01.08.2022Fachbeitrag

Innovationsförderung: Es fährt ein Zug nach Nirgendwo

 

In einem Gastbeitrag beschreibt die Fördermittelexpertin Katja Theunissen die aktuell schwierige Lage bei der Förderung von Innovationsprojekten in Deutschland. Für zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik müssen beispielsweise dringend neue Mittel für das beliebte Innovationsprogramm ZIM von der Bundesregierung bereitgestellt werden.

Der Mittelstand schafft nicht nur einen Großteil der Arbeitsplätze in unserem Land, er ist auch ein Treiber von Innovationen, Wachstum und Wohlstand. Seit langem ist empirisch erwiesen, dass kleine und mittelständische Betriebe, vor allem die jungen Unternehmen vom Startup bis zu einem Alter von 10 Jahren, nicht nur am innovativsten arbeiten, sondern durch ihre Innovationen auch überproportional viel Umsatz und Beschäftigung entstehen. Gleichzeitig sind Innovationen gerade für diese kleinen – und jungen Unternehmen besonders schwierig zu finanzieren und stellen eine große Herausforderung dar. Dies ist letztlich der Grund, warum kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in der Wirtschaftspolitik als besonders förderungswürdig gelten und zahlreiche Förderprogramme entweder ausschließlich für KMU oder mit einem formulierten Vorrang für Projekte von KMU gestaltet werden. Dies ist in zahlreichen Richtlinien nachzulesen.

 

Viele Probleme bei der Innovationsförderung

Seit Beginn der Pandemie ist es jedoch für Unternehmen immer schwieriger geworden, für ihre Projekte halbwegs zuverlässige Quellen für Fördermittel zu finden. Neben Corona haben auch der Regierungswechsel in Berlin, die Flutkatastrophe des letzten Sommers (2021) sowie die Ukraine-Krise ab diesem Februar (2022) und nachfolgende Energiekrise die öffentlichen Kassen stark belastet bzw. zu geringen oder vollständig gestrichenen Budgets für Fördermittel geführt. Experten sehen darüber hinaus eine nie dagewesene Unzuverlässigkeit des verfügbaren Instrumentariums. Stichtage werden ausgesetzt, auf lange Bank verschoben und die Bearbeitungszeiten steigen bis ins Paradoxe. Eines der neueren Beispiele: Im Zukunftsprogramm Bau - dem einzigen Forschungsförderungsprogramm des Bundesbauministeriums – erhielten Einreicher der Projektskizzen, die per 1. Juni fällig waren, umgehend eine Eingangsbestätigung mit der Zusage, dass „voraussichtlich im 1. Quartal 2023“ über die Skizzen entschieden werde. Und damit ist erst die erste Stufe des Verfahrens genommen.

Wird wohl das, was diesen Sommer noch als innovativ galt, im 2. Quartal 2023 noch innovativ und forschungswürdig sein?

Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind solche eher langwierigen Abläufe gewohnt – ein typischer Mittelständler wird normalerweise nicht ein Jahr warten wollen, bis er weiß, ob seine Innovationsanstrengungen eine Förderung erhalten können und er mit dem Projekt – gefördert – beginnen darf.

 

Innovationsstandort Deutschland in Gefahr

Bedeutsamer und möglicherweise wirklich desaströs für den Innovationsstandort Deutschland ist die seit dem Oktober letzten Jahres geltende Aussetzung des „ZIM“ – dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand. Dieses ist seit vielen Jahren die zuverlässigste, gut handhabbare und technologie-/branchenoffene Förderung von Technologieprojekten als Einzel- oder Verbundvorhaben von kleinen und mittleren Unternehmen, die im Rahmen des Programmes auch mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen kooperieren dürfen, aber nicht müssen.

Der Erfolg dieses Programmes wurde in mehreren Evaluationen bestätigt. Im Vergleich zu vielen anderen Programmen ist evident, dass dieses Programm besonders gut zugänglich für Unternehmen ist, die in kleinem Maßstab und erstmals FuE-Anstrengungen betreiben. Praktiker berichten von durchschnittlich 6-12 Wochen Bearbeitungszeit bis zur Förderentscheidung. In diesem Programm wurden über die letzten Jahre jährlich einige Tausend Projekte finanziert. Projekte, die Produkt- und Verfahrensentwicklungen bis zum Prototypen-Stadium fördern und deswegen relativ nah an der Marktreife liegen. Gleichwohl ist ein technisches Risiko immer Fördervoraussetzung. Pro Antrag wurden um die 150 TEUR Zuschuss möglich. Dieses Programm ist jetzt seit 9 Monaten nicht mehr zugänglich und wann es genau weitergeht, bleibt zum Redaktionsschluss unklar.

 

Alternativen auf Landesebene höchst unterschiedlich

In dieser Situation werden entweder die Projekte verschoben, sofern möglich aus Eigenmitteln oder Darlehen finanziert, oder man begibt sich auf eine teils zeitraubende und oft wenig erfolgreiche Suche nach Alternativen in thematisch eingegrenzten Ausschreibungen oder Förderprogrammen auf Landesebene. Hier sieht die Situation aber je Bundesland höchst unterschiedlich aus. Während Niedersachsen sein Programm für „niedrigschwellige Innovationen für KMU und Handwerk“ (bis zu 100 TEUR Zuschüsse) gerade neu aufgelegt hat, und auch Länder wie Thüringen, Sachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen und andere gut funktionierende Innovationsrichtlinien haben, stehen in manchen Ländern wie Nordrhein-Westfalen, Saarland, uvm. gar keine echt praktikablen Fördermöglichkeiten zur Verfügung. Wo es Innovationsprogramme gibt, sind die Anforderungen häufig recht unterschiedlich. Einige Bundesländer schränken ihr Förderspektrum auch auf definierte Zukunftstechnologien ein.

Das größte Problem ist jedoch die Unübersichtlichkeit. Je nach Zählweise gibt es zwischen 4.000 und 6.000 verschiedene Förderprogramme. Selbst Fachleute kostet es viel Zeit, im Dschungel der Angebote den Durchblick zu behalten. Die Förderdatenbank des Bundes (www.foerderdatenbank.de), in der alle aktuellen Programme aufgelistet sein sollten, ist derart unübersichtlich, dass sie für Unternehmen praktisch nicht nutzbar ist. Zudem gibt es viele Programme nur „theoretisch“: Die Richtlinie gilt, ist öffentlich, aber wegen Mittelknappheit oder Bearbeitungsfristen in der Praxis irrelevant.

 

Update der Redaktion: Am 03.08.2022 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die unmittelbare Öffnung des Programms "Zentrale Innvationsprogramm Mittelstand" (ZIM) mit eingeschränkten Förderbedingungen bekanntgegeben. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

 

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