Atomkraft in Deutschland
Während Deutschland im Jahr 2023 sein letztes Atomkraftwerk abschaltete, wird die Kernenergie im Ausland weiterhin genutzt und teilweise sogar fortentwickelt. Auch hierzulande gibt es Stimmen, die einen Wiedereinstieg in die Atomkraft befürworten. Doch was wäre von einer solchen Renaissance zu erwarten?
Seit im April 2023 die letzten drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet wurden, wird hierzulande kein Strom mehr aus Kernenergie erzeugt. Blickt man auf den aktuellen Ausbaustand der Erneuerbaren Energien und den absehbaren Ausstieg aus der Kohlenutzung spätestens im Jahr 2038 machen sich viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) heute Sorgen um ihre künftige Energieversorgung. Denn um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, ist der deutsche Mittelstand auf eine verlässliche, kostengünstige und klimafreundliche Energieversorgung angewiesen. Die Unionsparteien sehen in der Reaktivierung der zuletzt vom Netz genommenen Atomkraftwerke eine Möglichkeit für die künftige Energieversorgung. Einen entsprechenden Beschluss fasste die CSU auf ihrem Parteitag im Oktober. In ihrer Neue Energie-Agenda fordert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zu prüfen, ob eine erneute Inbetriebnahme der bereits abgeschalteten Atomkraftwerke mit einem vertretbaren finanziellen und technischen Aufwand möglich wäre. Außerdem befürwortet die Fraktion in ihrem Papier die Forschung und Entwicklung von Atomkraftwerken der vierten und fünften Generation sowie neuer Minireaktoren, sogenannter Small Modular Reactors (SMR).
Während in Deutschland also Stimmen laut werden, erneut in die Nutzung der Kernenergie einzusteigen, treiben Länder wie die USA, Japan, Großbritannien, Frankreich oder Polen bereits aktiv Pläne voran, neue Atomkraftwerke zu bauen. Tech-Konzerne wie Google oder Microsoft setzen auf Atomkraftwerke zur Energieversorgung ihrer Rechenzentren.
In Deutschland hat der Rückbau bei vier Atomkraftwerken noch nicht begonnen, sondern diese sind bislang nur außer Betrieb. Rein technisch könnten laut Physiker und früherem Mitglied der Reaktorsicherheitskommission Ulrich Waas sogar fünf AKW wieder ans Netz genommen werden. Allerdings würde dies einen Vorlauf von ein bis zwei Jahren erfordern. Neben technischen Änderungen müsste zudem auch erst wieder Personal gefunden und eingestellt werden.
Grundlastfähigkeit als Vorteil
Was wäre von einer Renaissance der Atomkraft in Deutschland zu erwarten? In der Tat bot die Kernenergie unserer Wirtschaft und Gesellschaft für lange Zeit eine verlässliche und grundlastfähige Stromversorgung. Sieht man vom Bau und Abriss der Reaktoren sowie der Bereitstellung und Entsorgung der erforderlichen Uran-Brennstäbe ab, erfolgte zumindest der eigentliche Prozess der Stromerzeugung weitgehend klimafreundlich. Dabei hat die Kernenergie unbestritten den Vorteil, dass sie grundlastfähig ist und somit genau das bietet, was Kritiker der Energiewende an Solar- und Windenergie bemängeln: Dass sie nur wetter- und jahreszeitenabhängig Energie liefern können.
Kernkraft ist teurer als Erneuerbare Energien
Kostengünstig und wirtschaftlich darstellbar war die Atomkraft verglichen mit anderen Energieträgern allerdings nur dank massiver staatlicher Subventionen. Experten rechnen allein für die Aktivierung der fünf AKW mit einer niedrigen einstelligen Milliardensumme, die die Betreiber leisten müssten. Zusätzlich geht das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) davon aus, dass die Stromgestehungskosten für Kernkraft im Jahr 2024 bei13,6 bis 49,0 Cent pro Kilowattstunde Strom (kWh) liegen. Hierbei sind externalisierte Kosten wie zum Beispiel für die Suche eines Endlagers für Atommüll noch nicht miteingerechnet. Demgegenüber können Windenergieanlagen an Land Strom zu Gestehungskosten von 4,3 bis 9,2 Cent pro kWh und Photovoltaik-Freiflächenanlagen zu Gestehungskosten von 4,1 bis 6,9 Cent pro kWh erzeugen. Die Stromgestehungskosten geben an, welche Kosten über die gesamte Lebensdauer eines Kraftwerks gerechnet einschließlich ihrer Errichtung, Wartung, Stromerzeugung und Abbau pro erzeugter Kilowattstunde Strom anfallen.
Neue Generation von AKW noch nicht ausgereift
Neue Minireaktoren, sogenannte Small Modular Reactors (SMR), auf denen die künftigen Hoffnungen der Atomkraft-Befürworter ruhen, lassen sich derzeit ohne staatliche Subventionen noch nicht realisieren. Auch Investoren begegnen den zahlreichen Startups, die an der Nuklearnutzung der Zukunft arbeiten und forschen, häufig noch mit Skepsis. Die Erfahrungen beim dezentralen Ausbau der Windenergie, wecken im übrigen Zweifel, ob der Bau vieler, kleiner SMRs verteilt über das gesamte Land statt vereinzelter, großer Atomkraftwerke auf weniger Widerstand bei der Bevölkerung vor Ort trifft.
Auch das alte Problem der Entsorgung bzw. Verwertung des radioaktiven Atommülls ist noch nicht überzeugend gelöst. Während der Atommüll bislang in oberirdischen Zwischenlagern gesammelt wird, versprechen Betreiber von Atomkraftwerken der neueren Generation bereits angefallenen Atommüll für die Energiegewinnung wiederzuverwerten. Dies wäre zwar ein vielversprechender Ansatz, bislang haben diese Kraftwerke allerdings noch keine Marktreife erlangt und es müssen bis dahin noch enorme Summe in die Forschung investiert werden.
Altbekannte Probleme sind noch nicht gelöst
Die Pläne der Atomindustrie und die aktuelle Forschung mögen ein vielversprechendes Bild der Atomkraft als Teil einer verlässlichen und klimaneutralen Energieversorgung zeichnen. Da sie aber erst noch die flächendeckende Umsetzbarkeit und Praxistauglichkeit unter Beweis stellen muss, steht zu befürchten, dass die neuerliche Debatte über einen Wiedereinstieg in die Kernenergie Erwartungen weckt, die unerfüllt bleiben. Denn die altbekannten Probleme dieser Technologie sind noch nicht zufriedenstellend gelöst.