18.07.2016Fachbeitrag

Internationales Wettbewerbsrecht:
Niederlande: Wettbewerbsverstöße kommen Sie teu(r)er zu stehen

Rechtskommentar:

Vom Startup bis zum Marktführer: Alle auf dem niederländischen Markt aktiven Unternehmen sowie deren Führungskräfte kommen mit dem Wettbewerbsrecht in Berührung. Bei einem Verstoß besteht immer die Gefahr eines erheblichen Bußgeldes oder einer anderen Sanktion. Nun hat eine Gesetzesänderung zur Folge, dass die Bußgelder ab dem 1. Juli 2016 bis zu 7,2 Millionen Euro oder aber 80% des globalen Jahresumsatzes betragen können. Diese Veränderung sollte buchstäblich einkalkuliert werden.

Beispiele für Verstöße

Das (europäische) Wettbewerbsrecht verbietet allerlei Verhaltensweisen, die einen gesunden Wettbewerb stören könnten. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen über Preise, Produktion oder Marktverteilung und der Austausch von (wettbewerbsrelevanten) Informationen über Preise oder Kunden sind grundsätzlich verboten. Das Gleiche gilt für den Missbrauch einer wirtschaftlichen Machtposition. Außerdem bestimmen die Wettbewerbsvorschriften unter anderem, welche Absprachen im Hinblick auf Exklusiv- und Selektivvertrieb, Preise (einschließlich Margen und Rabatten), Marketing, Wettbewerbsverbote sowie Verkauf über das Internet getroffen werden dürfen. Auf dem Gebiet von Zusammenarbeit und Kooperation können Zusammenschlüsse, Übernahmen und bestimmte Arten von Joint Ventures unter die Fusionskontrolle fallen, wenn sie einen bestimmten Umfang haben.

Aufsichtsorgane der Europäischen Kommission und der niederländischen Wettbewerbsbehörde ACM (Autoriteit Consument en Markt) überwachen den lauteren Wettbewerb und das effektive Funktionieren der Marktkräfte auf dem europäischen und niederländischen Markt. Zwecks Aufrechterhaltung der Vorschriften stehen ihnen unterschiedliche Befugnisse zu. Sie können beispielsweise unangekündigte Wohnungsbesuche oder -durchsuchungen vornehmen sowie bei Verstößen hohe Bußgelder auferlegen.

Welche Veränderungen birgt der Gesetzentwurf?


Kurz vor Weihnachten 2015 wurde ein Gesetzentwurf verabschiedet, der zu einer erheblichen Anhebung der gesetzlichen Bußgeldgrenzen führt, die Unternehmen oder ihren Führungskräften durch die ACM auferlegt werden können. Die Bußgelder müssen eine abschreckendere Wirkung haben, so der Hintergrundgedanke.

Die heutigen Bußgeldgrundsätze enthalten einen „absoluten“ und einen "relativen" Bußgeldhöchstsatz. Der absolute Bußgeldhöchstsatz, der Unternehmen oder Personen, die bei dem Verstoß die Leitung innehatten, durch die ACM auferlegt werden kann, beträgt nun 450.000 Euro. Der relative Bußgeldhöchstsatz, den die ACM gegen ein Unternehmen wegen eines schwerwiegenden Verstoßes verhängen kann, beträgt 10% des Jahresumsatzes dieses Unternehmens. Berücksichtigt wird dabei der Umsatz des gesamten Konzerns. Auferlegt wird jeweils der höhere dieser beiden Höchstsätze.

Die Gesetzesänderung tritt am 1. Juli 2016 in Kraft und enthält drei wichtige Folgen für die Bußgelder. Erstens wird der absolute Bußgeldhöchstsatz für Unternehmen und Führungskräfte auf 900.000 Euro angehoben und damit sozusagen verdoppelt.

Zweitens ändert sich der relative Bußgeldhöchstsatz zwar nicht, aber infolge der Dauer eines Verstoßes oder einer Wiederholung kann er in der Praxis erheblich höher ausfallen. Denn die Bußgeldhöchstsätze für Kartellverstöße hängen künftig von der Dauer des Verstoßes ab. Im Grunde wird der Höchstsatz mit der Anzahl von Jahren (bis zu 4 Jahre), die das Kartell angedauert hat, multipliziert. Damit wird ein Bußgeld von 40% des Jahresumsatzes ermöglicht, oder aber 3,6 Millionen Euro (vier Mal 900.000 Euro), sollte dieser Betrag höher sein.

Drittens enthält das neue Gesetz Vorschriften für Wiederholungsfälle. Im Grundsatz bedeutet dies, dass Bußgeldhöchstsätze verdoppelt werden können, wenn gegen ein Unternehmen in den fünf Jahren vor einem (neuen) Verstoß für einen selben oder ähnlichen Verstoß bereits ein Bußgeld verhängt wurde. Schlimmstenfalls, wenn ein Unternehmen länger als vier Jahre an einem Kartell beteiligt ist und in den fünf vorangegangenen Jahren ebenfalls an einem anderen Kartell beteiligt war, können die Bußgelder theoretisch auf bis zu 80% des Jahresumsatzes ansteigen, oder aber 7,2 Millionen Euro (acht Mal 900.000 Euro) betragen, falls dieser Betrag höher sein sollte.

Die Folgen

Obwohl die Bußgeldhöchstsätze steigen, wird dies aller Erwartung nach nicht sofort zu einer Auferlegung höherer Bußgelder durch die ACM führen. Die Vorgehensweise der Bußgeldberechnung der ACM ändert sich nämlich nicht. Die ACM beachtet in dem Zusammenhang den betroffenen Umsatz, die Ernsthaftigkeit und die Dauer des Verstoßes. Außerdem gilt die Verhältnismäßigkeit des Bußgeldes als Ausgangspunkt. Damit hat die Gesetzesänderung vor allem Folgen für "Wiederholungstäter" und Unternehmen, die ab dem 1. Juli 2016 an dauerhaften Verstößen teilnehmen.

Aus europäischer Perspektive ist die Anhebung der Bußgeldhöchstsätze auffällig. Die Europäische Kommission und nahezu jede andere nationale Wettbewerbsbehörde verhängen nämlich Bußgelder von bis zu höchstens 10% des jährlichen Konzernumsatzes. Sie stellen dadurch die Verhältnismäßigkeit der Bußgelder sicher. Die niederländische Gesetzesänderung stellt damit also eine Gegenstimme gegen den europäischen Drang nach einer Vereinheitlichung der nationalen Rechtssysteme dar.

Autorin:
Anniek van Diggele | Advocaat

KienhuisHoving, Enschede/Niederlande
www.kienhuishoving.de

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