Auswirkungen der US-Wahl auf deutsche Unternehmen
US-Rechtsanwalt Manny Schoenhuber spricht über die Relevanz der US-Präsidentschaftswahlen für deutsche Unternehmen.
Im Interview mit dem US-Rechtsanwalt Manny Schoenhuber sprechen wir über die Relevanz und Auswirkungen der US-Präsidentschaftswahlen für deutsche Unternehmen, die aus Deutschland exportieren oder den Markteintritt in die USA wagen.
1. Wirtschaftliche Lage für mittelständische Unternehmen in den USA
DMB: Wie ist die wirtschaftliche Lage zurzeit für mittelständische Unternehmen in den USA einzuschätzen?
Manny Schoenhuber: Ich würde die Gesamtsituation auch ein wenig durch die deutsche Brille sehen. Die wirtschaftliche Lage in den USA ist vergleichsweise positiv und sehr optimistisch, vor allem dadurch, dass die Zinswende jetzt auch hier in den USA eingeleitet wurde.
Es gibt viel zu tun, die Auftragslage ist hoch, aber man hat durchaus mit gewissen Herausforderungen zu kämpfen, die wir auch aus Deutschland oder Gesamteuropa kennen. Die Problematik qualifizierte Arbeitskräfte zu finden oder eben auch die Thematik rund um Lieferketten, die natürlich auch in den USA immer mehr zum Thema werden, vor allem wenn Strafzölle ins Gespräch kommen. Dennoch empfinde ich schon, dass die wirtschaftliche Lage positiv ist--vor allem für den Mittelstand.
2. Einfluss in der Vorwahlphase auf die Wirtschaft
Treten in der Phase vor der Wahl und bis zum Präsidentschaftsamtsantritt besondere wirtschaftliche Umstände auf? Inwiefern hat sich die Investitionsbereitschaft der deutschen Unternehmen in den USA im Hinblick auf die Unsicherheiten des Wahlausgangs verändert?
Normalerweise ist die Investitionsfreude in einem Wahljahr in den USA eher zurückhaltend. Wenn man sich die M&A-Transaktionen und allgemeinen Investitionen jedoch detailliert ansieht, sind diese in den USA nicht zurückgegangen oder haben sich nur geringfügig verändert. Dieses Jahr ist die Entwicklung schon in gewisser Weise überraschend, wenn auch in Betrachtung der weltwirtschaftlichen Gesamtlage nicht allzu sehr. Das lässt sich in gewisser Weise dadurch erklären, dass vor allem deutsche oder europäische Unternehmen, die Investitionen tätigen, schon sehr genau überlegen, wo diese Investitionen getätigt werden. Hier merkt man schon, dass vor allem die USA sehr attraktiv sind.
Aufgrund der Tatsache, dass die USA ein kapitalistischer, wirtschaftsfreundlicher Markt sind, darf man eben auch nicht vergessen, dass die Alternativen in gewisser Weise fehlen. Natürlich, die USA sind im Vergleich zu China oder Indien ein teurer Markt. Doch die Alternativen haben eben nicht die Rechtssicherheit oder den einfachen Zugang für Investitionsaktivitäten. Vor allem Rechtssicherheit spielt eine immer größere Rolle für viele meiner Mandanten—vor allem wenn es um Patentschutz geht.
Aus US-Sicht bzw. dann auch aus deutscher Sicht ist für mittelständische deutsche Unternehmen, die in den USA investieren, das wirtschaftliche Gesamtpaket äußerst positiv. Für viele meiner Mandaten ist es also relativ egal, ob es ein Wahljahr ist oder nicht.
3. Auswirkungen bei Wahlsieg der Demokraten
Mit welchen wirtschaftspolitischen Veränderungen können Unternehmen bei einem Wahlsieg der Demokraten mit der US-Präsidentschaftskandidatin Harris rechnen?
Für ein mittelständisches deutsches Unternehmen, das in den USA investiert, bestehen bei einem Wahlsieg der Demokraten grundsätzlich mehr Planungssicherheit. Aber eben auch ein höherer Arbeitnehmerschutz, welcher wiederum höhere Investitionen seitens der Unternehmen bedarf. Die Planbarkeit und die Planungssicherheit sind hier positive Kernelemente, die besonders aus der internationalen bzw. transatlantischen Perspektive hervorzuheben sind. Das sollte folglich deutschen Unternehmen im Mittelstand zusprechen.
Aus Arbeitgebersicht können zwar Investitionen besser geplant werden, aber darüber hinaus ergeben sich keine allzu großen Veränderungen. Für den Schutz der Arbeitnehmer würde sich bestimmt einiges ändern, dass jedoch auch die Kosten- und Steuerlast für Unternehmen in den USA erhöhen kann. Dies ist zurzeit ein viel diskutiertes Thema. Man darf aber auch die protektionistischen Maßnahmen der ersten Trump-Regierung nicht vergessen, welche die Biden Administration fortgeführt und zum Teil sogar ausgeweitet hat. Diese würden auch bei einer Harris-Regierung vermutlich nahtlos fortgesetzt und intensiviert.
Sind denn für manche Branchen, darunter im Bereich Energiewende und Nachhaltigkeit größere Unterschiede zu erwarten?
Ja, vor allem in der Energiebranche. Für das von Deutschland und Europa kritisch beäugte Subventionsprogramm „Inflation Reduction Act” gibt es eventuell Bedenken, dass dieses Programm im Rahmen einer neuen Harris- oder Trump-Regierung zurückgefahren wird.
Ich rate meinem Mandanten aber immer: Die Anreize, die auf politischer Ebene geschaffen werden, , egal ob das auf föderaler Ebene ist oder dann auf Ebene der einzelnen Bundesstaaten, sollten nie der hauptausschlaggebende Faktor für eine Investitionsentscheidung in den USA sein. Diese Incentives sollten immer nur ein „nice-to-have“ sein. Wenn ein Unternehmen davon profitieren kann, sollte man die Förderung auf jeden Fall mitnehmen. Aber der Incentive sollte nie der Hauptgrund sein, um in den USA zu investieren.
Viele meiner Mandanten, die eventuell schon über mehrere Monate oder Jahre hinweg über eine zusätzliche Investition in den USA nachgedacht haben, konnten durchaus vom „Inflation Reduction Act“ (IRA) profitieren. Für diese Unternehmen war der IRA ein guter Anreiz und incentivierte sie schlussendlich dazu, in den USA weiter zu investieren. Aber es ist ein Fehler zu sagen, wir wagen nur mit dem IRA oder anderen Förderprogrammen eine Investition in den USA. Das ist meiner Meinung nach riskant und die komplett falsche Herangehensweise.
Im selben Atemzug muss auch noch die Tatsache benannt werden, dass die Investitionsanreize und Fördermittel in den USA ja nicht nur auf föderaler Ebene beschlossen werden. Die wichtigste Entscheidung, die jedes mittelständische deutsche Unternehmen, das in die USA expandieren möchte, treffen muss, ist: In welchem Bundesstaat lassen wir uns nieder? Denn auf Ebene der einzelnen Bundesstaaten und sogar auf Ebene der einzelnen Städte und Gemeinden gibt es weitere attraktive Anreize. Diese sind für Unternehmen, die im US-Markt aktiv sind, noch viel wichtiger als ein föderales Paket.
4. Auswirkungen bei Wahlsieg der Republikaner
Wie wirkt sich dagegen ein Wahlsieg der Republikaner mit dem US-Präsidentschaftskandidaten Trump für die Unternehmen aus?
Für Unternehmen ist festzuhalten, dass republikanisch geführte Regierungen in den USA, egal ob mit einem Präsidenten Trump, Reagan oder Bush, traditionell immer arbeitgeberfreundlicher sind als Administrationen der Demokraten. Das liegt daran, dass der Fokus der Republikaner auf liberaler Wirtschaftspolitik oder dem „wahren Kapitalismus“ der USA liegt. Das sieht man auch an den einzelnen US-Bundesstaaten, die von Republikanern beziehungsweise republikanischen Gouverneuren regiert werden. Dazu gehört unter anderem eine geringere Steuerlast, die sich natürlich aus wirtschaftspolitischer Sicht fördernd auswirken kann.
Die Demokraten legen ihren Fokus viel mehr auf die Arbeitnehmer und eine Politik, die in gewisser Weise auch von Gewerkschaften beeinflusst wird. Die Republikaner hingegen fokussieren sich auf eine liberale Wirtschaftspolitik, Steuersenkungen und mehr Freiheiten für die Unternehmen.
5. Effekte und Relevanz der Präsidentschaftswahlen
Inwieweit haben die US-Präsidentschaftswahlen Auswirkungen für die Wirtschaft? Kann man die Relevanz mit deutschen Bundestagswahlen vergleichen oder welche Unterschiede sind festzustellen?
In den USA gibt es einen großen Unterschied im Vergleich zu Deutschland, der meines Erachtens in Deutschland oder auch innerhalb der EU zu wenig beäugt wird. Wir vergessen oftmals, dass das föderale System in den USA nicht 1-zu-1 mit dem föderalen System der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar ist. In den USA sind die einzelnen Bundesstaaten viel unabhängiger als das die Bundesländer in Deutschland sind. Im Weißen Haus wird Politik auf ganz großer, übergeordneter Ebene gemacht und der Einfluss auf die Bundesstaaten ist vergleichsweise gering. Wir haben bereits die Investitionsanreize und Förderprogramme angesprochen. Aber auch die Steuerpolitik unterscheidet sich sehr von Bundesstaat zu Bundesstaat. Texas oder Florida gestalten ihre Steuerpolitik anders als New York oder Kalifornien.
Wir müssen festhalten, dass im Weisen Haus die „große“ Politik in Form von Außen- und Verteidigungspolitik gemacht wird. Auf wirtschaftlicher Ebene sind es die Handels- und Finanzpolitik mit Auswirkung auf föderale Anreizprogramme, um Investitionen in den USA zu fördern. Meine Mandanten spüren, dass es aus wirtschaftlicher Sicht nur bedingt relevant ist, wer im Weißen Haus sitzt, solange sie auf lokaler Bundesstaatenebene die richtigen Entscheidungen treffen.
6. Empfehlung für US-Markteintritt von Unternehmen
Welche Empfehlung haben Sie für deutsche Unternehmen, die expandieren wollen?
Die großen Themen für deutsche Unternehmen, die in die USA exportieren, sind derzeit der Protektionismus, Strafzölle und Einfuhrbeschränkungen, welche man nicht unterschätzten sollte. Eine Empfehlung muss in der Folge aber nicht gleich heißen, die Produktion in die USA zu verlagern. Dennoch wickeln viele meiner Mandanten mittlerweile gewisse Produktionsschritte in den USA ab und importieren nicht einfach nur noch aus Deutschland. Es kann somit hilfreich sein, neben der traditionellen Vertriebsgesellschaft auch substanzielle Produktionsschritte in den USA zu etablieren—ohne einen vollständigen Exodus aus Deutschland und Europa.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schoenhuber!