19.11.2019Fachbeitrag

Grundlagen der Vertragsgestaltung in den Niederlanden

Niederländisches und deutsches Recht sind sich oft ähnlich, da für einige Angelegenheiten inzwischen europäische Richtlinien gelten.


Welche Unterschiede gibt es im Vergleich zu Deutschland?

Wenn ein deutsches Unternehmen mit einem Geschäftspartner in den Niederlanden Verträge abschließt, dann ist, wenn nichts anderes vereinbart wird, niederländisches oder deutsches Recht auf den Vertrag anwendbar. Niederländisches und deutsches Recht sind auf vielen Ebenen ähnlich, da für bestimmte Angelegenheiten inzwischen europäische Richtlinien gelten. Allerdings ist die Auswirkung der Richtlinien in beiden Ländern regelmäßig unterschiedlich, sodass dies für Streitigkeiten bei Verträgen große Folgen haben kann.  


Gerichtsstand und anwendbares Recht

Nach niederländischem Recht kann man den Gerichtsstand und auch das anwendbare Recht vertraglich festlegen. Bei Vertragsschluss zwischen einer niederländischen und einer deutschen Partei, wird die vertragliche Wahl des Gerichtsstands aktuell anhand der EU Verordnung 1215/2012 (EUGVVO) geprüft. Ist der Gerichtsstand nicht vertraglich festgelegt, dann muss der Gerichtsstand anhand der EUGVVO festgestellt werden.

Es ist sinnvoll, den Gerichtsstand vertraglich festzulegen. Man vermeidet damit, unerwartet in einem anderen Land ein Gerichtsverfahren führen zu müssen. Zudem entscheidet das zuständige Gericht nach seinen eigenen Gesetzen, welches Recht auf den Vertrag anwendbar ist. Durch den Gerichtstand vertraglich festzulegen, und sich vorab über die Gesetze des betreffenden Gerichts zu informieren, können unangenehme Überraschungen bezüglich des anwendbaren Rechts vermieden werden.

Auch das anwendbare Recht kann vertraglich festgelegt werden. Bei den meisten deutsch-niederländischen Vertragsverhältnissen, wird das anwendbare Recht, inklusive einer Rechtswahl, anhand der EU Verordnung 593/2008 (ROM I) beurteilt. Das anwendbare Recht vertraglich festzulegen, ist (selbstverständlich) sinnvoll, da man damit unerwartete, bzw. unerwünschte Rechtsfolgen vermeiden kann. 


Vertragsschluss

Verträge können nach niederländischem Recht im Grunde genommen formlos geschlossen werden. Dies bedeutet, dass Verträge meistens sowohl schriftlich als auch mündlich geschlossen werden können. Ein mündlich abgeschlossener Vertrag ist schwieriger nachzuweisen.

Verträge können sowohl mit Privatpersonen als auch mit juristischen Personen geschlossen werden. Eine juristische Person muss dabei von einem Geschäftsführer (oder Bevollmächtigten) vertreten werden. Die Unterschrift des Geschäftsführers gilt als Unterschrift der juristischen Person. Im niederländischen Handelsregister kann geprüft werden, welche Personen berechtigt sind, die juristische Person zu vertreten. Als Vertragspartner, kann man davon ausgehen, dass die Daten im Handelsregister korrekt sind. 

Ist eine juristische Person Vertragspartner, dann ist diese Person bei vertraglichen Problemen die haftbar zu machende Person. Lediglich wenn dem Geschäftsführer persönlich ein gravierender Vorwurf gemacht werden kann, können Ansprüche aus dem Vertrag mit der juristischen Person gegen den Geschäftsführer selbst geltend gemacht werden.

Sind Vertragsverhandlungen so weit durchgeführt, dass Parteien nicht mehr unverbindlich zueinander stehen, aber formell noch kein Vertrag zustande gekommen ist, dann kann es unerlaubt sein, die Verhandlungen zu beenden. Die zurückziehende Partei ist in dem Fall verpflichtet, den entstandenen Schaden zu erstatten.


Inhalt von Verträgen 

Die Parteien können größtenteils selbst den Inhalt des Vertrages bestimmen. Manche Vertragsformen, wie z.B. Kauf-, Arbeits-, Agentur- oder Distributionsverträge, sind gesetzlich geregelt. Dabei gelten regelmäßig, z.B. bei Arbeits- und Kaufverträgen, zwingendrechtliche Regeln, von denen nicht abgewichen werden kann. Des Weiteren regelt das niederländische Recht die Gültigkeit von u.a. Rücktritts-, aufschiebende und Geldsanktionsbedingungen.  

Bei der (gerichtlichen) Beurteilung eines Vertragsverhältnisses, wird immer berücksichtigt, ob die Rechtsfolgen angemessen sind. Streiten die Parteien, über den Inhalt eines Vertrages, dann ist entscheidend, was die Parteien aufgrund der vorliegenden Umstände billigerweise aus der Verhaltensweise voneinander erwarten durften. Dabei ist die wörtliche Bedeutung der vertraglichen Bedingungen wichtig, aber nicht ausschlaggebend, sodass in einem gerichtlichen Verfahren regelmäßig Spielraum für Diskussion über die Bedeutung von vertraglichen Bedingungen besteht.


Allgemeine Vertragsbedingungen

Allgemeine Vertragsbedingungen können nach niederländischem Recht Teil des Vertrages werden. Die Vertragsparteien müssen vereinbaren, dass die Bedingungen auf den Vertrag anwendbar sind. Dies kann entweder stattfinden, indem in einem Angebot die allgemeinen Geschäftsbedingungen für anwendbar erklärt werden, wobei die andere Vertragspartei dieses Angebot ohne weiteres akzeptiert, oder indem dies in dem Vertrag festgelegt wird. Die AGB nach Vertragsschluss, z.B. bei Abrechnung, für anwendbar zu erklären, ist somit zu spät.

Der Verwender der AGB muss der Vertragspartei vor oder während des Vertragsschlusses die Möglichkeit bieten, von den AGB Kenntnis zu nehmen. Dies kann auf folgende Art und Weise geschehen:

  1. Die AGB werden vor oder während Vertragsschluss der Vertragspartei vorgelegt;
  2. Ist die Übergabe der AGB nicht möglich, kann der Vertragspartei bei Vertragsschluss mitgeteilt werden, dass die AGB anwendbar sind, und dass diese eingesehen werden können;
  3. Wird der Vertrag elektronisch geschlossen, dann müssen die AGB zur Verfügung gestellt werden und von der Vertragspartei einfach auf einem eigenen Datenträger zu speichern sein.   

Wenn der Anwender der AGB seiner Informationspflicht nicht nachkommt, können Privatpersonen und kleine Firmen die AGB erfolgreich anfechten, was zur Nichtigkeit der AGB führt. Wenn man seine AGB auf einen Vertrag anwendbar machen möchte, muss man somit darauf achten, dass die AGB vor oder während des Vertragsschlusses anwendbar erklärt werden, und dass die Vertragspartei die AGB zur Kenntnis nehmen kann.

Erklären beide Vertragsparteien ihre AGB auf den Vertrag anwendbar (sog. „battle of forms“), dann “gewinnt” die Partei, die als erste ihre AGB anwendbar erklärt hat. Dies ist lediglich anders, wenn bei der zweiten Anwendbarkeitserklärung, die Anwendbarkeit der AGB der anderen Partei ausdrücklich abgelehnt wird. Meistens reicht eine entsprechende allgemeine Formulierung nicht aus. Inwiefern die Ablehnung “ausdrücklich” erfolgt ist, muss nach allen relevanten Umständen beurteilt werden.     


Nichterfüllung des Vertrages

Erfüllt eine Partei ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht, dann hat man als Gläubiger nach niederländischem Recht grundsätzlich drei mögliche Ansprüche:

  1. Nachbesserung: z.B. Nachlieferung, Reparatur, Ersatzlieferung
  2. Schadensersatz
  3. Rücktritt

Erfüllt eine Partei ihre Vertragsverpflichtungen nicht, dann kann die andere Partei ohne weiteres Nachbesserung verlangen. Lediglich wenn dies aufgrund der Umstände nicht zugemutet werden kann, darf Nachbesserung verweigert werden. Stattdessen kann dann (teilweise) vom Vertrag zurückgetreten und/oder Schadensersatz verlangt werden.

Um Schadensersatz geltend machen zu können, muss die andere Partei in Verzug sein. Eine Partei gerät unter anderem in Verzug, wenn Nachbesserung nicht möglich ist, nicht innerhalb einer angemessenen gesetzten Frist nachgebessert wird oder Nachbesserung verweigert wird. Des Weiteren muss die Vertragsverletzung zuzurechnen sein. Eine Schadensersatzforderung kann mit einer Nachbesserungs- oder Rücktrittsforderung kombiniert werden.

Für den Rücktritt ist ebenfalls Verzug von der anderen Partei erforderlich. Um vom gesamten Vertrag zurückzutreten, muss die Vertragsverletzung zudem gravierend genug sein. Ist dies nicht der Fall, dann ist ein Rücktritt nicht, bzw. lediglich teilweise, möglich.

Nach niederländischem Recht ist es vertraglich (im Vertrag oder in den AGB) möglich, Haftung bei Vertragsverletzung auszuschließen. Die Haftung für vorsätzliches Handeln kann nicht ausgeschlossen werden. Zudem wird die Gültigkeit des Haftungsausschlusses im Rahmen der gesamten Vertragsbedingungen betrachtet. Allgemeine Haftungsausschlussbedingungen sind regelmäßig zu allumfassend formuliert, sodass diese nicht rechtsgültig sind. Demnach ist es meistens sinnvoll, eine Haftungsausschlussbedingung so konkret wie möglich zu formulieren.  

Schließt man Verträge mit Verbrauchern, dann kann die Haftung bei Vertragsverletzung nicht ausgeschlossen werden. Es ist somit empfehlenswert, genau zu überprüfen, in welcher Beschaffenheit die Vertragspartei den Vertrag schließt.


 

Teil V der Beitragsserie "Markteinstieg in den Niederlanden"

 

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