21.10.2024FachbeitragDMB+

Nachhaltigkeit – Wieso, Weshalb, Warum?

Nachhaltigkeit betrifft Umwelt, Soziales und eine ethische Unternehmensführung.

Der Begriff Nachhaltigkeit ist heutzutage in aller Munde und gilt als eines jener Megathemen, ohne die kaum eine öffentliche Debatte über die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft mehr auskommt. Dabei dürfte weitgehend Einigkeit darüber herrschen, dass die meisten Menschen mit dem Begriff Nachhaltigkeit etwas Positives verbinden. So eindeutig positiv der Begriff grundsätzlich besetzt ist, so uneindeutig sind die Ansichten, was denn genau mit dem Begriff gemeint ist.

Gleichzeitig erwarten heute nicht nur Kunden und Mitarbeiter von Unternehmen, dass sie nachhaltig handeln und wirtschaften, sondern auch Zulieferer Geschäftspartner, Investoren und Banken. Das Thema Nachhaltigkeit ist also zu einem Wettbewerbsfaktor geworden. Der Deutsche Mittelstands-Bund geht daher in einem Themenschwerpunkt der Frage nach, was sich eigentlich genau hinter dem Konzept der Nachhaltigkeit verbirgt und beleuchtet das Thema aus den unterschiedlichen Perspektiven seiner Fachbereiche Arbeit & Bildung, Energiewende, Finanzierung, Nachfolge sowie Internationalisierung und Digitalisierung.

Was bedeutet Nachhaltigkeit?

Nachhaltiges Handeln bedeutet grundsätzlich, nicht mehr von einer bestimmten Ressource zu verbrauchen, als innerhalb eines gewissen Zeitraums nachwächst. Oder anders formuliert: Personen und Unternehmen, die sich nachhaltig verhalten, leben nicht auf Kosten von morgen. Die Vereinten Nationen (UN) haben die Idee der nachhaltigen Entwicklung bereits 1992 als globales Leitbild für die Weltgemeinschaft im Rahmen des UN-Gipfels für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro festgelegt und im Jahr 2015 dann mit der Agenda 2030 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung formuliert. Ausgehend von diesen Zielen haben die 193 auf dem Gipfel anwesenden Staats- und Regierungschefs ihre Staaten dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2030 allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Doch was heißt das für den Mittelstand?

“Gerade KMU haben aktuell große Chancen, durch Nachhaltigkeit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, da einkaufende Unternehmen immer stärker auf Top Performer setzen. Der Aufbau starker Lieferantenbeziehungen und die Integration von Nachhaltigkeit in die Geschäftsstrategie sind dabei erforderlich, auch um Emissionen effektiv zu senken”, sagt Lara Obst, Co-Founder von DMB-Mitglied The Climate Choice, einer Plattform, die es Unternehmen ermöglicht, die Nachhaltigkeit ihrer Lieferketten zu prüfen.Das Konzept der Nachhaltigkeit ist dabei nicht auf den Aspekt der Ökologie beschränkt, sondern bezieht auch soziale Aspekte und eine ethische Wirtschaftsführung, wie etwa die die Verhinderung von Korruption, mit ein.

Diese drei Aspekte finden sich auch im häufig verwendeten Terminus “Environmental, Social und Governance” (ESG) wieder, der als Indikator dafür genutzt wird, wie nachhaltig ein Produkt oder ein Unternehmen ist.

Unternehmen werden zu Nachhaltigkeit und deren Nachweis verpflichtet

Einige Aspekte der Nachhaltigkeit sind hierzulande bereits durch gesetzliche Vorgaben abgedeckt, zum Beispiel soziale Aspekte über das Arbeitsrecht. Auch die Europäische Union verpflichtet die Wirtschaft über verschiedene Gesetzesverordnungen zu Nachhaltigkeit. Diese sollen sicherstellen, dass europäische Ziele und Vorgaben zum Klima- und Umweltschutz sowie die Bürger- und Menschenrechte und die Arbeitssicherheit in den Wertschöpfungs- und Lieferketten eingehalten werden. Nachweise der eigenen Nachhaltigkeit dienen zudem dazu, Greenwashing zu verhindern.

Um all diese Ziele und Vorgaben zu standardisieren, hat die EU eine Richtlinie geschaffen, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Diese soll es Investoren, Organisationen der Zivilgesellschaft, Kunden und weiteren Stakeholdern erleichtern, anhand bestimmter relevanter Informationen die Nachhaltigkeit eines Unternehmens zu beurteilen. Derzeit sind rund 50.000 Unternehmen in der Europäischen Union von der Berichterstattungspflicht nach der CSRD direkt betroffen.

Ab dem Geschäftsjahr 2026 sind auch börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen, berichtspflichtig nach der CSRD:

  • Mehr als 10 Mitarbeiter
  • Umsatz größer als 900.000 Euro
  • Bilanzsumme größer als 450.000 Euro

Die Bundesregierung hat bereits den Gesetzgebungsprozess gestartet, mit dem sie die EU-Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in deutsches Recht überführen möchte. Viele KMU, die die drei genannten Kriterien nicht erfüllen und somit nicht unter diese Berichtspflicht fallen, sind allerdings durch ihre Geschäftsbeziehungen zu berichtspflichtigen Unternehmen indirekt zum Nachweis ihrer Nachhaltigkeit verpflichtet. Das schafft neue Herausforderungen. „Die größte Herausforderung liegt dabei vor allem in der Erfassung von Daten für unterschiedliche Reportinganforderungen, wofür KMU oft begrenzte Ressourcen haben,“ sagt Lara Obst. „Durch technische Unterstützung, ist eine skalierbare Datenerhebung sowie eine klimafreundliche Beschaffung möglich. So können auch KMU die Transparenzlücke schließen, Regulationen erfüllen und durch gezielte Maßnahmen ihre Lieferkette dekarbonisieren.“ 

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Ein weiteres Gesetz, das Nachhaltigkeit im Bereich Soziales abdeckt, ist das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Dies zielt darauf ab, die allgemeine Menschen- und Arbeitsrechtslage zu verbessern, indem es Anforderungen an ein verantwortungsvolles Management der Lieferketten vorgibt.

Konkret entsteht für Unternehmen eine sogenannte Sorgfaltspflicht, nach der sie die Auswirkungen ihrer geschäftlichen Aktivitäten auf die Menschenrechte mithilfe einer Risikoanalyse ermitteln und darüber berichterstatten müssen. Bei Bedarf müssen sie Gegenmaßnahmen ergreifen und einen effektiven Beschwerdemechanismus einrichten. Weiterhin sollen die Unternehmen sicherstellen, dass Zulieferer Umweltvorgaben befolgen.

Zunächst galt das LkSG ab Januar 2023 für Unternehmen mit 3.000 Beschäftigten und in einem weiteren Schritt gilt es nun seit Januar 2024 für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Da sich diese Sorgfaltspflicht aber nicht nur auf den eigenen Geschäftsbereich und unmittelbare Zulieferer, sondern auch auf mittelbare Zulieferer bezieht, zu denen keine direkte Geschäftsbeziehung besteht, entstehen für Unternehmen Mühen und Herausforderungen, die einen großen Aufwand mit sich bringen. Somit sind auch hier KMU indirekt vom LkSG betroffen.

Hinweisgeberschutzgesetz

Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) hat die Bundesregierung die EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Diese Richtlinie schützt Personen, die Verstöße gegen das EU-Recht in bestimmten Bereichen aufdecken. Unternehmen und Verwaltungen müssen dazu, entsprechende Meldekanäle schaffen. Hinweisgeber können dabei Mitarbeiter, Geschäftspartner, Lieferanten oder andere Stakeholder sein. Sie sollen vor Diskriminierung, Kündigung oder Schadensersatzansprüchen geschützt werden. Das HinSchG gilt für Unternehmen mit 50 Beschäftigten.

Nachhaltigkeit über das gesetzlich vorgegebene Maß hinaus

Für Unternehmen lohnt es sich unterdessen, Nachhaltigkeit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus zu denken. DMB-Mitglied und Business-Coach Caroline Koerber sieht darin gerade in Zeiten eines viele Branchen betreffenden Fachkräftemangels eine besondere Relevanz. „Unterbesetzung schafft Überlastung der Menschen und verhindert Wachstum der Unternehmen. Menschen binden sich langfristig nicht an ein Unternehmen, sondern vor allem an den Sinn, der in ihrem Tun liegt“, sagt Caroline Koerber. „Unternehmen sollten sich deswegen damit befassen, welchen Sinn und welche Werte sie verkörpern.“ Schaffen Firmen dies auf ihre Mitarbeitenden zu übertragen, entstehe eine mächtige Dynamik. „Solche Unternehmen und Führungskräfte ziehen Potenzialträger magnetisch an“, ist Caroline Koerber überzeugt und ergänzt: „Unternehmen, die auf diese Art und Weise Menschen nachhaltig an sich binden, können sich aus dem kostenintensiven Talentkrieg herausnehmen und zielstrebig ihre Wettbewerbsposition ausbauen.“

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