14.02.2019Fachbeitrag

Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Urteilen in der Ukraine

Für deutsche Unternehmen ist die Ukraine ein interessantes Export-, Import-, Produktions- oder Investitionsziel. Die vierzehnteilige Beitragsserie „Markteinstieg in der Ukraine“ vermittelt Grundlagen und Details zum Wirtschaftssystem der Ukraine.

Nach der Einleitung der Justizreform in der Ukraine hat die ukrainische Zivilprozessgesetzgebung zahlreiche Veränderungen und Neuerungen erfahren. Der ukrainische Gesetzgeber hat die bisherigen Regelungen der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Kraft gelassen, wobei einige rechtliche Aspekte nur in Verfahrensfragen geklärt wurden.

Nach den Regeln des allgemeinen Völkerrechts, insbesondere dem Prinzip der territorialen Integrität, ist grundsätzlich kein Staat verpflichtet, die Entscheidungen von Gerichten anderer Staaten auf seinem Territorium zu beachten oder sogar zu vollstrecken. Eine völkerrechtliche Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckung des Urteils eines ausländischen Gerichts entsteht nur dann, wenn sich ein Staat dazu durch einen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag verpflichtet hat.

Die Ukraine hat eine Reihe von internationalen Abkommen bzw. bilateralen völkerrechtlichen Verträgen ratifiziert, die das spezielle und in meisten Fällen vereinfachte Anerkennungs- sowie Vollstreckungsverfahren vorsehen. Bei den Partnerstaaten mit bilateralen Völkerverträgen handelt es sich überwiegend um die GUS-Staaten (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten), die baltischen Staaten und andere osteuropäische Länder. Zurzeit besteht weder zwischen der Ukraine und Deutschland, noch zwischen der Ukraine und der EU ein entsprechendes Abkommen, das die Fragen hinsichtlich der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Wirtschaftssachen regelt (wie z.B. die Verordnung Nr. 1512/2015 innerhalb der EU, die eine gegenseitige Anerkennung und Vollstreckbarkeit innerhalb der EU bestimmt).

 

Gegenseitigkeitsprinzip

In der Ukraine gelten für die Anerkennung und die Vollstreckung eines ausländischen Urteils die Regeln des Artikels 462 der ukrainischen Zivilprozessordnung, der im Jahre 2010 eingeführt wurde und das Gegenseitigkeitsprinzip im ukrainischen Recht verankert hat. Die zeitliche Grenze für eine Anerkennung und eine Vollstreckung eines ausländischen Urteils sind drei Jahre nach Rechtskraft des Urteils, es sei denn, es handelt sich um Leistungen aus einem Dauerschuldverhältnis. Im letzteren Fall können Entscheidungen zur Zwangsvollstreckung innerhalb der ganzen Zeit des Vollstreckungsverfahrens zur Begleichung der Schulden für die letzten drei Jahre vorgelegt werden.

Der Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Urteils wird von dem ordentlichen Gericht am Sitz des Schuldners verhandelt, oder wenn dieser in der Ukraine nicht existiert, bei dem Gericht, innerhalb dessen Bezirks Vermögenswerte des Schuldners liegen, in die vollstreckt werden soll. Ausgeschlossen ist die Vollstreckung solcher Urteile, die gegen das Prinzip der ausschließlichen Zuständigkeit der ukrainischen Gerichte ergangen sind. So sieht das Gesetz der Ukraine zum internationalen Privatrecht die ausschließliche Gerichtsbarkeit unter anderem für die Fälle der Verhandlung in Sachen einer Immobilie, die sich in der Ukraine befindet, vor.

Das Gegenseitigkeitsprinzip besagt, dass angenommen wird, dass auch ukrainische Urteile in dem anderen Staat, d.h. in diesem Falle in Deutschland, vollstreckt werden können. Das Gegenseitigkeitsprinzip wird nach der ukrainischen Zivilprozessordnung dabei als Regelfall angenommen. Sie muss nicht mehr wie früher durch Bescheinigungen der jeweiligen Justizministerien im konkreten Fall nachgewiesen werden. Eine ähnliche Regel enthält auch § 328 Abs. 1 Ziffer 5 der deutschen Zivilprozessordnung, nach dem - neben den in den Ziffern 1 bis 4 genannten Fällen - eine Vollstreckung eines ausländischen Urteils nicht möglich ist, wenn die Gegenseitigkeit der Vollstreckung nicht gewährleistet ist.

 

Antragstellung auf die Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Urteilen

Konkret müssen mit einem Antrag auf die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Urteils bei dem zuständigen ukrainischen Gericht die nachfolgenden Unterlagen eingereicht werden:

  1. amtlich beglaubigte Kopie des rechtskräftigen Urteils;
  2. Rechtskraftvermerk bzw. offizielle Urkunde, die die Rechtskraft des ausländischen  Urteils nachweist (falls sich dies dem Urteil selbst nicht zu entnehmen ist);
  3. Nachweis darüber, dass die Partei, hinsichtlich deren die Entscheidung des ausländischen Gerichts getroffen wurde und die im Gerichtsverfahren nicht teilgenommen hat, über Termin und Ort der Gerichtsverhandlung ordnungsgemäß benachrichtigt wurde;
  4. wenn die Entscheidung schon vorher vollstreckt wurde, ein Nachweis, ab welchem Datum oder hinsichtlich welchen Teils die Entscheidung der Vollstreckung unterliegt; und
  5. Vollmacht des Vertreters des Klägers, wenn dieser Antrag von einem Vertreter gestellt wurde.

Alle Unterlagen müssen im Original oder in einer amtlich beglaubigten Kopie, jeweils mit einer Apostille bzw. einer Überlegalisierung, sowie mit einer amtlich beglaubigten ukrainischen Übersetzung, vorgelegt werden.

Wenn alle dieser Voraussetzungen gegeben sind, spricht das ukrainische Gericht dem ausländischen Urteil seine Anerkennung und seine Vollstreckbarkeit aus. Die eigentliche Vollstreckung erfolgt dann aber nach den ukrainischen Regeln.

 

Forderungsabtretung an eine deutsche Gesellschaft bzw. Umgehung des ukrainischen Erkenntnis- und Gerichtsverfahrens

Der unten geschilderte Weg ist noch eine zusätzliche Alternative zur Einreichung einer Klage vor ukrainischen Gerichten, bei denen u.a. nicht alle Beweismittel anerkannt sind, z.B. keine Emails. Ein deutscher Gläubiger macht seinen Anspruch vor einem deutschen Gericht geltend, wenn dessen Zuständigkeit gegeben ist oder dessen Zuständigkeit nicht bestritten wird; ggf. wird ein Anspruch, der innerhalb der Ukraine besteht, an eine deutsche (verbundene) Gesellschaft abgetreten und dann von dieser in Deutschland geltend gemacht.

Wenn ein rechtskräftiges Urteil in Deutschland erstritten worden ist, erfolgt die Anerkennung des deutschen Urteils in der Ukraine nach obigem Verfahren – und das ukrainische Erkenntnis- und Gerichtsverfahren ist umgangen. Allerdings erfolgt die eigentliche Zwangsvollstreckung des anerkannten Urteils nach dem ukrainischen Zwangsvollstreckungsrecht. Dieses kann auch durch eine Anerkennung nicht umgangen werden, wenn die Vermögensgegenstände, in die vollstreckt werden soll, in der Ukraine gelegen sind.

 

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