Europäische Fördermittel: Chancen für den deutschen Mittelstand?

Ein Überblick über relevante Förderprogramme der europäischen Kommission für mittelständische Unternehmen.
In einer Zeit, in der globaler Wettbewerb stetig wächst und technologische Neuerungen mit nie dagewesener Geschwindigkeit voranschreiten, stehen Führungskräfte und Finanzverantwortliche im deutschen Mittelstand vor der Aufgabe, ihre Unternehmen nicht nur wettbewerbsfähig zu halten, sondern sie auch für die Zukunft stark zu machen. Eine wesentliche Säule der Unterstützung bilden dabei die vielseitigen öffentlichen Fördermittelprogramme. Dieser zugegebenermaßen Ozean an Programmen auf internationaler Ebene, stand noch nie in einem solchen Fokus wie heute.
Die Europäische Kommission (EK) hält eine breite Palette an Förderprogrammen bereit, welche gerade auch spezifisch auf die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zugeschnitten sind. Zusätzlich eröffnen sich Möglichkeiten zur Teilnahme an themenspezifischen Förderaufrufen. Doch wie findet man sich in diesem Ozean an Möglichkeiten zurecht, um die exakt passenden Perlen (Förderungen) zu entdecken, die das eigene Unternehmen voranbringen?
Dieser Artikel beabsichtigt, einen ersten Überblick zu bieten und eine Verbindung zwischen den ambitionierten Zielen mittelständischer Unternehmen und den europäischen Förderchancen herzustellen. Hierbei wird bewusst auf eine vollständige Darstellung verzichtet. Er stellt den Auftakt zu einer Serie an Informationen dar welche aufeinander aufbauen. Ziel ist es, erste Einblicke zu geben und Transparenz zu schaffen, wichtige Informationsquellen und praktische Bezüge aufzuzeigen und KMUs zu ermutigen, sich mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen, die diese Programme bieten.
Schwerpunkte:
- Überblick über relevante Förderprogramme der europäischen Kommission für den Mittelstand
- Praxisbezogene Fragestellungen zu Förderaufrufen/-programmen der europäischen Kommission
- Potenziale in Forschung & Innovation: Beispiele für die Einbringungsmöglichkeiten von KMUs in Forschungs- und Innovationsprojekte
- Ganzheitliche Betrachtung der Vorteile u. Mehrwerte bei Teilnahme an europäischen Förderprojekten
- Handlungsempfehlungen: Konkrete Schritte für Unternehmen, die sich erstmals mit dem Thema Fördermittel auseinandersetzen wollen.
- Wichtige Web-Links
Relevante Förderinitiativen der Europäischen Kommission für den deutschen Mittelstand
Die Europäische Union verpflichtet sich dem Ziel einer nachhaltigen Zukunft und stellt umfangreiche Fördermittel zur Verfügung, um dieses Ziel zu erreichen. Ein Paradebeispiel hierfür ist das Horizon Europe-Programm, das eine weitreichende, multidisziplinäre Programmlandschaft umfasst. Die Bandbreite der Förderprogramme erstreckt sich von der Grundlagenforschung über die Entwicklung neuer Technologien bis hin zu marktfähigen Anwendungen und fördert die europaweite Kooperation zwischen Forschungseinrichtungen und innovationsfreudigen Unternehmen, insbesondere KMUs.
Es wird ein Spektrum an Möglichkeiten an die teilnehmenden Unternehmen offeriert, das weit über finanzielle Unterstützung hinausgeht – es geht um Vernetzung, Innovation und nachhaltiges Wachstum.
Die Vielzahl von Förderprogrammen wird aus dem mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 und NextGenerationEU finanziert. Diese Programme sind nach Rubriken und sogenannten Clustern organisiert, um den vielfältigen Bedürfnissen der unterschiedlichsten Teilnehmer in der EU gerecht zu werden. An dieser Stelle beschränken wir uns auf die Nennung einiger ausgesuchter Programme, da der vormals erwähnte Ozean sowohl tief, breit und ebenfalls vielschichtig ist.
Ausgewählte Programme im Überblick:
- Horizon Europe: Fördert Forschung und Innovation mit dem Ziel, wissenschaftliche, technologische, wirtschaftliche, umweltbezogene und gesellschaftliche Herausforderungen zu adressieren. Innerhalb des Horizon Europe-Programms findet sich u.a. auch das EIC Accelerator Programm als Teilaspekt, welches KMUs adressiert. Dieses bietet Unterstützung über das gesamte Innovationsspektrum – von der Forschungsfrühphase bis zum Markthochlauf. Es zielt darauf ab, bahnbrechende Technologien und Innovationen von Start-ups und KMUs zu identifizieren und zu fördern, die das Potenzial haben, international führend zu werden.
- InvestEU: Bietet langfristige EU-Finanzierung, die private Investitionen anlockt und die Erholung sowie ein grünes, digitales und resilienteres Europa fördert.
- Connecting Europe Facility: Fördert Schlüsselinfrastrukturen in den Bereichen Energie, Verkehr und digitale Netze in Europa.
- Digital Europe Programme: Das erste EU-Programm, das explizit auf die Beschleunigung der digitalen Transformation Europas ausgerichtet ist.
- Single Market Programme: Unterstützt die Stärkung und den Schutz der Verbraucher, gewährleistet die Lebensmittelsicherheit und hilft KMUs, im Binnenmarkt erfolgreich zu sein.
Zusammenfassend bietet dieser Ausschnitt aus dem Ozean der Fördermöglichkeiten vielfältige Ansatzpunkte rund um Forschung und Innovation. Aber wie sehen die konkreten Fragestellungen der KMUs aus, wenn sie sich mit diesem Thema auseinandersetzen?
Praxisbezogene Fragestellungen zu Förderaufrufen/-programmen der europäischen Kommission
Im Fokus der täglichen Arbeit mit unseren Mandanten werden wir, das Beratungsunternehmen Beceptum International, mit vielfältigen Fragestellungen von Fachbereichen und Geschäftsführungen rund um das Thema Fördermittel sowie zu Wachstum und Nachhaltigkeit konfrontiert. Einige Beispiele:
- „Ist es erforderlich, dass wir „alleine“ eine Forschungsstudie verfassen? Das liegt außerhalb unserer Expertise.“
- „Sind meine aktuellen Kompetenzen und Technologien innovativ genug, um förderungswürdig zu sein?“
- „Unser Fokus liegt „nur“ auf der Anwendung neuer Technologien, nicht auf Forschung – welchen Beitrag können wir dann leisten?“
- „Wir streben eine Projektförderung an, doch gibt es darüber hinaus weitere Vorteile aus der Teilnahme an Förderprogrammen?“
- „Innovationsbezogene Themen sind uns nicht fremd, die spezifische Fragestellung des Förderaufrufes können wir aus heutiger Sicht nicht (alleine) beantworten. Wie finde ich Partner, welche mit uns interagieren?
- „Angesichts begrenzter Ressourcen, wie ist eine Teilnahme für uns überhaupt möglich?“
Diese Fragenstellungen sind durchaus verständlich und werden in den folgenden Kapiteln näher beleuchtet.
Potenziale in Forschung & Innovation
Förderaufrufe der Europäischen Kommission (EK) im Bereich Forschung und Innovation werden überwiegend an Konsortien vergeben, bestehend aus Forschungsinstituten, Universitäten, Industrieunternehmen und KMU aus ganz Europa und assoziierten Staaten – eine kooperative Anstrengung. Diese werden als Ausschreibungen auf dem Funding & Tender Portal veröffentlicht und von der EK nach eingehender Prüfung der Anträge vergeben. Jeder Konsortialpartner innerhalb eines Konsortiums bringt seine spezifische Expertise ein.
Für KMU ergibt sich die Chance, eigene Innovationsentwicklungen /-innitiativen einzubringen, weiterzuentwickeln und die damit verbundenen Ausgaben von der EU refinanziert zu bekommen.
Zusätzlich eröffnen sich für KMU innerhalb dieser Konsortien weitere Möglichkeiten, beispielsweise in der Außenkommunikation oder bei der Verwertung potenzieller Innovationen:
- Kommunikativ versierte Unternehmen können ihre Stärken einbringen, indem sie die Verantwortung für die Außenkommunikation übernehmen.
- Praxisorientierte Unternehmen können durch die Ver-/Erprobung neuer Spitzentechnologien einen wesentlichen Beitrag zur Verwertbarkeit der Innovation leisten und darüber hinaus diese als Basis nutzen, um eigene Geschäftsmodelle zu entwickeln.
In beiden Fällen handelt es sich um einen wesentlichen Teilaspekt eines Förderaufrufes und somit um einen signifikanten Mehrwert für ein Konsortium und erhöht die Chancen auf die Bewilligung von Fördermitteln durch die EK.
Die Refinanzierungsquote kann je nach Aufruf bis zu 70% oder sogar 100% der Aufwendungen von KMU über die i.d. R. mehrjährige Projektlaufzeit betragen.
Ganzheitliche Betrachtung der Vorteile und Mehrwerte bei Teilnahme an europäischen Förderprojekten
Neben den offensichtlichen finanziellen Vorteilen, wie verbesserten Bedingungen bei der Fremdfinanzierung, Kosteneinsparungen durch anteilige Erstattung von Ausgaben und Risikoabsicherung bei Projekten, existieren weitere grundlegende Vorteile, welche oft übersehen werden. Die vollumfängliche Nutzung dieser Vorteile kann entscheidend für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sein.
KMUs sehen sich mit Herausforderungen konfrontiert wie etwa Finanzierungsbedarf, Fachkräftemangel und internationaler Wettbewerb. Öffentliche Fördermittel der EK bieten nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch Zugang zu branchenübergreifender Innovation und ermöglicht die frühzeitige Identifizierung von Trends u. Entwicklung bei Normen und Standards. Sie sind also ein Katalysator für Teilhabe und Impact in einem Fördermittel-Ökosystem, das branchenübergreifende Innovationen fördert.
Durch diese Programme können KMU Innovationsimpulse durch Kooperationen mit neuen Partnern generieren und strategische Marktentwicklungen frühzeitig erkennen. Die Teilnahme fördert zudem die positive Wahrnehmung des Unternehmensimage durch indirekte Werbung in Presse und Fachpublikationen, was das Markenbild stärkt und Talente magnetisch anzieht bzw. bindet und so dem ansteigenden Fachkräftemangel entgegenwirkt.
Ein weiter, oft übersehener Aspekt ist, dass die Positionierung in einem Fördermittel-Ökosystem auch die Grundlage für die Erschließung eines neuen Vertriebskanals im Innovationsumfeld darstellt. Dieser ermöglicht KMU den Zugang zu Konzernen, Forschungs- und Innovationsinstituten sowie lokalen und regionalen Behörden und erweitert ihre Reichweite.
Öffentliche Fördermittel sind somit nicht nur eine finanzielle Unterstützung, sondern auch ein strategisches Werkzeug, das KMU hilft, wirtschaftliche und sozioökonomische Herausforderungen zu bewältigen und zukunftsfähig zu sein.
Handlungsempfehlungen für KMU
Um die Potenziale voll auszuschöpfen, ist ein strukturierter Ansatz erforderlich. Für interessierte KMU bedeutet dies im ersten Schritt, Transparenz zu schaffen für eine fundierte Entscheidungsfindung bezüglich der Eignung von Fördermitteln und der Erreichbarkeit der wesentlichen Mehrwerte:
- Analyse der Fördermittelanwendbarkeit und des internen Projektportfolios zur Identifizierung von Einbringungspotenzialen.
- Scouting relevanter Förderprogramme und Abgleich mit dem Einbringungspotenzial des Unternehmens.
- Entwicklung und Implementierung einer auf das Unternehmen zugeschnittenen Strategie zur Positionierung in der EU-Förderlandschaft.
- Beständiges Engagement aufgrund der mittelfristigen Zeithorizonte in Anbahnung und Durchführung von Förderprojekten (Projekt bzw. Refinanzierungslaufzeit zwischen zwei und drei Jahren.
Unterstützung bieten hierbei nationale Kontaktstellen (NKS) der Europäischen Kommission in Deutschland, Beratungsunternehmen und der DMB selbst mit Ansprechpartnern, Informationen sowie zukünftig einem Seminarprogramm rund um das Thema.
Wichtige Links:
Fördermöglichkeiten innerhalb der EK
Accelerator-Programm des European Innovation Council (EIC)
NKS Homepage für EU-Programm Horizon Europe Programm
NKS-Kontaktadressen für das EU-Horizon Europe Programm
Dieser Beitrag ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Wie wettbewerbsfähig ist der MIttelstand?"