16.03.2021Fachbeitrag

Corporate Private Debt: Mittelstandsfinanzierung via Kreditfonds

Die Kreditvergabe via Kreditfonds wird zumeist unter dem angelsächsischen Begriff „Private Debt“ zusammengefasst.

In den letzten Jahren wuchs die Bedeutung der Mittelstandsfinanzierung über Kreditfonds. Private Debt eignet sich nicht nur für den klassischen Mittelständler, sondern auch für Kleinst- und Kleinunternehmer. Gastautor Philipp Bunnenberg vom Bundesverband alternative Investments e.V. klärt über regulatorische Anforderungen in Deutschland, Zinsvereinbarungen und Laufzeiten der Kredite auf.

In der Regel ist kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die Finanzierung über den öffentlichen Markt für Unternehmensanleihen nicht möglich. KMUs spüren zudem negative Auswirkungen durch die anhaltenden Belastungen der Banken, die sich durch immer strengere Eigenkapitalanforderungen unter dem Basel-Regelwerk aus Teilbereichen des Kreditgeschäfts zurückziehen. Daher wuchs in den letzten Jahren in Deutschland die Bedeutung der alternativen Mittelstandsfinanzierung über Kreditfonds, die Kapital bei Investoren einsammeln und damit Kredite an Unternehmen bereitstellen. Diese Kreditvergabe wird zumeist unter dem angelsächsischen Begriff „Private Debt“ zusammengefasst.

Private Debt ist die Bereitstellung von Krediten durch Nicht-Banken, die ohne Einschaltung des Kapitalmarktes vergeben werden. Finanziert werden dabei Unternehmen oder auch Projekte, wobei die Konditionen bilateral ausgehandelt werden. Die Ausgestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig, von Darlehen und Anleihen über Schuldscheine bis hin zu privaten Verbriefungsemissionen. Die Kreditvergabe durch Nicht-Banken leistet einen wichtigen zusätzlichen Beitrag zur Finanzierung der Realwirtschaft. Zugleich bildet sie eine sinnvolle Erweiterung der mittelbaren Investitionsmöglichkeiten für professionelle Anlegergruppen. Die meisten syndizierten Bankkredite, auch Konsortialkredite genannt, können diese neuen Anlagehorizonte nicht bieten.

In den letzten Jahren ist der Marktanteil der Kreditfonds, je nach Finanzierungsgrund, deutlich gestiegen.

  • Die in den letzten Jahren am stärksten wachsende Kategorie ist die direkte Kreditvergabe an Unternehmen durch Kreditfonds (Direct Lending). Hier werden vor allem Übernahmen (LBOs) oder das operative Wachstum finanziert.
  • An zweiter Stelle folgt die Refinanzierung von bestehenden Krediten.
  • Eine weitere wichtige Kategorie, Distressed Debt, bezeichnet Finanzierungen von Unternehmen mit Liquiditätsproblemen oder während einer Restrukturierung und dadurch mit einer entsprechend schlechteren Bonität.
     

Regulatorische Anforderungen in Deutschland

Einer der Haupttreiber für den Erfolg der letzten Jahre von Private Debt im deutschen Markt war die Regulierung: Private Debt und die Kreditvergabe durch Investmentfonds sind seit 2015 überhaupt erst rechtlich zulässig. Im Mai 2015 hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erstmals detaillierte Vorgaben für die zulässige Kreditvergabe durch Alternative Investmentfonds (AIFs) in Deutschland bekannt gemacht. Neben diesem aktiven regulatorischen Treiber, der Liberalisierung von Nicht-Banken, bilden die immer strengeren Eigenkapitalanforderungen für Banken unter dem Basel-Regelwerk zudem einen passiven regulatorischen Treiber. Banken können sich infolgedessen aus Teilbereichen des Kreditgeschäfts zurückziehen, und so eine Marktlücke für Kreditfonds ermöglichen.

Nach den neuen Bestimmungen aus dem Jahr 2015 ist bestimmten Arten von AIFs die originäre Kreditvergabe möglich, sodass in diesem Rahmen auch eine Auflegung von Kreditfonds in Betracht kommt und Laufzeitverlängerungen sowie Restrukturierungen von erworbenen Darlehen erlaubt sind. Der geschlossene Spezial-AIF (§ 285 Abs. 2 KAGB) ist der einzige Investmentfonds nach deutschem Recht, dem die direkte Vergabe von Unternehmenskrediten (Direct Lending) erlaubt ist. Insgesamt sind die organisatorischen Vorgaben und Anforderungen denen einer kreditgebenden Bank ebenbürtig, nur dass Kreditfonds Kredite nicht an Verbraucher vergeben dürfen.

Eine besondere Form der originären Darlehensvergabe (§ 285 Abs. 2) besteht in der Ausreichung von Darlehen an Tochtergesellschaften. Für geschlossene Spezial-AIF ist die Vergabe von Gesellschafterdarlehen in gewisser Weise privilegiert, um praktischen Bedürfnissen (insbesondere in den Bereichen Private Equity und Venture Capital) Rechnung zu tragen. Es handelt sich um eine für die Beteiligungskapitalbranche essenzielle Ausnahme.

Rund drei Viertel aller in Deutschland aktiven Unternehmenskreditfonds haben ihren Sitz in Luxemburg. Die Gründe für die Wahl eines ausländischen Standortes sind in erster Linie die besseren regulatorischen Rahmenbedingungen und steuerlichen Vorgaben für den Kreditfonds im Vergleich zu Deutschland. Obwohl nur wenige Kreditfonds ihren Sitz in Deutschland haben, werden dennoch gut zwei Drittel der Kreditverträge in deutscher Sprache ausgestaltet. Das Domizil des Kreditfonds spielt für die Vertrags- und Rechtsgrundlage des Kreditvertrages mit dem Unternehmen eine untergeordnete Rolle. Kreditfonds stellen sich individuell auf die Bedürfnisse der Kreditnehmer ein. Die Mehrheit der Kreditverträge unterliegt bei eventuellen Disputen der deutschen Rechtsprechung.

 

Unternehmens- und Kreditstrukturen

  • Private Debt für klassische Mittelständler
    Kreditfonds bevorzugen in erster Linie am Markt etablierte Unternehmen, die auch für einen klassischen Bankkredit infrage kommen würden. Rund vier von fünf finanzierten Unternehmen sind älter als zehn Jahre. Finanziert wird typischerweise die GmbH mit einem Umsatz von 25 Mio. bis 75 Mio. Euro. Vorherige Finanzierungsquellen dieser Unternehmen waren vor allem die Innenfinanzierung oder die Finanzierung über die Hausbank.
    Das EBITDA, also das Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und auf immaterielle Vermögensgegenstände, der Kreditnehmer liegt in der Regel zwischen 5 Mio. und 25 Mio. Euro. Ferner sind daneben Finanzierungen in der EBITDA-Bandbreite von 25 Mio. bis 75 Mio. nicht unüblich, sodass rund 80 % aller Kreditnehmer, die sich über Kreditfonds finanzieren, innerhalb einer EBITDA-Bandbreite von 5 Mio. bis 75 Mio. Euro liegen und damit im Bereich des klassischen deutschen Mittelstands.
  • Private Debt für Kleinst- und Kleinunternehmen
    Finanzierungen über Kreditfonds sind auch bei EBITDA-Größen unter 5 Mio. Euro möglich. Hierbei wird die Nachfrage nach kleinen Kredithöhen zwischen 2,5 Mio. und 5 Mio. Euro bedient. Allerdings verbleibt die Fremdfinanzierung von Kleinst- und Kleinunternehmen in der Regel noch immer in den Händen der Banken – in erster Linie in den Büchern der öffentlich-rechtlichen Sparkassen und der Genossenschaftsbanken. Selten werden zudem Unternehmen, die über 75 Mio. Euro EBITDA erwirtschaften, finanziert.

Die eigentliche Domäne der Kreditfonds stellt das Kreditvolumen zwischen 5 Mio. Euro und 100 Mio. Euro dar. Die Größenordnung der durch einen Kreditfonds vergebenen Kredite schwankt je nach Finanzierungsbedarf der einzelnen Unternehmen und steht überdies im Zusammenhang mit dem Volumen des jeweiligen Kreditfonds:

  • Die Kreditbeträge kleinerer Kreditfonds (< 250 Mio. Euro) liegen in einer Bandbreite zwischen 2,5 Mio. Euro und 15 Mio. Euro, in einigen Fällen auch bis zu 20 Mio. Euro.
  • Bei größeren Kreditfonds (bis 3 Mrd. Euro Volumen) liegt die Bandbreite der Unternehmenskredithöhen zwischen 20 Mio. Euro und 100 Mio. Euro.
  • Bei den Kreditfonds jenseits von 3 Mrd. Euro Fondsvolumen werden Kredite in der Regel erst ab einer Höhe von 100 Mio. Euro vergeben.

Die Effektivverzinsung liegt überwiegend (bei drei von vier Kreditnehmern) im Bereich von 7 % bis 12 %. Die Fonds können durch eine schnellere Bearbeitung des Kreditantrages und bei großen Kreditvolumina durch die Finanzierung aus nur einer Hand gegenüber syndizierten Bankkrediten punkten. Dafür sind die Unternehmen bereit, höhere Zinssätze zu zahlen.

 

Zinsvereinbarungen und Laufzeiten der Kredite

Die meisten Zinsvereinbarungen basieren auf einem Basiszinssatz (in Europa zumeist EURIBOR oder LIBOR) plus einer zusätzlichen Marge, die das eigentliche Risiko des zugrundliegenden Kredites bepreist. Diese Marge kann während der gesamten Laufzeit fix oder über ein Margengitter variabel ausgestaltet sein. Dann schwankt die Marge der Zinszahlung mit der Verschuldung des Unternehmens. Alternativ können Kreditfonds die Höhe der Zinszahlung allein an der Ausgestaltung der einzelnen Tranchen (Senior, Junior etc.) festmachen und damit am reinen Kreditrisiko zu Beginn der Finanzierung.

Die vertraglich festgelegten Laufzeiten der Kredite liegen mehrheitlich zwischen fünf und sieben Jahren mit laufender, regelmäßiger Zinszahlung und sind endfälliger Natur. Die Kredite werden mit mehreren Gläubigerschutzklauseln (Covenants) ausgestattet, wobei der Verschuldungsgrad die häufigste Begrenzung darstellt, gefolgt von einem Gewinnausschüttungsverbot, einem Zinsdeckungsgrad, einem Kapitaldeckungsgrad und/oder einer Investitionsgrenze. Die besondere Flexibilität der Kreditfonds zeigt sich in Kreditvarianten mit individueller Tilgung. Die Kredite können oftmals vorzeitig, in der Regel gegen Gebühr, zurückgezahlt werden.

 

 

Kreditfondsmanager bestätigen, dass die vertragsgemäßen Laufzeiten selten erfüllt werden, sodass bei vielen Kreditfonds die durchschnittliche Laufzeit der Engagements bei lediglich drei Jahren liegt. Hierbei können die meisten Kreditnehmer nach drei Jahren ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung kündigen. Kredite können bei Restrukturierungen, Sondersituationen oder Sekundärmarkttransaktionen durchaus auch von vornherein kürzere Laufzeiten von ein bis drei Jahren aufweisen.

 

Nach der Einführung ins Thema „Private Debt“ werden im nächsten Teil konkrete Finanzierungsgründe und unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen erläutert.

Der Bundesverband Alternative Investments e.V. (BAI) ist die zentrale assetklassen- und produktübergreifende Interessenvertretung für Alternative Investments (AI) in Deutschland. Der BAI setzt sich dafür ein, dass institutionelle Investoren in Deutschland international wettbewerbsfähige und attraktive Rahmenbedingungen vorfinden, um ihre Kapitalanlage einfacher und besser in alternative Anlageklassen diversifizieren zu können. Dabei agiert der BAI als Katalysator zwischen professionellen deutschen Investoren und anerkannten Private-Debt-Produktanbietern sowie -nachfragern, vertreten die Interessen der Stakeholder gegenüber Politik und Regulatoren und begleiten den Entwicklungsprozess mit Marktstudien. Weiterführende Informationen zu Private Debt im Allgemeinen und zur Mittelstandsfinanzierung über Kreditfonds im Besondern sind auf der Homepage des BAI und in der BAI-Studie zur Unternehmenskreditfinanzierung durch Nicht-Banken in Deutschland zu finden.

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