Rechtskommentar:
Wie begrenze ich als Gläubiger das Anfechtungsrisiko im Eröffnungsverfahren?
Rechtskommentar:
I. Ausgangssituation
Der dieser Frage zugrunde liegende Sachverhalt ist die übliche Situation im Eröffnungsverfahren und damit in dem Zeitraum zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung: Ein Unternehmen stellt einen Insolvenzantrag und informiert hierüber seine Gläubiger, also u.a. seine Lieferanten. Die insolvente Firma ist auf Weiterbelieferung angewiesen und bittet daher die Lieferanten, auch zukünftig das Unternehmen mit Ware, Material oder Dienstleistungen zu versorgen. Die Lieferanten werden hierzu nur bereit sein, wenn sie nicht befürchten müssen, dass die Zahlung, die sie für ihre Leistung vor einer Insolvenzeröffnung erhalten, nach einer Insolvenzeröffnung angefochten und damit vom Insolvenzverwalter zurückgefordert wird.
Es gilt in dieser Situation zunächst einmal der für die Gläubigerinteressen erschreckende Grundsatz, dass die Zahlung, die sie für ihre Leistung vor Insolvenzeröffnung erhalten, grundsätzlich nach § 130 InsO anfechtbar ist. Denn sie sind Insolvenzgläubiger und erhalten in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung eine Zahlung und kennen den Insolvenzantrag. Weitere Voraussetzungen hat diese Anfechtung nicht.
Vor diesem Grundsatz gibt es aber erhebliche Ausnahmen zugunsten der Gläubiger. Denn ansonsten könnte ein insolventes Unternehmen in dem Zeitraum zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung nicht mehr am Wirtschaftsleben teilnehmen. Diese Situationen, in denen eine Anfechtung nicht möglich ist, werden nachfolgend beschrieben. Dabei wird die Situation differenziert dargestellt.
- für ein Insolvenzeröffnungsverfahren mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 22 InsO)
- und für ein Insolvenzeröffnungsverfahren mit einem vorläufigen Sachwalter (§ 270a InsO) und damit für den Fall des Insolvenzantrages mit Eigenverwaltung.
Um das Ergebnis und damit den Vergleich dieser beiden Situationen bereits vorweg zu nehmen: Im Falle des Antrages auf Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) ist die rechtliche Situation für Gläubiger zur Vermeidung des Anfechtungsrisikos schwieriger. Welche Handlungsalternativen sich ihnen bieten, wird nachfolgend beschrieben.
II. Zwei Varianten im Insolvenzeröffnungsverfahren
Wenden wir uns nunmehr den beiden vorerwähnten Varianten in einem Insolvenzeröffnungsverfahren zu:
1. Eröffnungsverfahren mit vorläufigen Insolvenzverwalter
Wird ein Insolvenzantrag gestellt, spricht das Insolvenzgericht im Zuge der Fortführung des Geschäftsbetriebes Sicherungsmaßnahmen aus. Diese bestehen üblicherweise darin, dass ein so genannter vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt wird. Wie ist das Anfechtungsrisiko für die Gläubiger, u.a. Lieferanten, in dieser Sachlage zu bewerten?
Nach einer Insolvenzeröffnung können die Zahlungen, die ein Gläubiger vor der Insolvenzeröffnung erhalten hat, vom späteren Insolvenzverwalter unter folgenden Voraussetzungen nicht mehr angefochten werden:
a. Bargeschäft
Liefert ein Gläubiger seine Leistung an das insolvente Unternehmen und erhält er seine Vergütung in einem maximalen Zeitraum von 30 Tagen, so ist die erhaltene Zahlung nach § 142 InsO als sog. Bargeschäft nicht anfechtbar. Dabei bedeutet der Begriff Bargeschäft nicht, dass es sich um eine Barzahlung handeln muss. Auch unbarer Zahlungsverkehr fällt unter der vorbenannten Voraussetzung hierunter.
Das für den Gläubiger nicht vollständig kalkulierbare Risiko liegt darin, dass er letztendlich nicht vorhersehen kann, ob er nach seiner Leistung auch in dieser maximalen Frist von 30 Tagen sein Geld erhält. Daher wird diese Konstellation des Bargeschäftes als Ausnahme von der Anfechtung letztendlich immer dadurch umgesetzt werden, dass gegen Vorkasse geliefert wird.
b. Masseverbindlichkeiten
Die Möglichkeit der Anfechtung besteht nur gegenüber Insolvenzgläubigern – und damit nicht gegenüber Massegläubigern mit so genannten Masseverbindlichkeiten. Ein Gläubiger hat Masseverbindlichkeiten gegenüber dem insolventen Unternehmen, wenn
- das Insolvenzgericht nicht „nur“ einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt sondern einen so genannten starken vorläufigen Insolvenzverwalter
- oder sich der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (so genannter schwacher Insolvenzverwalter) zur Eingehung von Masseverbindlichkeiten durch das Insolvenzgericht hat ermächtigen lassen. Hierüber erfolgt ein entsprechender Beschluss des Insolvenzgerichtes.
Diese Situation der Masseverbindlichkeiten ist an dieser Stelle der Vollständigkeit halber aufgeführt. Sie spielt in der rechtlichen Situation zwischen Gläubiger und vorläufigen Insolvenzverwalter aber nicht die primäre Anwendungsrolle.
c. Vorhandener Vertrauenstatbestand
Kommen wir zu dem wesentlichen Argument, dass dem Insolvenzverwalter eine Anfechtungsmöglichkeit verwehrt: Ein von ihm in seiner Eigenschaft als vorheriger vorläufiger (schwacher) Insolvenzverwalter geschaffener Vertrauenstatbestand.
Hierzu ist aus dem Leitsatz des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 9. Dezember 2004 (NZI 2005, 218) wie folgt zu zitieren:
"Stimmt der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter Verträgen des Schuldners über die Erfüllung von Altverbindlichkeiten vorbehaltlos zu, die im Zusammenhang stehen mit noch zu erbringenden Leistungen des Vertragspartners, begründet dies für diesen grundsätzlich einen Vertrauenstatbestand, den der Verwalter bei Vornahme der Erfüllungshandlung durch den Schuldner nicht mehr zerstören kann."
Dies bedeutet, bezogen auf eine Situation aus der Praxis: Wenn das insolvente Unternehmen im Zeitraum zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung eine Lieferung/Leistung fordert, wird der Lieferant/Dienstleister den vorläufigen Insolvenzverwalter auffordern, seine Zustimmung zu diesem Auftrag zu geben. Stimmt der vorläufige Insolvenzverwalter dieser Rechtshandlung des Schuldners zu, kann er später die erfolgte Zahlung nicht anfechten – da er zeitlich zuvor in seiner Position als vorläufiger Insolvenzverwalter einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat.
Der Bundesgerichtshof begründet diese rechtliche Bewertung damit, dass ansonsten für den Zahlungsempfänger die Zustimmung des vorläufigen Verwalters wertlos wäre. Die Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes soll dem Schuldner eine weitere Teilnahme am Rechts- und Geschäftsverkehr ermöglichen und dies wäre im Falle einer späteren Anfechtung letztendlich nicht möglich - und weiter wörtlich zitiert aus diesem BGH Urteil:
"Denn der vorläufige Insolvenzverwalter wird die für die Unternehmensfortführung notwendigen Vertragspartner nur finden, wenn diese grundsätzlich darauf vertrauen können, dass die mit dem vorläufigen Verwalter getroffenen Vereinbarungen auch in der Insolvenz Bestand haben."
d. Zwischenergebnis
Mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bewegt sich ein Gläubiger/Vertragspartner eines insolventen Unternehmens im Hinblick auf das Anfechtungsrisiko auf sicherem Boden.
2. Eröffnungsverfahren mit vorläufigen Sachwalter (bei Eigenverwaltung)
Wie sieht diese vorgenannte beschriebene Konstellation nunmehr in den Fällen aus, in denen ein insolventes Unternehmen einen Antrag auf Insolvenzeröffnung nebst Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) stellt?
In diesem Fall haben wir andere Mitwirkende mit anderen Funktionen als in einem Eröffnungsverfahren ohne Eigenverwaltung. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass das so genannte Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) eine Variante/Unterfall der Eigenverwaltung darstellt und damit auf dieses Schutzschirmverfahren die nachfolgenden Ausführungen ebenfalls zutreffen.
Diese geänderte Konstellation in der Eigenverwaltung ist wie folgt kurz zu beschreiben:
- Der Insolvenzschuldner bleibt auch im Eröffnungsverfahren und damit nach dem Insolvenzantrag verfügungsbefugt. Dies ist letztendlich das Hauptziel der Eigenverwaltung.
- Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters (ohne Eigenverwaltung) gibt es in dieser Situation den so genannten vorläufigen Sachwalter (§ 270a InsO) und dieser vorläufige Sachwalter hat "nur" eine Kontrollfunktion. Letztere wird in § 274 Abs. 2 InsO wie folgt definiert: "Es ist die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen". Der vorläufige Sachwalter kann dem Eingehen von Verbindlichkeiten nach § 275 InsO widersprechen. Die Zustimmung oder der Widerspruch des vorläufigen Sachwalters haben jedoch nur eine interne Wirkung im Verhältnis zwischen Schuldner und vorläufigem Sachwalter und sind keine Wirksamkeitsvoraussetzungen für vom Schuldner eingegangene Verpflichtungen.
Für die hier in Rede stehende Frage des Anfechtungsrisikos und damit das Verhältnis zwischen Gläubiger und Insolvenzschuldner ist also festzuhalten:
- der Schuldner ist weiter verfügungsbefugt und kann wirksam gegenüber seinen Lieferanten Bestellungen abgeben und diese auch bezahlen.
- Dafür bedarf es im Hinblick auf die Rechtswirksamkeit keiner Zustimmung des vorläufigen Sachwalters. Dies bedeutet im Weiteren: Einen unmittelbaren rechtsgeschäftlichen Kontakt zwischen Gläubiger und vorläufigem Sachwalter sieht das Gesetz nicht vor. Damit kann ein Gläubiger von einem vorläufigen Sachwalter auch nicht dessen Zustimmung für vom Gläubiger erteilte Aufträge verlangen.
Soweit die Gläubiger diese Zustimmung vom vorläufigen Sachwalter verlangen (weil sie sie aus dem Eröffnungsverfahren ohne Eigenverwaltung und damit der Vergangenheit kennen) ist darauf zu achten, welchen Wortlaut das Antwortschreiben des vorläufigen Sachwalters hat. Tendenziell wird zu erwarten sein, dass die vom vorläufigen Sachwalter gewählte Formulierung keinen rechtsverbindlichen Inhalt haben wird.
Wie kann ein Lieferant/Dienstleister und damit Gläubiger nunmehr im Eröffnungsverfahren mit beantragter Eigenverwaltung sein Anfechtungsrisiko ausschließen?
a. Bargeschäft
Es verbleibt die grundsätzlich bestehende Ausnahme von der Anfechtungsmöglichkeit in Form des Bargeschäftes (§ 142 InsO).
Auf die vorgenannten Ausführungen hierzu und damit den Umstand, wann ein Bargeschäft vorliegt, ist zu verweisen.
b. Masseverbindlichkeiten
Der vorläufige Sachwalter kann sich vom Insolvenzgericht ermächtigen lassen, Masseverbindlichkeiten einzugehen (§ 270b Abs. 3 InsO für das Schutzschirmverfahren). In der Rechtsprechung steht hierzu vieles im Streit: Gegenüber wem ist die Ermächtigung zu erklären: ggü. dem Schuldner oder dem vorl Sachwalter? Ist dies nur im Schutzschirmverfahren als Unterfall der Eigenverwaltung möglich oder grundsätzlich in der Eigenverwaltung? Gibt es die Möglichkeit von Einzelermächtigungen für bestimmte Rechtsgeschäfte? Dem Insolvenzgläubiger können diese strittigen Rechtsansichten letztendlich egal sein. Für ihn ist nur wichtig: Es gibt die Möglichkeit der gerichtlichen Ermächtigung, dass Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren eingegangen waren.
Wenn diese Ermächtigung erteilt wird und die Verbindlichkeiten gegenüber dem betreffenden Gläubiger fallen darunter, so stellen seine Ansprüche Masseverbindlichkeiten auf Seiten des Insolvenzschuldners dar. In diesem Fall ist er nicht Insolvenzgläubiger und ist daher eine spätere Anfechtung ausgeschlossen.
Was bedeutet dies für Gläubiger im Eröffnungsverfahren mit Eigenverwaltung? Sie sollten beim Schuldner und/oder dem vorläufigen Sachwalter nachfragen, ob von der Möglichkeit der Ermächtigung, Masseverbindlichkeiten einzugehen, Gebrauch gemacht wurde und ob ihre Leistung hiervon mit umfasst ist. Ist dies der Fall, ist eine Anfechtung ausgeschlossen und damit ihr diesbezügliches Risiko.
c. Vorhandener Vertrauenstatbestand
Der Vertrauenstatbestand ist in dem Eröffnungsverfahren (ohne Eigenverwaltung) ein wesentlicher Ausnahmefall, in dem eine Anfechtung nicht möglich ist.
Die Konstellation kurz in Erinnerung gerufen: Ein Gläubiger bittet den vorläufigen Verwalter um seine Zustimmung zu einer Rechtshandlung des Schuldners. Der vorläufige Verwalter erteilt diese Zustimmung und der BGH führt aus, dass es treuwidrig wäre, wenn der spätere Insolvenzverwalter aufgrund dieser zuvor erteilten Zustimmung später die Anfechtung erklären würde. Dies wäre zum einen ein Wertungswiderspruch und würde zum anderen einem insolventen Unternehmen keine Möglichkeit mehr geben, am Geschäftsverkehr teilzunehmen – denn jedwede Vertrauensgrundlage, das erhaltene Geld auch zukünftig behalten zu dürfen, wäre nicht vorhanden.
In der Situation der Eigenverwaltung
- ist wie vorstehend ausgeführt der Schuldner verfügungsbefugt
- und gibt es damit denjenigen, den man als Gläubiger zur Zustimmung der Rechtshandlung des Schuldners auffordern kann nicht
- und trotzdem brauche ich als Gläubiger eine Grundlage für einen Vertrauenstatbestand, auf den ich mich nach einer späteren Insolvenzeröffnung gegenüber dem Sachwalter berufen kann – damit eine Anfechtung nicht möglich ist.
Was kann Grundlage für diesen Vertrauenstatbestand sein?
Rechtsprechung gibt es zur Beantwortung dieser Frage, bezogen auf die Situation der Eigenverwaltung nicht. Nach meiner rechtlichen Bewertung gibt es zwei denkbare Grundlagen für einen derartigen Vertrauenstatbestand:
c1. Die fehlende "Monierung" des vorläufigen Sachwalters
Die Mitwirkung des Sachwalters (§ 275 Abs. 1 InsO) besteht darin, dass er bezüglich der gewöhnlichen Verbindlichkeiten im Geschäftsbetrieb ein Widerspruchsrecht hat und bezüglich der nicht gewöhnlichen Verbindlichkeiten seine Zustimmung erforderlich ist. Hierbei handelt es sich jedoch nur um Erklärungen im Innenverhältnis zwischen vorläufigem Sachwalter und Schuldner.
Wenn ich mich als Gläubiger auf einen vom vorläufigen Sachwalter geschaffenen Vertrauenstatbestand berufen will, muss dazu irgendein "Verhalten" des vorläufigen Sachverwalters mir gegenüber nach außen getreten sein.
Die Mitwirkung des Sachwalters besteht unter anderem darin, dass er Liquiditätspläne mit aufstellt, überprüft und damit letztendlich diesen zustimmt. Im Weiteren wird er die Konten- und Kassenbewegungen dahingehend überprüfen, ob sie im Einklang mit den Liquiditätsplänen stehen und ob für die nicht gewöhnlichen Verfügungen seine Zustimmung eingeholt worden ist. Wenn der vorläufige Sachwalter im Zuge dieser Mitwirkung/Kontrolle zu dem Ergebnis kommt, dass trotz Widerspruches oder fehlender Zustimmung vom Schuldner Verbindlichkeiten eingegangen sind, hat er die Pflicht, die Gläubiger hierüber zu informieren. Dies wird durch Information gegenüber dem Gläubigerausschuss und/oder Aufnahme entsprechender Schilderungen in seine Berichte gegenüber dem Insolvenzgericht erfolgen – und damit letztendlich gegenüber den Gläubigern.
Wenn es nunmehr bis zu einer Insolvenzeröffnung diese Informationen nicht gegeben hat, kann sich ein Gläubiger im Umkehrschluss darauf berufen, dass der Sachwalter keinen Widerspruch gegen die gewöhnlichen Verbindlichkeiten erhoben hat und hinsichtlich der nicht gewöhnlichen Verbindlichkeiten des Schuldners seine Zustimmung jeweils vorlag – den Verfügungen des Schuldners im Zuge seiner Überwachungspflicht im Ergebnis "zugestimmt" hat.. Damit kann er sich im Weiteren darauf berufen, dass ihm gegenüber durch diese fehlenden "Monierungen" gegenüber Insolvenzgericht und/oder Gläubigerausschuss ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, der eine spätere Anfechtung ausschließt.
Diese Argumentation wird davon getragen, dass es letztendlich keine vorläufige Eigenverwaltung ohne ein Vertrauen darauf geben kann, dass die vom Schuldner in Mitwirkung mit dem vorläufigen Sachwalter getroffenen Vereinbarungen auch nach einer Insolvenzeröffnung Bestand haben (Argument des BGH aus Urteil vom 09.12.2004, NZI 218, 220). Ob die Rechtsprechung diesem vom Sinn und Zweck ausgehenden Argument letztendlich folgen wird, bleibt abzuwarten.
c2. Einholung einer Erklärung des vorläufigen Sachwalters
Auf sichererem Boden im Hinblick auf das Anfechtungsrisiko befindet man sich als Gläubiger, wenn man sich hinsichtlich des Vertrauenstatbestandes auf ein Verhalten des vorläufigen Sachwalters berufen kann, das gegenüber dem Gläubiger unmittelbar erfolgt ist.
Einen Anspruch auf die Erteilung der Zustimmung zur Rechtshandlung des Insolvenzschuldners hat der Gläubiger – wie vorstehend ausgeführt – ggü. dem vorläufigen Sachwalter nicht. Wenn er diese Zustimmung trotzdem vom vorläufigen Sachwalter einfordert, wird er in den meisten Fällen unverbindliche Erklärungen erhalten. Er wird dann jeweils auf der Grundlage dieser einzelnen Erklärungen beurteilen müssen, ob mit dem Inhalt der erhaltenen Antworten ihm gegenüber vom vorläufigen Sachwalter ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Auch das wird grundsätzlich eine brüchige Grundlage sein.
Daher verbleibt letztendlich mein Rat an die Insolvenzgläubiger in der Situation des Insolvenzantrages mit Eigenverwaltung:
Fordern Sie vom vorläufigen Sachwalter nicht seine Zustimmung. Denn diese sieht das gesetzliche Konstrukt der Eigenverwaltung mit einem vorläufigen Sachwalter gar nicht vor. Und etwas zu fordern, auf das man keinen Anspruch hat, sollte man daher tendenziell lassen.
Schildern Sie vielmehr ihre Interessenlage, wie sie tatsächlich ist: Ich als Gläubiger werde sie nur beliefern, wenn ich auf den Bestand der Rechtshandlung des Schuldners vertrauen kann und dies setzt letztendlich voraus, dass es zukünftig keine Anfechtung geben kann. Sie als Sachwalter haben eine interne Kontrollpflicht. Diese üben Sie im Interesse und zum Schutze der Gläubiger aus. Ich bitte Sie daher um ihre Bestätigung, dass die Aufträge, die der Insolvenzschuldner mir gegenüber erteilt in der Liquiditätsplanung des Schuldners, die ihre Zustimmung gefunden hat, enthalten sind. Ihre positive Rückantwort werte ich als einen von Ihnen gesetzten Vertrauenstatbestand, dass die diesbezüglichen Rechtshandlungen und damit auch die damit verbundenen Zahlungen des Schuldners nach einer Insolvenzeröffnung Bestand haben.
Für vorläufige Sachwalter ist diese Prozedere in größeren Verfahren mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Aus Gläubigersicht ist es eine Möglichkeit, einen notwendigen Vertrauenstatbestand im Verhältnis zum vorläufigen Sachwalter zu erreichen, dass es nach einer Insolvenzeröffnung keine Anfechtung geben wird.
Der Autor:
Carsten Lange
Mediator/Wirtschaft Mediator (DAA)
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Tel: 0241/94621-138 (Sekretariat Frau Kalem)