20.05.2022Fachbeitrag

Klimafolgenanpassung, nicht sexy aber dringlich

Mögliche Klimarisiken können bereits beim Bau von Gebäuden berücksichtigt werden.

Der Klimawandel und seine Auswirkungen führen bereits heute zu Mindereinnahmen, Reparaturkosten oder Unterbrechungen in der Lieferkette kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sollten sich KMU daher aktiv mit den Risiken des Klimawandels auseinandersetzen und individuell darauf vorbereiten. Denn bereits jetzt gibt es viele effektive Lösungen. Welche das sind und worauf KMU achten sollten, erklärt die Managerin des Netzwerks Klimaanpassung & Unternehmen.NRW, Irene Seemann.

Der Klimawandel mit seinen spürbaren Folgen ist auch in Deutschland angekommen. Die Flutereignisse des Juli 2021 haben in nordrhein-westfälischen Gewerbebetrieben Schäden von über 1,5 Mrd. € verursacht. Besonders betroffen waren hier unter anderem die Stadt Hagen und der Märkische Kreis. Neben den Auswirkungen durch Starkregen mit teils erheblichen Überflutungsfolgen können auch Stürme sowie Hitze- und Dürreperioden wie in den Jahren 2018 und 2020 im unternehmerischen Kontext erhebliche Risiken darstellen. Mindereinnahmen durch hitzebedingte Produktionsausfälle, Reparaturkosten durch Infrastrukturschäden, gesundheitliche Einschränkungen des Personals und Unterbrechungen in der Lieferkette sind Auswirkungen eines sich verändernden Klimas, die nahezu alle Branchen betreffen. Langfristig sind Folgen für Versicherungskosten, Personalfluktuation, Einkauf und Produktion aber auch für die Standortwahl noch nicht abschätzbar.

Fit für den Klimawandel – und die Klimaanpassung!

Trotz dieser nachweisbaren und zukünftig dramatischer werdenden Folgen steht das Wissen um die Klimawandelschäden und die nötigen Anpassungsmaßnahmen und -kosten deutlich weniger im Fokus der Diskussion als die mit der Reduktion von Treibhausgasen verbundenen wirtschaftlichen Implikationen des Klimaschutzes. Es ist daher im betriebswirtschaftlichen Sinne Zeit, die proaktive Anpassung an die Klimarisiken auf Unternehmensebene stärker in den Fokus zu rücken und Strategien und Lösungen zu entwickeln, die auch kleine und mittelständische Betriebe mit ihren Kapazitäten umsetzen können.

Um die KMU-Wirtschaft angemessen für die Klimafolgenanpassung zu sensibilisieren, müssen Unternehmen die individuellen und spezifischen Klimarisiken für ihre Branche, ihre Region und für den eigenen Betrieb erkennen und managen können, um so auch langfristig die eigene Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Eine Umfrage des KFW-Mittelstandspanel 2021 bestätigt, dass das Thema Klimaanpassung Fahrt aufgenommen hat. So wollen drei von zehn mittelständischen Unternehmen verstärkt Maßnahmen zur Klimaanpassung durchführen – nimmt man nur Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten in den Fokus, sind es fast 50 Prozent.1

Das im November 2021 ins Leben gerufene Netzwerk Klimaanpassung & Unternehmen.NRW setzt genau da an: Unternehmen zu unterstützen, sich Klimaanpassungsrisiken bewusst zu werden und geeignete Strategien und Maßnahmen für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu finden.

Lösungen müssen nicht erst erfunden werden – sondern umgesetzt

Effektive Lösungen gibt es bereits viele: die Begrünung von Fassaden und Dächern, die sowohl effektiv gegen Hitze als auch Starkregen wirken, als auch das Höherlegen oder Umsiedeln von Stromaggregaten und Archiven oder auch die Anschaffung von mobilem Hochwasserschutz sind nur einige Beispiele.

Aber Klimaanpassungsmaßnahmen müssen nicht ausschließlich physische Eingriffe in das Gebäude oder Betriebsgelände bedeuten, sondern können auch Änderungen im Lieferantenmanagement, Anpassungen der Betriebszeiten oder Verhaltenshinweise für Personal bei Hitzewellen beinhalten.

Die Lösungen müssen der spezifischen Betroffenheit der Unternehmen, also der Kombination aus Standortfaktoren, betrieblichen Abläufen und bereits bestehendem Schutz angepasst werden. Anfangen sollten Unternehmen also bei einer Risikoanalyse. Dabei können Klimarisikodaten und -karten, die in NRW z. B. über das Fachinformationssystem des Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) NRW digital und gratis zur Verfügung gestellt werden, ein guter Ausgangspunkt sein. Auch können Tools, wie z. B. das Klima-Check Tool für Unternehmen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK, vormals BMWI), eingesetzt werden, um auch mit begrenzter Fachexpertise zu einer ersten Einschätzung des Klimaanpassungsbedarfs zu kommen.

Diese und weitere Tipps sammelt das Netzwerk nach und nach auf seiner Webseite. Neben diesen Informationen bietet das Netzwerk auch nachfrageorientierte Beratung, z. B. per Mail. Zudem werden bald digitale Sprechstunden eingeführt, in denen sich Unternehmen mit ihren Fragen zu Klimarisiken, Anpassungsbedarfen und Lösungen an das Netzwerk wenden können. Primär richten sich diese Beratungsangebote des Netzwerks an Unternehmen aus NRW – das Wissen, was dauerhaft auf der Webseite zusammengetragen wird und die Vernetzung zu Unternehmen der Klimaanpassungswirtschaft sind aber sicherlich auch für Firmen außerhalb von NRW interessant.

Resilienz durch Kompetenz: Das neue Netzwerk Klimaanpassung & Unternehmen.NRW

Das Netzwerk Klimaanpassung & Unternehmen.NRW ist Teil der vom Umweltministerium NRW ausgerufenen 15-Punkte-Offensive zur Klimaanpassung und ist die zentrale Anlaufstelle zu klimaanpassungsbezogenen Fragestellungen in der Privatwirtschaft. Kern der Netzwerkarbeit ist die eng an den Bedarfen der einzelnen Unternehmen ausgerichtete Beratung, sowie die Vernetzung und der Austausch von Wissen zu Klimaanpassung für Unternehmen in NRW. Im Fokus stehen dabei sowohl Unternehmen, die ihre eigenen Klimarisiken besser verstehen und entsprechend präventiv handeln möchten, als auch Unternehmen, die bereits heute Lösungen und Technologien anbieten, um mit den Klimawandelfolgen umzugehen:

  • Unternehmen, die sich den Risiken des Klimawandels stellen und ihre eigene Resilienz erhöhen möchten, bietet das Netzwerk eine große Bandbreite an Informations- und Beratungsmöglichkeiten von der zielgerichteten Bereitstellung von Klimaanpassungs-Selbstchecks bis zur Kommunikation und Vernetzung mit inspirierenden Praxisbeispielen oder Dialogveranstaltungen zu Anpassungsthemen.
  • Den Unternehmen, die bereits Lösungen mit Bezug zu Klimasignalen, wie z. B. Hitze oder Starkregen, anbieten, gibt das Netzwerk einen starken Bezug zur Klimaanpassung, bietet eine Austauschplattform und macht ihre Kompetenzen sichtbar. Auf diese Weise unterstützt das Netzwerk die Marktentwicklung der Branche Klimaanpassungswirtschaft und stellt den Unternehmen Know-How zu Innovations- und Marktpotenzialen bereit. 

Loslegen und mitmachen

Das Netzwerk Klimaanpassung & Unternehmen.NRW freut sich auf Ihre Mitwirkung und innovativen Ideen, wie die nordrhein-westfälische KMU-Landschaft klimaangepasst gestaltet werden kann. Bei Interesse an den Tätigkeiten des Netzwerks finden Sie weitere Informationen unter www.klimaanpassung-unternehmen.nrw oder Sie schreiben eine E-Mail an netzwerk@klimaanpassung-unternehmen.nrw.

 

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