25.04.2022Fachbeitrag

Nachhaltigkeit als Betriebssystem der Zukunft

Beim Thema Nachhaltigkeit geht es darum, Ökologie, Ökonomie und Soziales miteinander zu befrieden.

Die Aus­richtung von Unternehmen auf das Thema Nach­haltig­keit birgt enorme Chancen für neue Geschäfts­felder und Wach­stums­optionen und schafft neue Impulse für Geschäfts­modelle. Nach­haltig­keit ist somit ein Game-Changer, in dessen Sog sich neue Märkte ent­wickeln, ver­änderte Service­an­sprüche entstehen oder sich auch neue Markt­teil­nehmer etablieren können. Was dies für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bedeutet, erklären die DMB-Mitglieder Lars Donath und Florian Wagner in diesem Beitrag.

Wir erleben in unserem Beratungsalltag immer wieder, dass das Thema Nachhaltigkeit synonym für „grün“ und damit für Ökologie gleichgesetzt wird. Dies ist nach unserer Überzeugung falsch, da es eine verkürzte Perspektive widerspiegelt. Nachhaltigkeit ist vielmehr das Betriebssystem der Zukunft. Wie das Bild „Betriebssystem“ schon suggeriert, geht es um die prozessuale Verankerung. Mithin um die Fähigkeit eines Unternehmens, die drei Bausteine Ökologie, Ökonomie und Soziales miteinander zu befrieden. Diese Befriedung ist ein fortlaufender Prozess in Unternehmen, der immer wieder neu verhandelt werden muss. Hierfür die Voraussetzungen zu schaffen, ist unser Verständnis von Nachhaltigkeits-Transformation. 

Dabei repräsentiert kaum ein anderes Thema eindringlicher die ursprünglichen Bezüge der Nachhaltigkeit als die Einsparungen von Materialien, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen oder Energie im Produktionsprozess. Im Spannungsfeld der Nachhaltigkeitsebenen Ökonomie, Ökologie und Soziales ist der effiziente Umgang mit Ressourcen so etwas wie eine Mustervorlage, wie Nachhaltigkeit die drei Aspekte zum Ausgleich bringen kann. Auch die Anwendungs-Skalierung vorhandener Produkte, Technologien und Dienstleistungen kann Wachstum erzeugen und beinhaltet gleichzeitig eine Form der Ressourceneffizienzsteigerung.

Die Gestaltung von nach­­haltig­­en Geschäfts­­feldern und Wachstums­­optionen sind für sich genommen wesen­­tliche Parameter zur wirt­­schaft­­lichen Beurteilung einer Nach­­haltig­­keits­­strategie. Aus der Umsetzung ergeben sich Umsatz­­impulse, Markt­­ausweitungsoptionen, aber auch softe Werte­­treiber wie Good­­will oder Reputation. Die Steigerung der Ressourcen­­effizienz in Verbindung mit Wachstums­­strategien stellen dabei gemeinsam das Fundament für die öko­­nomische Dimension der Nach­­haltig­­keit.

Ressourceneffizienz oder auch die erste Ebene der Nachhaltigkeit: Wie ich grundsätzlich meinen Input in der Produktion verringere

Hinter der Überschrift „Ressourceneffizienz“ verbirgt sich die Strategie der Dematerialisierung; ein Begriff, der u. a. auf die ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn zurückgeht. Es geht dabei schlicht um die Einsparungen von Ressourcen in den wertschöpfenden Produktionsprozessen. Die wesentlichen Ressourcen betreffen dabei die in die Produktion eingehenden Materialien, die benötigten Energien, Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe, das eingehende/abgeleitete Ab-/Wasser sowie Abfälle. Diese Umweltaspekte durch eine effizientere Wirtschafts- und Produktionsweise einzusparen, liegt im Fokus der Betrachtung dieser ersten Nachhaltigkeitsebene.

Die Ressourceneffizienz beleuchtet dabei sowohl die wertschöpfenden Produktionsprozesse als auch die kontinuierliche Verbesserung in den weiteren Produktionsfaktoren der Organisation. Die Ressourceneffizienz führt zu einer Verringerung der Kosten und gehört damit zum basalen Instrumentenkoffer der Betriebswirtschaftslehre. Im Kontext der Nachhaltigkeit machen sich die Maßnahmen als „Gegenbuchung“ auf der Ebene des CO2-Ausstosses und einer Bewahrung von Ressourcen bemerkbar. Die Zunahme von Ressourcen­effizienz hat somit einen unmittelbaren Bezug zum Wert Ihres Unter­nehmens. Durch die ver­bes­serten Kosten­struk­turen und Prozess­ketten sinken Kosten und Risiken mit einem durch­schlagenden Effekt auf das Betriebs­ergebnis, wodurch in der Folge die Resilienz von Unter­nehmen gestärkt wird.

Eine weitere, nächste Stufe dieser Effizienzperspektive liegt in der Kreislaufwirtschaft oder auch der zweiten Ebene der Nachhaltigkeit: Wie ich den Input länger und mehrfach nutzen kann.

Im Grunde ist die Kreislaufwirtschaft eine Art Ressourceneffizienz 2.0. Auch hier geht es um das Ziel, weniger Material und Energie einzusetzen. Im Gegensatz zur Ressourceneffizienz weitet sich die Perspektive der Kreislaufwirtschaft jedoch von der reinen Produktionsstufe kommend auf den Lebenszyklus der Produkte und der dabei verbauten Komponenten aus. Im Gegensatz zur linearen Wirtschaft erweitert die Kreislaufwirtschaft die Vorstellung von Werthaltigkeit von Produkten, Komponenten oder Materialien. Denn der Wert dieser Ressourcen bleibt länger erhalten. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft entkoppelt damit das wirtschaftliche Wachstum von Ressourcenverbräuchen, da die Ressourcen sparsamer eingesetzt, länger genutzt und wiederverwendet werden können. Diese drei Säulen sorgen somit ganz konkret für eine Ressourcenschonung und sind somit in sich ressourceneffizient. Die wohl konsequenteste Ausrichtung ist in einer bionischen Übertragung des natürlichen Kreislaufs auf den sogenannten technischen Kreislauf zu sehen. Danach muss jedes Material beim „end of use“ eines Produktes wieder in denselben Kreislauf überführbar sein.

Die Perspektive von Kreislaufwirtschaftskonzepten reicht weit über die Produktion hinaus bis hin zur Entwicklung und Umsetzung von kreislauffähigen Geschäftsmodellen insgesamt. Auf der betriebswirtschaftlichen Ebene führt die Erhöhung der Wertschöpfung durch eine verlängerte Nutzungsdauer der Produkte zu einer höheren ökonomischen Abschöpfung der Nutzbarmachung. Dies schont die Ressourcen, steigert die Resilienz und verringert wiederum die Kosten trotz der Komplexitätssteigerung in den Produktionsprozessen. Im Kontext der Nachhaltigkeit schlägt sich die „Gegenbuchung“ auch hier auf der Ebene des CO2-Ausstosses und einer Bewahrung von Ressourcen nieder. Was die Kreislaufwirtschaft zunächst nicht im Blick hat, ist die Frage nach der Qualität der eingesetzten Ressourcen. Somit können beispielsweise auch Produkte mit hoch toxischen Rohstoffen kreislauffähig sein.

Materialeffektivität oder die dritte Ebene der Nachhaltigkeit: Wie ich mit einem guten Input langfristige und ökonomisch wertvolle Kreisläufe aufbaue.

Die Perspektive auf die Materialeffektivität ist der Eintritt in ein neues Paradigma des Wertschöpfens. Bei der Ressourceneffizienz und dem konventionellen Verständnis von Kreislaufwirtschaft steht die Frage nach dem „wie etwas getan werden muss“ im Vordergrund. Bei der Materialeffektivität geht es um die Frage „was getan werden muss“, um das Ziel einer Kreislaufwirtschaft in einem bionischen Sinn umsetzen zu können. Was muss getan werden, um einen Kreislauf aufbauen zu können, in dem im besten Fall jedes Material an gleicher Stelle erneut in dem gleichen Kreislauf genutzt werden kann oder das genutzte Material nachwachsend ist und somit für den Kreislauf zur Verfügung steht? Und dies zudem in einer Art und Weise, dass von dem eingesetzten Material keine Gefahr ausgeht! Materialeffektivität setzt somit bereits im Produktdesign nicht nur auf die Funktion oder auf die Ästhetik, sondern eben auch auf die verwendeten Materialien und die Art, wie diese miteinander verbunden sind. Effektives Produktdesign berücksichtigt somit von Beginn an das Lebenszyklusende des Produktes; die verwendeten Materialien müssen am „end of use“ in ihren ursprünglichen Aggregatzustand überführt werden können, um sie so wieder als Rohstoff nutzen zu können.

Die Orientierung an dem Paradigma „Materialeffektivität“ setzt einiges voraus und kann sicherlich als eine Art Endausbaustufe der Nachhaltigkeit betrachtet werden. Im Gegensatz zu den beiden ersten Ebenen schafft es die Materialeffektivität, einen Kreislauf entstehen zu lassen, der Konsum animiert, weil er davon lebt und weil er unbedenklich ist. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft unter den Aspekten der Materialeffektivität gilt somit als Wirtschaftsmodell der Zukunft.

Nachhaltigkeit erfordert schließlich auch eine neue Steuerungs­architektur in Unter­nehmen, bei der es im Kern darum geht, die Themen Ökologie, Ökonomie und Soziales auch operationalisierbar in Einklang zu bringen. Ein solcher Ausgleich ist kein fixier­barer Status, sondern ein an den jeweiligen Begeben­heiten ange­passter Soll-Ist-Abgleich im Sinne eines konti­nuierlichen Verbes­serungs­prozesses. Parti­zipa­tion am Prozess, das immanente Monitoring und die Steuerung des Prozesses sind dabei wesent­liche Aufgaben­dimensionen einer nach­haltigen Prozess­steuerung und -digi­tali­sierung. Mit der Einführung eines digital-interaktiven, betrieb­lichen Nach­haltig­keits­managements eröffnet sich die Chance, sowohl neu einzu­führende als auch vor­handene Manage­ment­system­land­schaften in eine digi­talisierte, inter­aktive Umgebung zu trans­formieren. Partizipation, Agilität und ein offenes Wissens­management in Kombination mit integrierten Qualitäts-, Umwelt-, Energie- und Arbeits­schutz­management­systemen bilden die Grund­lage für ein operationalisierbares, KPI-basiertes Nach­haltig­keits­management (KPI = Leistungskennzahlen). Mit den geeigneten, techno­logischen Instrumenten gelingt somit die Überbrückung der bislang unüberwind­baren Hürde der Zusammen­führung von betrieb­licher Praxis mit der Normen- und Manage­ment­system­welt.

In den skizzierten Ausprägungen und Dimensionen des strategischen und operativen Nachhaltigkeitsmanagements finden sich somit hilfreiche Instrumente und Leitfäden der Umsetzung in Unternehmen, so dass sich für jede Branche, jedes Handlungsfeld und jeden Reifegrad des Unternehmens selbst jeweils Einstiegspunkte für den Start in das nachhaltige Handeln finden und definieren lassen.

Dieser Artikel ist Teil von Mittelstand Wissen zum Thema 'Wachstumsbeschleuniger und -bremsen | Worauf KMU achten sollten'

Mehr zu diesen Themen