22.08.2016Fachbeitrag

Rechtskommentar: Entgeltfortzahlung bei Einheit des Verhinderungsfalls

Rechtskommentar:

 

In einem Urteil vom 25. Mai 2016 – 5 AZR 318/15 – bestätigt das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit für den Fall der sog. Einheit des Verhinderungsfalls. Wegen der Praxisrelevanz sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber wird nachfolgend kurz dargestellt, was es mit dem Begriff "Einheit des Verhinderungsfalls" auf sich hat.

Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) besteht grundsätzlich die Pflicht des Arbeitgebers bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit für maximal sechs Wochen das vereinbarte Entgelt fortzuzahlen. Ebenfalls besteht ein neuer Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von weiteren sechs Wochen, wenn dieser nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit wegen einer anderen Krankheit erneut arbeitsunfähig wird. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Nach dem Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalls ist dieser Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt.

Dies ist immer dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden. Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und damit für das Ende des Verhinderungsfalls ist die Entscheidung des Arztes. Gege-benenfalls muss der Arzt in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung konkret attestierten, ob die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Kalendertages oder evtl. schon früher beendet war.

Der Arbeitnehmer ist auf jeden Fall beweispflichtig sowohl für den Beginn als auch für das Ende der Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitnehmer hat das Risiko zu tragen, dass nicht mehr festgestellt werden kann, ob Arbeitsunfähigkeit infolge einer bestimmten Krankheit erst ab dem vom behandelnden Arzt attestierten Zeitpunkt bestand oder schon während einer unmittelbar vorangehenden sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer anderen Krankheit eingetreten ist. Diese Beweislastregelung zu Lasten des Arbeitnehmers gilt deshalb, weil der Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls nicht eine vom Arbeitgeber einzuwendende Ausnahme betrifft, sondern eine der Voraussetzungen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Für die Darlegung und den Nachweis von Beginn und Ende einer auf eine bestimmte Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit kann sich der Arbeitnehmer zwar zunächst auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützen. Bringt jedoch der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vor, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer Krankheit beruht, die bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestanden hat und zu einer Krankheit, wegen derer der Arbeitnehmer bereits durchgehend sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit war, hinzugetreten ist, muss der Arbeitnehmer als Voraussetzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs den von ihm behaupteten Beginn der "neuen" krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung beweisen.

Fazit:

Sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber sollten deshalb den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls kennen, um sich dementsprechend verhalten zu können. Arbeitgeber sollten wenn möglich Indizien in Erfahrung bringen, wann die "neue" Krankheit des Arbeitnehmers konkret aufgetreten ist. Dies muss nicht einhergehen mit dem Datum der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Arbeitnehmer sollten gegenüber dem behandelnden Arzt darauf pochen, sich gegebenenfalls attestieren zu lassen, dass die "neue" Krankheit nicht schon während der "alten" Krankheit aufgetreten ist.

Autor:

Stefan Schlöffel | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Arbeitsrecht

Haas & Partner Rechtsanwälte

www.haas-law.de

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