Die Risiken der Klimakrise - hohe Kosten für Unternehmen
Der Klimawandel bringt strukturelle Veränderungen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt mit sich.
Unwetter, Hochwasser, Hitze und Dürre – aktuelle Beispiele für die Auswirkungen des Klimawandels, die schon heute den Betrieb und die Sicherheit eines Unternehmens gefährden können. Kurzum: Umwelt- und Klimafolgen bergen ein erhebliches Risiko für Unternehmen. In einer aktuellen Studie wurden nun erstmals die vergangenen und zukünftigen Kosten des Klimawandels in Deutschland bis 2050 untersucht. Der DMB hat mit zwei der Studienautoren, mit Saskia Reuschel (GWS) und Lukas Eiserbeck (Prognos), über die volkswirtschaftlichen Effekte des Klimawandels sowie über Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen gesprochen.
DMB: Sie haben im Auftrag des Bundesumwelt- und des Bundeswirtschaftsministeriums im vergangenen Jahr eine Studie durchgeführt, die die Kosten des Klimawandels in Deutschland bis 2050 aufzeigt. Können Sie die Hauptergebnisse hier einmal kurz zusammenfassen?
Saskia Reuschel (GWS): Die schlechte Nachricht zuerst: Der Klimawandel wird auch in Deutschland erhebliche Kosten verursachen: Dabei steigen die jährlich auf uns zukommenden Kosten, je weiter wir in die Zukunft schauen, immer stärker an. Die Ergebnisse zeigen auch auf, dass der Klimawandel strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft und auf den Arbeitsmärkten nach sich ziehen wird und sich soziale Ungleichheiten weiter verstärken werden. Wichtig zur Einordnung der Ergebnisse ist hierbei jedoch, dass wir eine modellbasierte Szenarioanalyse durchgeführt haben. Das bedeutet, dass es sich nicht um eine genaue Vorhersage oder Prognose handelt, sondern wir ermittelt haben, welche Folgen unter bestimmten Annahmen eintreten können. Im Klimaszenario, welches einen stark voranschreitenden Klimawandel unterstellt, summieren sich die volkswirtschaftlichen Kosten bis 2050 auf mindestens 900 Mrd. Euro. Aber auch in einem schwachen Klimawandelszenario müssen wir mit Folgekosten in Höhe von mindestens 280 Milliarden Euro rechnen.
Lukas Eiserbeck (Prognos): Der Klimawandel ist allerdings kein abstraktes Konzept, auf das wir uns später einstellen und auch erst in der Zukunft anpassen müssen: Unsere Untersuchung zeigt auch, dass schon in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland mindestens ca. 145 Milliarden Euro an erfassten Schäden durch Extremwetterereignisse entstanden sind – und über die Hälfte der Schäden allein in den vergangenen 5 Jahren. Dabei war Deutschland sowohl von starken Hitze- und Dürreereignissen als auch von verheerenden Überschwemmungen betroffen, die sich vom Ausmaß der Gesamtschäden in etwa die Waage halten. Hier stechen vor allem die bisher in dieser Dimension noch nicht untersuchten Hitze- und Dürreereignisse der vergangenen Jahre hervor. Diese verursachten laut unseren Untersuchungen fast 35 Mrd. € an Schäden.
Saskia Reuschel (GWS): Die gute Nachricht, die sich zum Schluss auch aus unseren Ergebnissen ableiten lässt, lautet allerdings: Wir können uns anpassen und so die Schäden, je nach Schwere des nach dem Klimaschutz übrigbleibenden Klimawandels, vermeiden bzw. auf ein Minimum begrenzen.
In der Studie sprechen Sie von direkten und indirekten Auswirkungen des Klimawandels. Was ist damit gemeint und wie wirken sich diese unterschiedlichen Schäden auf Unternehmen aus?
Saskia Reuschel (GWS): Direkte Schäden treten als unmittelbare Folge von Extremereignissen wie Hitzeereignissen oder Hochwässern auf – indem beispielsweise Infrastrukturen verschleißen oder zerstört werden. Indirekte Schäden entstehen, wenn die Auswirkungen des Klimawandels auf Lieferketten treffen: Kann ein entscheidendes KFZ-Teil aufgrund eines Wasserschadens beim Hersteller nicht oder nur verzögert geliefert werden, stehen Fließbänder in weiteren Branchen in z. T. geografisch weit vom Ereignis entfernten Regionen still und verursachen Verluste. Aus diesem Grund sind Unternehmen sowohl direkt am Standort als auch indirekt über ihre Lieferkette von Klimawandelauswirkungen betroffen.
Lukas Eiserbeck (Prognos): Daneben gibt es weitere Auswirkungen für Unternehmen, deren genaue Schadenshöhen sich aktuell nicht abschätzen lassen. Ein Merkmal der Klimakrise besteht darin, dass ihre Auswirkungen sehr komplex sind. Viele Schäden, beispielsweise an der schwindenden Artenvielfalt oder ausgelöste Fluchtbewegungen im globalen Süden, lassen sich derzeit noch nicht in eine ökonomische Dimension umrechnen. Trotzdem kann eine schwindende Artenvielfalt z. B. die Erträge in der Landwirtschaft stark beeinflussen. Beispielsweise über geringere Bestäubungsleistungen, und die Landwirte vor noch nicht absehbare Herausforderungen und Kosten stellen. Diese werden über Lieferketten an die Nahrungsmittelindustrie bis zum Gastgewerbe und den privaten Haushalten weitergereicht.
Zur Wahrheit gehört aber auch dazu: Nicht jedes vergangene Extremereignis ist eindeutig auf den Klimawandel zurückzuführen. Was wir jedoch wissen, ist, dass Hitzewellen, Starkregenereignisse und Trockenperioden in Zukunft sowohl in Deutschland als auch global gesehen deutlich häufiger auftreten und intensiver oder länger anhalten werden. Somit muss auch die Wirtschaft lernen, mit den Folgen der Klimakrise umzugehen und sich ihnen gegenüber resilient aufzustellen.
Welche Branchen und Unternehmen sind in der Vergangenheit besonders von den Klimawandelfolgen betroffen gewesen?
Lukas Eiserbeck (Prognos): In der Vergangenheit waren besonders Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe, in der Landwirtschaft, sowie im Bauwesen betroffen. Grund dafür sind vor allem die mit diesen Tätigkeiten einhergehende körperliche Belastung in Kombination mit Arbeitseinsätzen im Freien oder mikroklimatisch ungünstigen Fabrikhallen. Hierdurch entstanden beispielsweise 2018 und 2019 allein in den drei genannten Branchen Arbeitsausfälle in Höhe von 4,7 Mrd. €. Generell zeigt sich, dass die Hitzebelastung derzeit auch im unternehmerischen Kontext noch eine untergeordnete Rolle spielt – obwohl die beiden genannten Jahre von ihrer ökonomischen Bedeutung die erfassten Schäden der Flutkatastrophe des Jahres 2021 an Unternehmen (diese betrugen inklusive der indirekten Schäden ca. 1,5 Mrd. €) um das Dreifache übertreffen. Klimawandelfolgen betreffen allerdings nicht nur den Unternehmensstandort an sich, sondern stören insbesondere in vorleistungs- und logistikintensiven Branchen auch Transportwege und führen so zu Unterbrechungen, Ausfällen und hohen Kosten im Betriebsablauf. Je komplexer und globaler, aber auch je zentralisierter, also wenn beispielsweise wichtige Vorleistungen nur von einem einzigen Lieferanten abhängen, eine Lieferkette gestaltet ist, desto größer ist das Risiko eines klimawandelbedingten Ausfalls. Dies gilt insbesondere für Waren oder Vorleistungen, die aus dem globalen Süden importiert werden, da die dortigen Länder bereits heute stärker von Klimawandelfolgen betroffen sind und häufig nur eine geringe Anpassungskapazität besitzen.
Und in welchen Branchen sind zukünftig die größten Umbrüche zu erwarten?
Saskia Reuschel (GWS): Zukünftig werden die bereits erwähnten Branchen des Verarbeitenden Gewerbes, der Landwirtschaft und des Bauwesens auch weiterhin stark belastet sein. Hinzu kommen aber vor allem auch Unternehmen aus dem Dienstleistungsbereich, welche indirekt die Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen: sie werden zum einen durch Ertragsverluste in Landwirtschaft und steigende Produktionskosten in Industrie mit Preissteigerungen der Vorleistungslieferungen und damit eigenen steigenden Produktionskosten konfrontiert. Zum anderen sehen sie sich einer Konsumzurückhaltung bzw. einem geänderten Konsumverhalten der privaten Haushalte gegenüber. Denn nicht nur Unternehmen, sondern auch Privatpersonen sind von den Folgen des Klimawandels betroffen und reagieren entsprechend.
Wir sehen darüber hinaus auch, dass sich die Nachfrage nach Ingenieurs- Handwerks- und Architekturleistungen, sei es durch Wiederaufbaunotwendigkeiten oder die „grüne“ Nachrüstung von Gebäuden in Zukunft deutlich verstärken wird, sodass in diesen Branchen sogar positive Effekte zu erwarten sind.
Welche Möglichkeiten im Umgang mit Klimawandelfolgen haben Unternehmen?
Lukas Eiserbeck (Prognos): In Zeiten multipler Krisen ist es umso wichtiger, den Klimawandel bzw. seine Folgen als integralen Teil des unternehmerischen Risikomanagements zu begreifen. Erste Ansätze, wie eine solche Integration gelingen kann, bietet zum Beispiel die Website des Netzwerks Klimaanpassung & Unternehmen.NRW oder das Factsheet des UBA zur Durchführung einer robusten Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalyse nach EU Taxonomie. Aber auch kleine, passend auf das Unternehmen und den Standort zugeschnittene Maßnahmen können im Ernstfall eine große Wirkung entfalten:
Eine niedrigschwellige Information von Angestellten zum richtigen Verhalten an Hitzetagen, wie sie u. a. der Hitzeknigge des Umweltbundesamtes bereitstellt, hilft, Gesundheitsschäden zu vermeiden und die Geschäftstätigkeit aufrechtzuerhalten. Für Unternehmen in Tallagen oder in unmittelbarer Nähe eines Wasserlaufs kann bereits die Kontrolle sowie die Abdichtung von möglichen Wassereintrittspunkten am Gebäude oder eine Erhöhung der Einstiegsstufen um wenige Zentimeter im Ernstfall eine entscheidende Rolle spielen. Wird kritische Infrastruktur wie beispielsweise ein Gefahrgutlager oder der Server mit den Betriebsdaten statt im Keller in ein oberes Stockwerk verlagert, so verringert dies die auftretenden Betriebsstörungen infolge eines Hochwassers. Ebenfalls hocheffektiv, vor allem im Bereich der Temperaturregulierung sind Grünfassaden oder Gründächer. Neben der Verdunstungskühlung und dem Regenwasserrückhalt haben diese noch zahlreiche weitere positive Effekte: Sie stärken die Artenvielfalt, sie binden Schadstoffe und sorgen durch verringerte Heiz- oder Kühlbedarfe das ganze Jahr über für einen verringerten Energiebedarf am Gebäude. Außerdem stellen insbesondere grüne Infrastrukturen für Unternehmen auch einen wichtigen Imagefaktor dar, sich im Wettbewerb um junge Fachkräfte gegen Mitbewerber zu behaupten.
Zu den gesammelten Studienergebnissen:
https://www.prognos.com/de/projekt/bezifferung-von-klimafolgekosten-deutschland
https://www.ioew.de/projekt/kosten_durch_klimawandelfolgen_in_deutschland
https://www.gws-os.com/de/energie-klima/projekte/detail/bmu-kliwafo
Transparenzhinweis:
Das im Text benannte Netzwerk Klimaanpassung & Unternehmen.NRW wird von der Prognos AG gemeinsam mit der Rebel Deutschland GmbH, dem VDI Technologiezentrum und der Climaticon GmbH betrieben.
Dieser Beitrag ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Unternehmerische Widerstandsfähigkeit"