Dr. Pieper (MdEP): "Wir setzen uns an allen Fronten für eine KMU-verträgliche Lösung ein."
Kurzinterview mit Dr. Markus Pieper (MdEP): Der Brexit und seine Folgen für Unternehmen.
Was sind die größten Gefahren eines harten Brexit für kleine und mittlere Unternehmen?
Dr. Pieper: Wer sagt denn, dass es einen harten Brexit gibt? Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Kommt es zu keiner Einigung über die zukünftigen Beziehungen der EU und dem Vereinigten Königreich, spricht man von einem sogenannten harten Brexit. Das heißt, es gelten dieselben Regeln wie mit anderen WTO-Ländern. Dementsprechend würden sich die Unternehmen mit der Wiedereinführung von Zöllen und Zollkontrollen konfrontiert sehen, könnten eben auch nicht von besonderen Marktzugängen profitieren. KMU können dann nicht einfach ein neues Werk in Großbritannien errichten. Ohne ein umfassendes Freihandelsabkommen sind sie gezwungen, den britischen Markt über den Export zu beliefern, Produkte teils separat herzustellen und schlussendlich doppelt zuzulassen. Beide Parteien tun alles, um dieses Szenario zu verhindern. Mit der Vorstellung des Weißbuchs hat die britische Regierung Einlenken signalisiert. Die Briten wollen eine Freihandelszone für Waren und würden sich dafür an EU-Produktstandards und -regeln halten.
Wie können sich mittelständische Unternehmen derzeit effektiv auf den Brexit vorbereiten?
Dr. Pieper: Auf Veranstaltungen wie das Turmgespräch gehen. Auf jeden Fall die Kammern konsultieren. Sie haben bereits Checklisten erstellt, die den Unternehmen auf einen Brexit so gut wie möglich vorbereiten sollen. In meinen Augen ist eine Überprüfung der aktuellen Unternehmensabläufe unbedingt notwendig: Inwiefern hängt Ihre Lieferkette von britischen Zulieferern ab? Auf welchen Weg werden Ihre Produkte nach Großbritannien geliefert? Lagern Sie Ihre Daten auf britischen Servern? Eins möchte ich betonen: Wir setzen uns an allen Fronten für eine KMU-verträgliche Lösung ein.
Welche Hürden müssen auf dem Weg zu einem geordneten Brexit genommen werden? Was sind die größten Konfliktpunkte für den weiteren Verlauf der Verhandlungen?
Dr. Pieper: Eine inhaltliche Herausforderung ist sicherlich die Nordirlandfrage: Auf der einen Seite will die britische Regierung raus aus dem Binnenmarkt und der Zollunion. Auf der anderen Seite soll es, um das Karfreitagsabkommen zu wahren, keine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland - also keinen Schlagbaum und Grenzkontrollen - geben. Die britische Regierung hat nun einen Vorschlag vorgelegt, wie das Vereinigte Königreich diese Vorstellungen anhand einer technischen Lösung umsetzen will. Ob diese technische Lösung praktikabel ist, muss die EU jetzt prüfen. Gleichzeitig stehen die Verhandlungen unter der innenpolitischen Instabilität Großbritanniens.