17.02.2014Fachbeitrag

Rechtskommentar:
Schwarzer oder weisser – Die graue Zukunft der strafbefreienden Selbstanzeige

Rechtskommentar:

Spätestens der Fall der Frauenrechtlerin Alice S. und die dadurch nochmals angeheizte Diskussion zur Abschaffung der Selbstanzeige verdeutlicht, dass bereits in allernächster Zukunft mit weitreichenden Einschränkungen dieser einmaligen Form des straflosen Rücktritts von einer vollendeten Straftat nahezu sicher gerechnet werden muss.

Immer neue Erfahrungen mit „Mandanten der 1. bis 4. Generation der Selbstanzeigen“ bringen zugleich stetig neue Erkenntnisse. Diese wiederum lassen gewisse Rückschlüsse auf die zu erwartende Entwicklung der Selbstanzeige zu.

Was ist unter „Mandanten der 1. bis 4. Generation“ zu verstehen?

Die „Mandanten der 1. Generation“ sind solche, die bereits eine Selbstanzeige abgegeben haben. Wir als Berater werden von ihnen immer wieder gefragt, was im Rahmen des gleich nach Abgabe der Selbstanzeige eingeleiteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wohl passieren wird oder zumindest passieren kann.

Wie schon dem medial intensiv aufgearbeiteten Fall Hoeneß zu entnehmen ist, hängt die Beantwortung dieser Frage wesentlich vom Inhalt der jeweiligen Selbstanzeige – insbesondere von deren Vollständigkeit – ab. Generell wird man sagen dürfen, dass je länger das Verfahren dauert und keine neuen Erkenntnisse zu Tage fördert, allein der fortschreitende Zeitablauf tendenziell auf eine für den Mandanten positive Entwicklung schließen lässt.

Unter den „Mandanten der 2. Generation“ sind solche zu verstehen, die bislang noch keine Selbstanzeige erstattet haben, aber später schmerzlich feststellen mussten, dass Berichte über sog. Steuer-CDs nicht ohne Hintergrund von der Finanzverwaltung initiiert worden sind – denn sie hatten bereits Besuch von der Steuerfahndung. Besonders ärgerlich ist dies für solche Mandanten, die ohnehin bereits die Abgabe einer Selbstanzeige planten oder diese bereits nahezu vollständig vorbereitet – aber eben noch nicht abgegeben – hatten.

Auch hier wird die Frage nach dem weiteren Verlauf des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gestellt. Diese wird zeitweise noch überlagert durch die Frage, ob und inwieweit hier mit der Finanzverwaltung kooperiert werden sollte.

Allgemein gültige Aussagen hierzu sind nach wie vor schwierig, hängt das Vorgehen und auch das daraus resultierende Ergebnis doch wesentlich von den Einzelheiten des jeweiligen Falles ab. Generell wird man feststellen dürfen, dass eine starrköpfige Blockadehaltung in der Regel ebenso wenig hilfreich erscheint, wie ein kritikloses Kooperieren. Die Erfahrung zeigt, dass die durchgeführten Durchsuchungen meist minutiös vorbereitet wurden. Wichtig erscheint es daher stets, solche Gesichtspunkte herauszuarbeiten, die der ermittelnden Behörde die spätestens jetzt vorhandene rechtstreue Auffassung des jeweiligen Mandanten vor Augen führen. Auch ist eine geordnete Kooperation jedenfalls in diesen Fällen häufig vorteilhafter. Dabei sollte die Gelegenheit genutzt werden, um jeweils auf strafmildernde Umstände zugunsten des Mandanten hinzuwirken.

Die „Mandanten der 3. Generation“ haben bislang noch keine Selbstanzeige abgegeben. Sie haben aber erkannt, dass sich die derzeit insoweit noch überaus günstige Situation zur Abgabe einer vollständig strafbefreienden Selbstanzeige noch immer - und vermutlich nur noch sehr kurze Zeit in dieser hochkomfortablen Form - bietet. Wie kurzfristig sich das ändern wird, ist die von diesen Mandanten am häufigsten gestellte Frage, dicht gefolgt von der Frage, wie diese Änderungen konkret aussehen werden und bis wann mit einem Inkrafttreten dieser Änderungen zu rechnen sei.

Aus den gegenwärtig auf Hochtouren laufenden Beratungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe und den erstaunlich deutlichen Äußerungen von Minister Schäuble und zahlreichen Politikern sind klare Tendenzen abzulesen: Die Selbstanzeige wird wohl bleiben. Die Selbstanzeigemöglichkeiten werden schon sehr bald deutlich beschnitten werden.

Bei einer Prognose sollte jedoch auch berücksichtigt werden, dass die seinerzeit als Auslöser für die ganze Selbstanzeigediskussion ursächliche Entscheidung des BGH in Strafsachen (BGH, Az. 1 StR 577/09, Beschluss vom 20.05.2010) lediglich eine punktuelle Verschärfung für die Selbstanzeige ausgesprochen hatte. Der BGH hatte nämlich die Offenlegungsverpflichtung des jeweiligen Steuerpflichtigen lediglich an der strafrechtlichen "Tat" festgemacht.

Im Klartext bedeutet das: Das Gericht hatte ursprünglich nur verlangt, "reinen Tisch" z.B. in Bezug auf eine von einem nicht deklarierten Konto betroffene Einkunftsart, z.B. Zinseinkünfte, die bislang noch unversteuert geblieben waren, zu machen. Eine solche punktuelle Offenlegung konnte sich somit zwar auf eine ganze Reihe von Konten und von Jahren, also Jahressteuererklärungen, erstrecken. Dies war jedoch nicht zwangsläufig an die Voraussetzung geknüpft, sogleich alle "Leichen" einer ganzen Steuerart - also z.B. der gesamten Einkommensteuer - aus dem jeweiligen Jahreskeller zu holen und zu berichtigen.

Genau das aber hat der Gesetzgeber später in der Reform des Selbstanzeige-Paragraphen 371 der Abgabenordnung daraus gemacht. Welch ein Meilenstein diese zusätzliche Hürde in der Praxis darstellt, macht sich immer dann bemerkbar, wenn Mandanten bereits fest zur Abgabe einer Selbstanzeige in Bezug auf ausländisches unbesteuertes Vermögen entschlossen sind, aber bei genauer Betrachtung feststellen, dass im übrigen einkommensteuerlichen Bereich derart viele "Leichen im Keller" liegen, dass diese entweder nicht mehr vollständig aufgeklärt werden können oder aber im Einzelnen gar nicht mehr als solche identifizierbar sind. Die Folge ist eine große Unsicherheit in Bezug auf eine dann bereits für den Mandanten erkennbar unvollständige Selbstanzeige. Eine mögliche Konsequenz des Erkennens dieser Risiken ist aus Sicht dieser Mandanten dann, die bereits vorbereitete Selbstanzeige doch nicht abzugeben.
Eine so vom Gesetzgeber damals vermutlich nicht erwartete gegenläufige Entwicklung.

Alle die, die aus der Beratersicht der „4. Generation“ angehören, sollten sich bei einer Übertragung dieser Analyse auf die aktuell sehr hektisch laufende Reformdiskussion zusätzliche Gedanken machen.

Bei diesen - potenziellen - Mandanten wird es sich um diejenigen handeln, die es versäumen, die jetzt noch herrschende nach wie vor überaus günstige Selbstanzeigesituation für sich zu nutzen. Bevor der Gesetzgeber also auf die Idee kommt, weitere - unerwartete - Hürden zu errichten, die eine Selbstanzeige zusätzlich erschweren oder gar faktisch unmöglich machen könnten, besteht hier dringender Handlungsbedarf.

So könnten z.B. von Gesetzes wegen zusätzliche Betragshöchstgrenzen für strafbefreiende Selbstanzeigen oder eine gravierende Verlängerung der bislang geltenden Festsetzungsverjährung gefordert und durchgesetzt werden, was dann deutlich höhere Zahlungen auslösen würde. Auch dürften zusätzliche Strafzahlungen erwogen werden. Wie realistisch solche Szenarien sind, zeigt der mediale Aufruhr im Fall der Alice S. vor wenigen Tagen. Wenn sich ein Steuerhinterzieher hier eine „fehlerfreie“ Bereinigung seiner steuerunehrlichen Vergangenheit zugutehält, wird sogleich die Frage nach der Verwendung der bereits legal steuerverjährten Vorteile intensiv thematisiert.

Dies ist nur ein Ausdruck der gewandelten öffentlichen Meinung, die immer weniger bereit ist, sich auf die gegenwärtig (noch) geltende Rechtslage verweisen zu lassen.


Fazit:
Zur Zeit besteht für die unentdeckten "Steuerunwilligen" noch die letzte erfolgversprechende Möglichkeit, sich relativ ungeschoren in die Reihe der 3. Generation der Selbstanzeigeerstatter einzureihen. Wer über das Privileg verfügt, sich aus erster Hand einmal Bericht von einem Angehörigen der 2. Generation über die unangenehmen Folgen einer Hausdurchsuchung erstatten zu lassen, wird die Erleichterung der Angehörigen der 1. Generation von Selbstanzeigeerstattern deutlich besser nachfühlen können. Diese sind froh, endlich die stetige Gedankenlast der drohenden Entdeckung – und möglichen gesellschaftlichen Diskriminierung – nicht mehr mit sich herumschleppen zu müssen.

Den noch immer Unentschlossenen sei zugerufen, dass eine Aufnahme in den wenig attraktiven "Club der 2. Generation" noch immer möglich ist, bevor sich der Status der Zugehörigkeit zur 4. Generation durch Zeitablauf zementiert.

Eines ist klar: Das Zeitfenster für die Abgabe einer Selbstanzeige nach alter Machart schließt sich jetzt rasant.

Autor: Dr. Joerg Andres ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater (www.andresrecht.de) in Düsseldorf und Beirat der Advocatax Steuerberatungsgesellschaft mbH, Düsseldorf. Er ist spezialisiert auf die Bereiche Erbrecht, Steuerverfahrens- und Gesellschaftsrecht. Zudem ist er langjähriger Dozent und Autor u.a. für Steuerstraf- und –verfahrens-, sowie Erbschaftsteuerrecht. Er hat im Jahre 2013 u.a. den kompakten Erbenratgeber „Heute schon geerbt?“ als e-book veröffentlicht.

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