20.02.2012Fachbeitrag

Rechtskommentar:
Neue Zeitrechnung bei der Haftung von Bankvorständen - Zusätzliche strafrechtliche Verantwortlichkeit

Rechtskommentar:

Die Bankenkrise hat schmerzlich vor Augen geführt, dass viele Geschäftsbanken ihre Verantwortung gegenüber ihren Kunden nicht in dem Maß wahrgenommen haben, wie es erforderlich gewesen wäre. Das sich abzeichnende Ende der Kirch-Prozesse lässt vermuten, dass die Deutsche Bank nicht umhin kommen wird, auch einer Inanspruchnahme ihres früheren Vorstandssprechers näher zu treten, was bis vor kurzem noch völlig undenkbar war und einen Tabubruch darstellt. Daneben zeichnen sich weitere Risikoherde für viele Bankvorstände ab, die sich nicht in einer rein zivilrechtlichen Betrachtung erschöpfen, sondern auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit betreffen.

Woraus ergeben sich exemplarisch solche zusätzlichen Risiken?

Bei der Finanzierung durch sog. Swaps (z.B. hochspekulative Währungs-Tauschgeschäfte zur vermeintlich attraktiven Finanzierung von Investitionen) konnten die Banken lange Zeit darauf vertrauen, dass deren Vorgehen allenfalls zivilrechtlich – ggf. auch nur im Rahmen einer kurzen Verjährung – erfolgreich angegriffen werden kann, nicht aber strafrechtlich. Noch fast unbemerkt von der Öffentlichkeit zeichnen sich aktuell in der Folge der Bankenkrise und dem massiven Meinungswandel der Öffentlichkeit in Bezug auf das Agieren von Geschäftsbanken jedoch auch greifbare Tendenzen in der Instanzenrechtsprechung ab.

Das bisher an den Tag gelegte unbeirrte Vorgehen der Banken hat durch eine Reihe von richtungsweisenden zivilrechtlichen Entscheidungen bereits in den Jahren 2010 und 2011 einige Beeinträchtigungen erfahren. Hervorzuheben sind etwa die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22.03.2011 zur Aufklärungspflicht hinsichtlich des negativen Marktwerts bei CMS Spread Ladder Swaps), des OLG Stuttgart vom 27.10.2010 (Az: 9 U 148/08) zu Zins-Swaps sowie die auf den ersten Blick nur bedingt dazu passende Entscheidung des OLG Stuttgart vom 16.03.2011 („Kick-Back“-Verheimlichung und daraus resultierende Strafbarkeit von Bank-Organen).

Das Agieren der Banken vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen stellt sich als zunehmend brisant für die verantwortlichen Bankvorstände dar, werden doch die strafrechtlichen Risikoherde solcher schwer durchschaubarer Finanzprodukte derzeit noch weitgehend ignoriert. Dabei bildet die Grundlage vieler Swap-Verträge ein Konstrukt, bei dem dem jeweiligen Kunden von der Bank bewusst in den Vertrag einstrukturierte Nachteile („negativer Marktwert“) nicht offengelegt werden. Gleichzeitig wird dem Kunden die weit überwiegende Attraktivität des Vertrages vorgetragen. Zugleich wird lediglich auf „theoretisch unbegrenzte“ Risiken mit dem pauschalen Hinweis auf ein angeblich aktives Risiko-Management der Bank zur Absicherung dieser Risiken hingewiesen.
Bildlich gesprochen lässt sich der Kunde auf einen Wettlauf mit der Bank ein, ohne zu wissen, dass er eine deutlich längere Strecke bis zum Ziel zurückzulegen hat, als die Bank. Daher ist von vornherein für den Kunden das Risiko, bei dem vermeintlich ausgeglichenen Kräftemessen den Kürzeren zu ziehen, deutlich größer, als für die Bank.
Nicht selten scheinen sich die positiven Prognosen der Bank anfangs auch zu bestätigen. Allerdings wandeln sich diese dann häufig recht schnell in existenzbedrohende Nachteile für den jeweiligen Betroffenen. Bis der Kunde im Einzelfall merkt, welch bedrohliche Ausmaße die finanzielle Schieflage seines Kredit-Engagements angenommen hat, ist es für einen finanzierbaren Ausstieg oft schon zu spät. Die Bank nimmt die auftretenden Liquiditätslücken des Kunden meist lediglich zum Anlass, zunächst die Verwertung der vorhandenen Sicherheiten nur in Betracht zu ziehen. Im nächsten Schritt wird dann das Kreditengagement insgesamt gekündigt und das Verwertungsszenario mit allen hiermit verbundenen negativen Konsequenzen für den Kunden realisiert. Auf damit verbundene eigene Risiken wird bankenseitig – mangels negativer Vorerfahrungen – weniger geachtet.

Hierbei wird übersehen, dass sich die Bankvorstände, die Vollstreckungshandlungen gegen ihre Kunden auf Grundlage offensichtlich angreifbarer Verträge betreiben und hiermit irreversible Nachteile zu Lasten des Kunden und somit Schadenersatzpotenzial kreieren, bei näherer Betrachtung der vorgenannten Entscheidungen buchstäblich auf dünnem Eis bewegen.

So hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 22.03.2011 eine positive Aufklärungspflicht der Bank jedenfalls für den Fall angenommen, dass die Risikostruktur des betreffenden Bankproduktes bewusst zu Lasten des Anlegers ausgestaltet worden ist, wie es im Fall des dort geprüften Spread Ladder Swaps der Fall war. In dieser Gestaltung ist nach Auffassung des BGH ein Ausdruck des schwerwiegenden Interessenkonflikts zu sehen, auf den die Bank eigeninitiativ hinweisen und darüber aufklären muss. In anderen untergerichtlichen Entscheidungen wurde auf die Parallelen dieser Entscheidung mit sog. Cross-Currency-Swaps hingewiesen. Zuletzt hat das Landgericht Wuppertal am 18.01.2012 (Az.: 3 O 270/11) die deutliche Tendenz in der Rechtsprechung zu Lasten der Banken in einem Fall des Private Wealth Management bestätigt und die Rechtsprechung des BGH auch auf indexbezogene Swaps mit begrenztem Verlustrisiko (Long-Short-Momentum-Swap; kurz: LSM-Swap) erstreckt.

Nimmt man nun die vorgenannte Entscheidung des OLG Stuttgart vom 16.03.2011 („Kick-Back“-Verheimlichung/daraus resultierende Strafbarkeit von Bank-Organen) zu einer Gesamtschau der Rechtsprechung hinzu und untersucht diese auf mögliche Parallelen, so zeichnet sich ab, dass die Betrachtung des jeweiligen Vorgangs auch im Falle der Swap-Finanzierungen konkrete strafrechtliche Risiken für jeden davon betroffenen Bankvorstand zeitigen kann.

Täuscht eine Bank einen Kunden auf Grundlage eines Gesamtplans (hier: nicht anleger- und nicht anlagegerechte Finanzierung über eine hochspekulative Zinswette ohne nennenswerte Risiken für die Bank bei gleichzeitiger Vorspiegelung einer vorteilhaften Risiko-Chancen-Verteilung), so ist das erste Merkmal eines objektiven Betrugstatbestands erfüllt. Korrespondiert dies auf Seiten des Kunden mit einem bei ihm entstehenden Irrtum, er schließe einen Kreditvertrag mit weit überwiegenden Chancen zur Zinsersparnis gegenüber weit untergeordneten Risiken einer bloßen Zinsverteuerung (nicht aber einem ruinösen Verlustrisiko) ab, obwohl die Bank als Vertragspartner von vornherein einen Wissens- und Finanzierungsvorsprung zu eigenen Gunsten kaschiert, liegt der Schluss auf die Verwirklichung einer Vermögensstraftat noch näher.

Wenn aber – wie im zuletzt entschiedenen Fall des LG Wuppertal – zusätzlich aktiv über die angebliche Dauer des den Berechnungen zugrundeliegenden Zeitraums getäuscht wird, ist zumindest auch der Weg zur Annahme eines Eingehungsbetrugs i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB eröffnet. Wenn der Kunde erst aufgrund des planmäßig so erweckten Irrtums zum Abschluss des Swap-Vertrages (= Vermögensverfügung) bewegt wird und dann auf Grundlage dieses Vertrages auch noch erhebliche Vermögensschäden erleidet, die als Kehrseite der Medaille zu einem kalkulierten (zumindest teilweisen) Vermögenszuwachs auf Seiten der Bank führt, ist der objektive Betrugstatbestand sehr schnell erfüllt.

Wenn dann die Bank aufgrund der Zahlungsschwierigkeiten des Kunden vorschnell die nach ihrer Auffassung erforderlich werdende Kündigung nicht nur auf den betreffenden Swap-Vertrag bezieht, sondern das gesamte Kreditengagement des Kunden kündigt, liegt die Gefahr des Vorliegens einer Straftat noch näher, wird hierdurch doch das langfristig angelegte Verwertungsszenario schrittweise umgesetzt.

In der Praxis stellt sich das Szenario z.B. wie folgt dar:

Zunächst wird in diesem Kontext dem Kunden vermeintlich die Chance gegeben, die durch die Swap-Finanzierung aufgelaufenen „Rückstände“ auszugleichen. Soweit er nicht über weiteres Vermögen verfügt, kommt er hier sehr bald an seine finanziellen Grenzen. Im nächsten Schritt wird dem Kunden eröffnet, dass die Verwertung der gegebenen Sicherheiten erforderlich werde, da er ja selbst keine Abhilfe schaffen könne. Dadurch dokumentiert die Bank – respektive der jeweils verantwortliche Vorstand – dass die bankseitig initiierte Swap-Finanzierung in das Gesamtkreditengagement eingebettet und Teil eines „Gesamtplans“ ist.

Die seitens der Bank einerseits faktisch vorgenommene Selbstbedienung am Vermögen des Kunden mündet andererseits bei konsequenter Betrachtung in ein strafrechtlich relevantes Tun der Bankverantwortlichen, das namentlich nicht nur den Bereich des vorbezeichneten Betruges (§ 263 StGB), sondern u.U. auch den Bereich der Untreue (§ 266 StGB) bzw. den der Nötigung (§ 240 StGB) tangiert.

Wird ein solches Vorgehen von entschlossenen Kunden zum Anlass für ein strafrechtliches Vorgehen genommen, kann als „Nebenprodukt“ zu Lasten der Bank zugleich die Aushebelung der zwischenzeitlich im Einzelfall angeblich eingetretenen zivilrechtlichen Verjährung (§ 37a WphG a.F.) festgestellt werden, die im Falle vorsätzlichen Handelns der Bankorgane nicht greift. Zusätzlich löst eine solche strafrechtliche Feststellung die persönliche Haftung des Bankvorstands gegenüber seiner eigenen Bank aus. Diese muss faktisch von der Bank auch geltend gemacht werden. Hier ist es fraglich, ob eine sog. D&O-Versicherung ohne Weiteres für den jeweils Verantwortlichen vollumfänglich eintritt. Auch insoweit ist Bankvorständen also zu empfehlen, in einschlägigen Fällen das Augenmerk auch auf eine mögliche Strafbarkeit eigenen Tuns zu richten, damit eine Strafbarkeit der verantwortlichen Vorstände nicht feststeht, bevor bankseitig wenigstens einmal über ein Einlenken gegenüber dem Kunden zum Herbeiführen einer außergerichtlichen Lösung nachgedacht wurde. Im Gegensatz zur strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht ist ein strafloser Rücktritt von der vollendeten Tat in solchen Fällen jedenfalls nicht möglich.

Solange die einschlägigen Gerichtsurteile und die sich hieraus abzeichnenden Konsequenzen weiten Kreisen der Betroffenen gar nicht bekannt sind, werden sich Bankvorstände weiter in der trügerischen Sicherheit wiegen – wenn überhaupt – allenfalls zivilrechtlich angreifbar zu sein und in solchen Fällen in der Regel nicht zu haften. Dies kann sich jedoch sehr schnell ändern. Die neuesten Entwicklungen in der Rechtsprechung bieten jedenfalls eine ausreichende Grundlage, um Vorstände auch strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen und über diesen Umweg auch zivilrechtlich in die Pflicht zu nehmen.

Fazit: Swap-Finanzierungen bergen aufgrund der jüngeren Entwicklung in der Rechtsprechung für die finanzierende Bank – und hier konkret die verantwortlichen Vorstände – bei nicht ausreichender Aufklärung des Kunden und herkömmlicher Vorgehensweise nicht nur zivilrechtliche, sondern insbesondere auch verschiedene strafrechtliche Risiken. Dabei wird die strafrechtliche Relevanz des bankseitigen Vorgehens in der Praxis derzeit häufig noch unterschätzt. Nur eine vorausschauende und abgewogene Vorgehensweise kann hier helfen, allzu offensichtlich entstehende Risiken im Sinne eines vernünftigen Ausgleichs zwischen Bank und Kunde zu relativieren. Wird der günstige Zeitpunkt zum Einlenken bankseitig versäumt, drohen durch Strafanzeigen geschädigter Kunden erhebliche Nachteile für Bank und Bankvorstand und zwar sowohl zivilrechtlich, als auch strafrechtlich.

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