02.03.2022Interview

„Die Nachbereitung der Messe nimmt einen hohen Stellenwert ein“

Messebudget, Standbau und Produktpräsentation dominieren klassischerweise die Messevorbereitung. Doch zu einer guten Planung gehört auch die Festlegung von Messezielen.

Messen sind für den Mittelstand nach wie vor das wichtigste Werkzeug zur Neukundengewinnung. Doch ein erfolgreicher Messeauftritt bedarf einer sorgfältigen Planung. Messetrainer Thomas Dehghan spricht hierzu im DMB-Interview über die Vor- und Nachbereitung einer Messe und wie man Erfolg greifbar machen kann. Außerdem ordnet er den Stellenwert der persönlichen Begegnung vor dem Hintergrund der Digitalisierung ein.

DMB: Herr Dehghan, bitte stellen Sie sich und Ihr Dienstleistungsangebot einmal vor.

Dehghan: Ich bin seit mittlerweile 22 Jahren im Vertrieb erklärungsbedürftiger Produkte unterwegs. Lange habe ich selbst auf Messen ausgestellt und solche Produkte und Dienstleistungen angeboten. 2016 habe ich mich schließlich selbstständig gemacht, um anhand meiner gesammelten Erfahrungen Unternehmen auf Messeteilnahmen vorzubereiten. Ziel dieser Vorbereitung ist es, das Maximum an Kontakten bzw.  qualifizierten Leads für die Unternehmen herauszuholen. Eine Messeteilnahme ist ja doch eine relativ hohe Investition im Marketingbudget vieler Mittelständler. Und für mich als Vertriebsleiter war es immer ein großer Schmerzpunkt, relativ viel Geld in die Hand zu nehmen, ohne das am Ende ein Erfolg aus der Investition abgeleitet werden konnte. Daher habe ich nach Lösungen gesucht, um Erfolg messbar zu machen. Das, was ich vorher als Angestellter in verschiedenen Unternehmen über mein Vertriebsbudget verantwortet habe, biete ich nun anderen Unternehmen als Hilfestellung an. So können die Unternehmen den Return on Investment (ROI) einer Messebeteiligung nachweisen und ihre Aktivitäten legitimieren.

Die Corona-Pandemie hat die Messeaktivitäten stark eingeschränkt. Viele mittelständische Unternehmen vermissen die Möglichkeit zur persönlichen Begegnung. Wie haben sich die Corona-Maßnahmen bisher auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Meiner Wahrnehmung nach haben sich die Messeteilnahmen ungefähr auf ein Viertel reduziert. Wenn vorher beispielsweise 100.000 Besucher vor Ort waren, haben wir aktuell nur circa 25.000 Besucher, die wir als potenzielle Zielgruppe ansprechen können. Für das Unternehmen hat sich also der Preis für einen qualifizierten Lead faktisch vervierfacht, da die Investitionskosten – abgesehen von einigen Subventionen – ungefähr gleichbleiben.

Unternehmen verfügen heute über ein Portfolio aus verschiedensten Marketinginstrumenten. Wie hat sich hierbei der Stellenwert des Instruments Messe entwickelt? Wie wichtig ist die persönliche Vernetzung im Zeitalter von digitalen Plattformen und digitaler Kommunikation?

Persönliche Begegnungen sind absolut wichtig. Gerade im Bereich der Investitionsgüter. Natürlich lassen sich verschiedene Spezifikationen eines Produkts über ein Datenblatt ablesen, dennoch möchten viele Einkäufer das Produkt live gesehen haben. Sie wollen physisch erleben, wie das Produkt funktioniert. Auch ist der Kontakt zu dem Unternehmen für den Vertrauensaufbau enorm wichtig. Letztlich wird ja nicht nur das Produkt gekauft, sondern auch die Sicherheit, dass man bei dem Unternehmen gut aufgehoben ist und im Problemfall einen vertrauenswürdigen und zuverlässigen Ansprechpartner hat. Im persönlichen Kontakt kann man sich von dem Unternehmen viel besser ein Bild machen und hinter die Kulissen schauen. So muss man sich nicht allein auf ein Telefonat oder eine schöne Website verlassen. Darüber hinaus hat man auf einer Messe den Vorteil, sich schnell und effizient an einem Ort viele Alternativen anschauen zu können. Das macht schließlich die Attraktivität der Messe aus. Viele Kunden teilen mir mit, dass sie diese Möglichkeiten vermissen. Sie möchten wieder mit Menschen in Kontakt kommen und sich über Produkte und Dienstleistungen austauschen. 

Eine Messebeteiligung sollte sorgfältig geplant sein. Was sind die wichtigsten Faktoren, über die man sich im Vorfeld einer Messe Gedanken machen sollte?

In einer Umfrage des Verbands der deutschen Messewirtschaft (AUMA) hat sich herausgestellt, dass einige Unternehmen mit überaus vielen Zielen auf die Messe gehen, diese aber nicht oder nur sehr unpräzise messbar machen. Deswegen ist meine Empfehlung, sich eingehend zu überlegen, welche die Top-3-Ziele sind, die man auf einer Messe als Unternehmen erreichen möchte und die man wirklich greifbar machen kann. Möchte ich meine Marke darstellen? Möchte ich mich in einer bestimmten Art und Weise positionieren? Wenn ja, wie kann ich diese Positionierung schließlich quantifizieren? Ist das möglicherweise eine bestimmte Anzahl an Terminen, die ich nach der Messe angehen möchte? Es ist also sehr ratsam, dass man sich schon im Vorfeld der Messe bewusst macht, was nach der Messe folgen soll. Die Nachbereitung der Messe nimmt ohnehin einen hohen Stellenwert ein.

Wie lässt sich der Erfolg einer Messeteilnahme evaluieren und beziffern?

Das ist genau der Kernpunkt. Erfolg lässt sich meiner Meinung nach gerade vertrieblich nur in Zahlen messen. Ein klassisches Beispiel ist die Zahl der Kontakte, die hergestellt wurden. Aus der Besucherfrequenz, der Anzahl der Stand-Mitarbeiter und der durch aktive Ansprache erreichten Kontakte kann man einen einfachen Index bilden. Auf dessen Basis lässt sich ein Teil des Erfolgs der Messe bewerten. Es gibt aber noch viele weitere Aspekte, die man quantifizierbar machen muss. Das fängt schon bei der Planung an. Wenn man sich Gedanken um das Kommunikationskonzept und den Standbau macht, sollte hier schon einfließen, was man damit letztlich quantitativ erreichen möchte. Von einer guten Unternehmenspräsentation lassen sich beispielsweise Folgegespräche, Produktdemonstrationen oder Anfragen ableiten und somit auch quantifizierbar machen.

Lassen sich auch qualitative Aspekte in Zahlen ausdrücken?

Auch ein qualitativer Erfolg – zum Beispiel ein Markenaufbau – muss in irgendeiner Weise quantifizierbar gemacht werden. Den Erfolg einer Markenbildung kann man zum Beispiel durch eine Befragung der Kunden und der Besucherschaft in Zahlen ausdrücken und messbar machen. Darüber hinaus sollte man den eigenen Messeauftritt auch qualitativ analysieren. In vielen Fällen werden die Kontakte auf den Messen über ein Formular festgehalten. Auf Basis dieser Kontaktbögen lassen sich Analysen darüber anstellen, welche Themen besonders interessant für die Besucher waren oder wie häufig bestimmte Fragen aufgekommen sind. Daraus ergeben sich manchmal ganz spannende Tendenzen, die man als Unternehmen so nicht auf dem Schirm hatte. Anhand dieser Erkenntnisse sollte man natürlich seine Präsentation und Kommunikation für die nächste Messe optimieren.

Welche Hilfestellungen können Unternehmen in diesem Zusammenhang von Ihrem Dienstleistungsangebot erwarten?

Ich biete Messetrainings an, die eine strategische Vorbereitung beinhalten. Dabei geht es weniger um den Standbau, sondern um die Planung darüber, was man auf der Messe wirklich vorhat. Leider vernachlässigen viele Verantwortliche diesen Punkt. Es wird viel darüber nachgedacht, wie der Stand aussehen soll, welche Produkte man vorstellen möchte und was man auf der Messe letztlich mitteilen will. Die andere Seite der Medaille ist aber eben, sich im Vorfeld im Klaren zu werden, welche Ziele man eigentlich erreichen möchte. Genau dafür biete ich diese Dienstleistung an, um gemeinsam mit den Unternehmen realistische Zielsetzungen zu formulieren. Es kann sehr problematisch sein, wenn Vertriebsmitarbeiter am Stand stehen und gar nicht so richtig wissen, wann sie Erfolg haben und einen guten Job gemacht haben und wann nicht. Daher müssen die festgelegten Ziele auch so kommuniziert werden, dass die Mitarbeiter diese für sich anerkennen können. Des Weiteren geht es bei meiner Dienstleistung darum, die Nachbereitung zu organisieren. Etwa, dass die neuen Kontakte zeitnah und erfolgreich weiterverfolgt werden und dazu ein Prozess eingeführt wird, der dies gewährleistet.

Wie wird sich das Messewesen nach der Corona-Pandemie entwickeln? Was ist Ihre Prognose? Und wie blicken Sie auf das Messejahr 2022?

Eine Prognose ist natürlich sehr schwierig. Ich bin zuversichtlich, dass aufgrund der gegenwärtigen Impf- und Testsituation die Möglichkeit bestehen wird, Messen wieder mit größeren Besucherzahlen stattfinden zu lassen. Natürlich hat sich bei den Menschen auch psychologisch einiges verändert. Ich glaube aber, dass die Präsenzmesse weiterhin eine große Bedeutung haben wird. Da wo es möglich ist, werden sicherlich auch künftig digitale Kanäle benutzt oder deren Nutzung noch intensiviert werden. Gleichzeitig hat der Mensch aber den Wunsch nach persönlichen Zusammenkünften. Sollte das wieder möglich sein, werden die physischen Messen wieder in einem ähnlichen Format wie vor der Pandemie stattfinden.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Thomas Dehghan hat 2018 das Buch „Der Messecoach“ veröffentlicht. Das Buch liefert die wichtigsten Informationen und Grundlagen für eine erfolgreiche Messeteilnahme und ist im Springer Gabler Verlag erschienen.

 

Dieses Interview ist Teil von Mittelstand Wissen zum Thema Messen & Internationale Geschäftsanbahnung

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