23.04.2024Interview

"Anwendungsfelder in der Mobilität für KMU relevant"

Ulf Groos spricht über die Einsatzmöglichkeiten von grünem Wasserstoff für deutsche KMU.

Herr Groos, in welchen Branchen wird (grüner) Wasserstoff bereits heute eingesetzt und in welchen Bereichen ist es auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sinnvoll?

Wasserstoff wird heute schon in Raffinerien, der Chemieindustrie und bei der Düngemittelherstellung eingesetzt. Außerdem gibt es bereits erste Brennstoffzellen-Fahrzeuge und Tankstellen in einem Probebetrieb mit einem allerdings heute noch sehr geringen Wasserstoffbedarf. Für den Mittelstand sind vermutlich eher die zukünftigen Anwendungsfelder in der Mobilität – Tankstellen, emissionsfreie Mobilität von Individual- bis Lastverkehr – relevant. Weitere Zukunftsanwendungen sind die Stahl- und auch Zementindustrie. Des Weiteren könnte Wasserstoff für klimaneutrale Hochtemperaturanwendungen relevant werden.

 

Welche Vorteile bietet die Umwandlung von grünem Strom in grünen Wasserstoff gegenüber der Direktnutzung von erneuerbarem Strom?

In Deutschland können Elektrolyseure an Netzknoten bzw. auch an den Wind- und Solaranlagen zur Netzstabilisierung beitragen. Hier muss man unterscheiden zwischen Netzdienlichkeit (= Deutschlandweit gibt es keinen Stromüberschuss, aber die Leitungskapazität ist zu klein, um erneuerbaren Strom aus dem Norden in den Süden zu leiten) und Systemdienlichkeit (= Wir haben deutschlandweit Stromüberschuss, die "negative Residuallast" wird durch den Elektrolyseur verbraucht und in speicherbaren Wasserstoff gewandelt.) Zusätzlich gilt: In manchen Fällen ist eine direkte Stromnutzung nicht möglich (bspw. als Rohstoff in der Industrie) oder sie ist mit Nachteilen verbunden (bspw. lange Ladezeiten oder hoher Ressourceneinsatz). Darüber hinaus scheint der Aufbau von Elektrolyse in Deutschland auch sinnvoll, um Erfahrung für den Export der Elektrolysetechnologien zu gewinnen und zu demonstrieren. Vor allem ist zu beachten, dass mit Hilfe der Elektrolyse und damit Wasserstoff erst der globale Handel von Erneuerbaren Energien (EE) möglich wird. So können weltweit die geeignetsten Standorte für EE erschlossen werden und EE mit Hilfe von Wasserstoff oder Derivaten exportiert werden, z. B. aus Südafrika, Australien, Chile etc. nach Europa. Aufgrund der dort wesentlich höheren Volllaststunden für Erneuerbare Energien gegenüber Deutschland werden die Effizienzverluste durch die Umwandlung von Strom in Moleküle sowie durch den Transport kompensiert.

 

Welche technischen Hürden erschweren KMU bislang noch den Zugang zu grünem Wasserstoff?

Heute ist grüner Wasserstoff grundsätzlich noch nicht ausreichend verfügbar, sondern in der Regel handelt es sich um grauen Wasserstoff, also fossil hergestellten Wasserstoff. Das liegt in der Regel daran, dass es in Summe noch zu teuer ist, grünen Wasserstoff herzustellen und die entsprechenden Regularien und Fördermaßnahmen, um einen Markthochlauf zu generieren, gerade noch in den letzten Zügen sind bzw. erst in den nächsten zwei Jahren in die gesetzliche Geltung kommen. Einer der dabei auch technisch wichtigen Punkte ist das Wasserstoffnetz. Das Wasserstoffnetz und die am Netz angeschlossenen Speicher ermöglichen einen kostengünstigen Transport und Speicherung von Wasserstoff und sind damit kritisch. Hier wurde mit dem Kernnetz durch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) einiges in die Wege geleitet, die Umsetzung benötigt jedoch Zeit. Auch die Regelwerke für die Zulassung von Wasserstoffanlagen sind noch nicht umfassend etabliert, sodass noch regelmäßig intensive Diskussionen mit den Genehmigungsbehörden zu führen sind. Die typischerweise kleineren Abnahmemengen bei Mittelständlern sind dann für die Gasversorger gegebenenfalls gegenüber der Großindustrie weniger attraktiv.

 

An welche Anlaufstellen können sich KMU wenden, um Informationen und Unterstützung zum Thema Wasserstoff zu erhalten?

Je nach Informationsbedarf stehen lokale Industrieinitiativen wie bspw. die 3H2 Initiative (regional im Südlichen Oberrhein und umsetzungsorientiert), Energieagenturen (eher beratend), übergeordnete Verbände wie der Deutsche Wasserstoffverband oder VDMA Arbeitskreis Brennstoffzelle (eher für Fachfirmen oder grundsätzliche – also nicht individuelle Aussagen), Forschungsdienstleister wie das Fraunhofer ISE (für technisch tiefgehende und entwicklungsbezogene Fragen, aber auch bei Bewertung von komplexeren Wasserstoffanlagen und Versorgungsfragen) zur Verfügung, Anlaufstellen in den Ländern sind u.a. H2BW oder Förderorganisationen wie NOW. Auch die Genehmigungsbehörden selbst haben häufig schon erste Erfahrungen gesammelt.

 

Welchen Einfluss hat die Umsetzung der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung auf die Wirtschaftlichkeit der Wasserstoffnutzung in Deutschland?

Die Wasserstoffstrategie dokumentiert den politischen Willen der Bundesregierung zum Wasserstoffhochlauf. Insofern gibt es eine gewisse Investitionssicherheit und eine gewisse Planbarkeit, die es Firmen ermöglicht, sich auf den Wandel einzustellen und damit bspw. ihr Produktportfolio, den Wandel ihrer Energieversorgung oder ihre (internationale) strategische Ausrichtung anzupassen. Sie hat neben der Wirkung der in der Strategie beschriebenen Maßnahmen (bspw. im Bereich Anpassung, Regulatorik oder der Umsetzung von Importen durch Förderinstrumente) damit einen wichtigen Einfluss auf die Planbarkeit, was die Wirtschaftlichkeit positiv beeinflusst.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Groos!

Dieser Beitrag ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Wie wettbewerbsfähig ist der MIttelstand?"

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