07.08.2013Fachbeitrag

Rechtskommentar:
Die Risiken der Selbstanzeige – neue Lehren aus dem Fall Hoeneß

Rechtskommentar:

Die Hintergründe der gescheiterten Selbstanzeige von Uli Hoeneß konkretisieren sich immer mehr. Den bekannt gewordenen Detailinformationen zufolge lassen sich verschiedene Schlussfolgerungen ziehen, die für bislang noch Unentschlossene vor Abgabe einer Selbstanzeige u.U. sehr hilfreich sein können.

Nach den neuesten Informationen soll der noch amtierende FC-Bayern-Präsident mehr als 33.000 Kontobewegungen auf seinem Schweizer Konto unternommen haben, bevor es zur ominösen Selbstanzeige Anfang 2013 kam. Teilweise wird hieraus geschlossen, dass es dem reumütigen ehemaligen Fußball-Nationalspieler daher nicht möglich gewesen sei, eine lückenlose Dokumentation seiner Kontobewegungen an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Inwieweit kam es hierauf überhaupt an?

Analysiert man die jetzt kolportierten Informationen, lassen sich hieraus eine ganze Reihe weiterer Punkte ableiten, die nicht nur das Scheitern der Selbstanzeige in diesem Fall plausibel erscheinen lassen, sondern vor allem Hinweise darauf geben, wie man als Betroffener solche Fehler vermeiden kann:

Variante 1:
Soweit unvollständige Unterlagen vom Mandanten an den Steuerberater mit der Ansage weitergegeben wurden, die überreichten Belege und Aufstellungen beinhalteten sämtliche erforderlichen Vorgänge, ist es möglich, dass der Berater sich auf diese Auskunft verlassen und nur die aus den Unterlagen errechenbaren hinterzogenen Steuern gegenüber dem Finanzamt erklärt hat. Tat er dies mit der Angabe, es handele sich um eine „vollständige Selbstanzeige“, zeichnen sich die daraus resultierenden Konsequenzen zwangsläufig ab. In diesem Fall ist klar, dass später beim Berater eingetroffene Belege und sodann nacherklärte Steuerbeträge die Selbstanzeige unwirksam machen müssen. Dies kann beispielsweise durch den banalen Fall eintreten, dass zunächst vom Mandanten nur die Rede von einem einzigen Konto ist, während es sich tatsächlich um zwei Konten handelt. Da das zweite Konto aber bereits seit Jahren „stillgelegt“, auf eine andere Person übertragen oder aus sonstigen Gründen vom Steuersünder nicht mehr genutzt wurde, wird es bei der Vorbereitung der Selbstanzeige schlicht vergessen.

Variante 2:
Soweit die beim Berater angekommenen Unterlagen zwar ersichtlich nicht vollständig waren und die dann abgegebene Selbstanzeige auch als vorläufige („gestufte“) Selbstanzeige kenntlich gemacht wurde, kann die Unwirksamkeit aus einem anderen Umstand resultieren. Hat der Berater den in solchen Fällen üblichen Sicherheitszuschlag bei den nur überschlägig geschätzten hinterzogenen Steuerbeträgen zu niedrig angesetzt, kann das Finanzamt bei Prüfung der Selbstanzeige zu dem Schluss gekommen sein, dass der tatsächlich hinterzogene Betrag höher gewesen sein muss, als der im Rahmen der Selbstanzeige angegebene. Hierfür kann im Extremfall ausreichend sein, dass bezogen auf einen einzigen Veranlagungszeitraum (=Kalenderjahr) durch eine einzige zusätzlich bekannt gewordene Transaktion – die sich in der Selbstanzeige nicht auffinden lässt – ein erheblicher zusätzlich zu versteuernder Gewinn nachträglich dem Finanzamt bekannt wird.

Ein solcher „Fehlgriff“ kann sich gerade bei Börsenspekulationen, die in großem finanziellem Rahmen stattfinden, schnell ereignen.


Außerdem erhöht sich ein solches Risiko mit der Zahl der insgesamt zu dokumentierenden und zu prüfenden steuerrelevanten Vorgänge.

Schon aus diesen beiden Varianten lassen sich daher folgende Schlüsse ziehen:

1. Steuerpflichtige wie Berater sollten aus Vorsichtsgründen stets davon ausgehen, dass die dem Steuerpflichtigen im ersten Anlauf erinnerlichen bislang verschwiegenen Einnahmequellen nicht vollständig sind.

2. Der Umgang mit den ausländischen Banken zeigt teilweise sehr große Qualitätsunterschiede bei der Lieferung der erforderlichen Unterlagen. Solche die Zeiträume von mehr als 10 Jahren in der Vergangenheit betreffen sind – wenn im Einzelfall erforderlich – ohnehin kaum mehr zu erlangen.

3. Je nach Ausgestaltung der gelieferten Übersichten und Zusammenfassungen wird bei umfangreichen Transaktionen schnell klar, dass eine unter Zeitdruck anzufertigende Selbstanzeige im Regelfall nur eine gestufte – also vorläufige – Selbstanzeige sein kann.

4. In diesem Fall ist darauf zu achten, dass der Sicherheitszuschlag nicht zu niedrig angesetzt wird, um die Selbstanzeige nicht als unwirksam zu qualifizieren.

5. Andererseits muss ebenso bedacht werden, dass eine zu hohe Schätzung nur dann strafbefreiend wirkt, wenn die darauf basierende Steuernachzahlung auch zeitnah vom Steuerpflichtigen vollständig geleistet werden kann und wird. Im anderen Fall wird die Unwirksamkeit durch die ausbleibende vollständige Zahlung ausgelöst.

Fazit:
Mit der Erfüllung des Erfordernisses der Detailtreue steht und fällt der Wert – aber auch das Risiko – einer Selbstanzeige. Betroffene und Berater tun gut daran, sich einerseits nicht ungeprüft auf die von Mandanten- oder dritter Seite einmal gelieferten Unterlagen zu verlassen, sondern die eigene Erinnerung an bereits u.U. lange zurück liegende Ereignisse, Erfahrungen und Vorsichtsüberlegungen immer wieder zu bemühen. Nur so können die derzeit noch bestehenden Möglichkeiten einer strafbefreienden Selbstanzeige sinnvoll genutzt werden. Dies umso mehr, als gegenwärtig die Finanzverwaltung durch die Flut von Selbstanzeigen mit einer genauen Prüfung der einzelnen Fälle aus Kapazitätsgründen ohnehin überfordert sein dürfte.

Diese Chance gilt es bei aller gebotenen Vorsicht zu ergreifen, bevor es für einen solchen Befreiungsschlag bald schon zu spät sein dürfte.

Autor: Dr. Joerg Andres ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater (www.andresrecht.de) in Düsseldorf und Beirat der Advocatax Steuerberatungsgesellschaft mbH, Düsseldorf. Er ist spezialisiert auf die Bereiche Erbrecht, Steuerverfahrens- und Gesellschaftsrecht. Zudem ist er langjähriger Dozent und Autor u.a. für Steuerstraf- und –verfahrens-, sowie Erbschaftsteuerrecht. Sein neuestes Werk, der ultrakompakte Erbenratgeber, erscheint im September 2013. Dr. Andres ist zugleich als Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Standort Düsseldorf, tätig und leitet das dortige Kuratorium.

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