FORUM: Risse im Rückgrat
Das Wochenmagazin "Forum" hat sich mit der angespannten Stimmung kleiner und mittlerer Unternehmen im Angesicht der anhaltenden Energiepreiskrise auseinandergesetzt. Im Artikel äußert sich Steffen Kawohl, DMB-Experte für Energiepolitik, kritisch zur Lage des Mittelstands.
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„Das ist jetzt eine schwierige Phase gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen", sagt Steffen Kawohl, Referent für Wirtschaft und Politik des Deutschen Mittelstands-Bundes (DMB), im Telefonat mit FORUM. „Die energieintensiven Unternehmen und das produzierende Gewerbe leiden besonders unter den hohen Energiepreisen, zum Beispiel Bäcker, Betriebe, die Ton herstellen, oder auch Automobilzulieferer." Die hohen Energiekosten belasteten auch die Lebensmittel- und die Logistikbranche. Die hohe Inflation und die hohen Energiepreise hätten immer einen Effekt auf die Nachfrageseite, weil natürlich dann auch die Verbraucher sparen müssen, um ihre steigenden Energiekosten bezahlen zu können. „Das wirkt sich natürlich auch wiederum auf die Nachfrage aus", erläutert der Wirtschaftsreferent aus Düsseldorf. Neben den hohen Energiepreisen hätten auch die hohen Rohstoffpreise insgesamt dazu beigetragen, dass es Insolvenzen gibt.
Die Experten des DMB haben in den vergangenen Wochen eine Blitzumfrage unter ihren Mitgliedern durchgeführt. Das Resultat: Zehn Prozent der befragten Unternehmen sehen ihren Geschäftsausblick für die nächsten sechs Monate als existenzbedrohend an. Und 32 Prozent sprechen davon, dass der Geschäftsausblick aus ihrer Sicht schlecht ist. „Das ist schon ein alarmierendes Signal", sagt Steffen Kawohl.
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Die geschwächte Wirtschaftskraft schlägt sich auch in der Anzahl von Insolvenzen nieder. Tendenz steigend. „Für September 2022 nennt das Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) eine Zahl von 762", sagt DMB-Referent Steffen Kawohl. „Das sind 34 Prozent mehr Insolvenzen als im gleichen Vorjahresmonat. Im August waren es 718 Fälle, was 26 Prozent mehr Insolvenzen als vor einem Jahr entsprach." Allerdings sei bei diesen Statistiken immer fraglich ist, wie viel sie tatsächlich über den Zustand der deutschen Wirtschaft aussagten, gibt Kawohl zu bedanken. Sie lieferten nur ein begrenztes Bild, weil darin nicht enthalten ist, wer zum Beispiel sein Geschäft aufgebe, ohne einen Insolvenzantrag zu stellen. Auch werde in dieser Statistik nicht erfasst, wenn sich Firmen neu gründen oder ein Gewerbe beantragen.
„Auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass Insolvenzen in einer funktionierenden Marktwirtschaft eine reinigende Wirkung haben und dass unprofitable Unternehmen, die Kapital und Arbeitskräfte binden, auch in Zeiten wirtschaftlicher Aufschwünge vom Markt gehen." Deswegen sei das Insolvenzgeschehen auch ein ganz normaler Teil der Marktwirtschaft, so der Experte.
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Die kleinen und mittleren Unternehmen seien das Rückgrat unserer Wirtschaft, sagt Steffen Kawohl. „Sie stellen rund 60 Prozent der Arbeitsplätze. Diese Unternehmen zahlen am Ende auch die Gehälter vieler Menschen." Deswegen sei das eine kritische Situation. „Maßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen zu erhalten, müssen eine besondere politische Bedeutung haben." Die Friseurmeisterin Angelique Fiedler hofft indes auf das Weihnachtsgeschäft. Und darauf, dass sie das, was sie sich knapp zwei Jahrzehnte lang aufgebaut hat, nicht durch die Energie- und Wirtschaftskrise „gegen den Baum" fahren muss.
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Quellen- und Autorenangaben:
Autorin:
Julia Christ
Quelle:
Forum / magazin-forum.de
Veröffentlichungsdatum: 21.10.2022
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