenn wir Klima- und Wirtschaftspolitik klug verzahnen, wenn wir investieren und Innovationen fördern, dann werden wir weltweit zum Vorreiter für die Technologien der Zukunft. Damit einher geht auch die Abschaffung der EEG-Umlage.
Bleiben wir in diesem Gedankenspiel. Die deutsche Förderlandschaft ist für KMU unübersichtlich, die Antragsstellung oft kompliziert. Wollen Sie hier Veränderungen vornehmen? Und welche Förderprogramme bzw. -schwerpunkte halten Sie für besonders wichtig?
Wir wollen die Forschung mit Partnerschafts- und Kooperationsförderungen vorantreiben sowie Förder- und Kreditprogramme im Bereich Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz ausbauen. KMU müssen dabei einen niederschwelligen Zugang erhalten. Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) ist dafür ein gutes Beispiel. Es sollten sich grundsätzlich viele Programme an der praktischen Handhabe von ZIM orientieren. Den Fördertopf von ZIM wollen wir übrigens auch weiter ausbauen.
Die Zukunftsfähigkeit des Mittelstandes ist eng mit dem Innovations- und Digitalisierungsniveau von Unternehmen verknüpft. Wie können KMU zielgerichtet dabei unterstützt werden?
Das eben angesprochene ZIM ist ein sehr wichtiger Baustein, um Innovationen anzukurbeln. Darüber hinaus gibt es weitere Programme und die steuerliche Forschungsförderung. Hinsichtlich der Unterstützung von KMU bei der Digitalisierung gibt es ebenfalls mehrere Programme wie „Digital Jetzt“, „go-digital“ oder „IT-Sicherheit“. Auch die Mittelstand-4.0-Kompetenzzentren helfen mittels Beratung und Praxisbeispielen. Unabhängig davon gilt es natürlich, die Digitalisierung voranzutreiben – vor allem im ländlichen Raum. Die Versorgung aller Unternehmen mit einer Bandbreite von mindestens einem Gigabit pro Sekunde werden wir garantieren – durch konkrete, gesetzlich festgelegte Ausbau- und Versorgungsverpflichtungen und entsprechende Zwischenziele.
Unternehmertum muss für junge Menschen attraktiver werden. Wie können Gründungswillige besser gefördert werden?
Für eine Wirtschaft, die zukünftig stark und wettbewerbsfähig ist, brauchen wir kluge Ideen sowie anpackende und mutige Menschen. Wir wollen daher mehr Unternehmensgründungen anregen, durch One-Stop-Agenturen, erleichtertem Zugang zu Kapital durch Projektförderung sowie öffentliche Fonds für Wagniskapital. An einer “Kultur der zweiten Chance” müssen wir weiter arbeiten, auch im Insolvenzrecht. Existenzgründungen von Frauen werden wir gezielt fördern. Es gilt, einen besseren Zugang zu Gründungskapital zu schaffen und geschlechtsbezogene Barrieren insbesondere für digitalisierungsbezogene Unternehmensgründungen abzubauen. Zudem wollen wir für das Handwerk sowie für KMU eine sinnvolle Nachfolgeplanung ermöglichen. Mit kostenfreien Meister- und Technikerkurse fördern wir Gründungen im Handwerk.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Poschmann!