27.05.2024Hintergrund

KMU-Test und Bürokratieabbau

Europawahl 2024: Der DMB fragt, die Parteien antworten.

Anlässlich der Europawahl am 09. Juni 2024 hat der DMB den aus Sicht des Mittelstandes relevanten Parteien Fragen zu den Herausforderungen des Mittelstandes gestellt. Die Antworten geben Aufschluss über die geplante europäische Mittelstandspolitik der Parteien.

Bürokratische Hürden sind eine große Herausforderung für KMU. Diese Frage soll klären, ob Parteien einen speziellen KMU-Test einführen möchten, um die Auswirkungen neuer Gesetze auf kleine und mittlere Unternehmen zu überprüfen und welche weiteren Maßnahmen zur Reduzierung der Bürokratie geplant sind.

Planen Sie die Einführung eines KMU-Tests, der vor neuen Gesetzesvorhaben die spezifische Belastung und Berichtspflichten für KMU überprüft? [Ja/Nein] Welche weiteren Maßnahmen planen Sie zur Senkung der Bürokratiebelastung für mittelständische Unternehmen?

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Ja: CDU und CSU wollen die Überregulierung der Wirtschaft durch einen sofortigen Belastungsstopp für neue und laufende EU-Initiativen beenden. Die komplexe EU Gesetzgebung wollen wir konsolidieren, die Berichtspflichten für Unternehmen zusammenfassen und überflüssige EU-Regeln abschaffen. Der Europäische Mittelstandsbeauftragte soll künftig auch bei allen Gesetzgebungsverfahren beteiligt werden und die Anwendung der KMU-Tests zwingend prüfen. Zudem wollen wir einen unabhängigen europäischen Normenkontrollrat schaffen, der die Bürokratiekosten misst und die Erfahrung in den Mitgliedstaaten mit der Anwendung des EU-Rechts berücksichtigt. Wir wollen das "1 in, 2 out"-Prinzip durchsetzen – für jede neue belastende Regelung müssen zwei alte abgeschafft werden – und so Bürokratie spürbar abbauen. Wir brauchen einen EU-Wettbewerbsfähigkeits-Check und einen Aktionsplan zur Reduzierung der regulatorischen Belastung. Wir treten für eine Überprüfung der Taxonomie und des Green Deals auf Praxistauglichkeit und auch im Hinblick auf den internationalen Wettbewerb ein. Hierzu wollen wir eine Erfolgs- und Effizienzkontrolle durchführen.

 

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Nein. Unser Ziel ist es, in Europa keine Mehrfachbelastungen für kleine und mittlere Unternehmen zu schaffen, sondern notwendige Maßnahmen so bürokratiearm wie nur möglich umzusetzen. So hat sich die SPD beispielsweise bei der europäischen Lieferkettenregelung dafür eingesetzt, dass die zum Teil übliche Praxis der Weitergabe von Rechenschaftspflichten – der Versuch einer Verantwortungsverschiebung – an kleinere Unternehmen, so nicht weiter stattfinden soll. Darüber hinaus kann Digitalisierung eine riesige Chance sein, um notwendige Berichte zu vereinfachen und zu flexibilisieren. Viele auch kleine und mittlere Unternehmen sind hier bereits Vorreiter. Das müssen wir in der kommenden Legislatur noch stärker mitdenken als bisher.

 

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Ja. KMU werden besonders durch neue bürokratische Anforderungen belastet. Wir setzen uns für eine konsequente Prüfung der Auswirkungen neuer Gesetze auf KMU sowie für angemessene Ausnahmen und Übergangsfristen ein und unterstützen bei der Umstellung. Auch für existierende Gesetzgebung fordern wir eine regelmäßige Überprüfung, um Bürokratie abzubauen und Vorschriften, die ihr Ziel verfehlen, zu streichen. Beim Zugang zu EU-Investitions- und Förderprogrammen streben wir an, Antragsverfahren zu beschleunigen und Berichtspflichten zu reduzieren, und KMU-Teilhabe durch KMU-Quoten zu garantieren. Auch durch die Digitalisierung der Verwaltung können viele Behördengänge entfallen. Durch eine stärkere Vernetzung von europäischen und nationalen Behörden soll zudem das Once-Only-Prinzip eingeführt werden, damit relevante Daten künftig nur noch einmal bei Unternehmen abgefragt werden.

 

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Ja. Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass die mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmer in Europa faire Chancen erhalten, sich im Wettbewerb durchzusetzen. Wir fordern daher, dass jedes Gesetzgebungsverfahren zukünftig einen KMU-Test durchläuft, der die potentiellen Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen kritisch durchleuchtet. Sich überschneidende Berichtspflichten, die aus einem regelrechten Regulierungsdickicht resultieren, belasten Unternehmen unnötig. Wir fordern deshalb zudem einen systematischen Berichtspflichten-Check durch die EU-Kommission, um doppelte Berichtspflichten zu identifizieren und zusammenzuführen oder abzuschaffen. Ein einheitliches digitales Meldeportal soll Unternehmen relevante Informationen gebündelt bereitstellen und eine unkomplizierte zentrale Einreichung von Berichten ermöglichen. Eine Übererfüllung von EU-Anforderungen („Gold Plating“) lehnen wir ebenso ab wie die unverhältnismäßigen Belastungen für den Mittelstand durch die EU-Lieferkettenrichtlinie. Gesetze und Verordnungen sollen zudem, wo möglich, mit einem konkreten Ablaufdatum („Sunset-Klausel“) beschlossen werden. Siehe hierzu auch Antwort auf Frage 1.

 

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a. Weniger Gesetze aus EU und Bundestag

b. Bei neuen Gesetzen ausreichend Vorlauf für die Anhörungen, damit die Mittelstandsverbände ihre Mitglieder einbeziehen können

c. neue bürokratische Verpflichtungen durch Wegfall alter mindestens kompensieren

d. Nicht zwingend erforderliche Berichts- und Dokumentationsplichten sollen entfallen; bei Kleinunternehmen sollen nur noch rudimentäre Abfragen erfolgen

 

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Auf EU-Ebene wird seit Jahren angekündigt, KMU durch Bürokratieabbau zu entlasten, doch zugleich werden bei neuen Gesetzesvorhaben und Förderprogrammen wie beispielsweise im Rahmen des Green Deal viele neue Berichtspflichten und bürokratische Auflagen eingeführt. Das von der EU-Kommission im September 2023 vorgelegte Entlastungspaket enthält einige sinnvolle Vorschläge, greift an anderen Stellen zu kurz und ist in Teilen sogar problematisch. Grundsätzlich befürworten wir, das Gesetzesvorhaben vorab auf ihre Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Der KMU-Test, so wie ihn die Kommission einrichten will, muss aber überarbeitet werden. Bürokratieabbau ist eine zentrale Forderung des BSW, denn vor allem kleine und mittlere Unternehmen ohne spezialisierte Rechtsabteilungen ächzen unter dem wachsenden Regulierungsdickicht von EU-Regulierungen und nationalen Umsetzungsvorschriften. Berichtspflichten müssen auf Wirksamkeit und Notwendigkeit geprüft und Förderrichtlinien und Vergabekriterien vereinfacht werden, um den Bürokratieaufwand zu reduzieren. Sinnvoll wären einheitliche digitale Berichts-Tools, um die Vielzahl ähnlicher Einzelberichte zu ersetzen. Wichtig ist uns dabei, dass es in dem Zug nicht zur Aushöhlung von politisch sinnvollen Lenkungswirkungen kommt; d.h. dass zum Beispiel wirtschafts- und sozialpolitische oder ökologische Förder- oder Vergabekriterien zwar vereinfacht, zugleich aber Standardabsenkungen ausgeschlossen werden.

Um KMU besser am öffentlichen Auftragswesen teilhaben zu lassen, schlägt die Kommission standardisierte Vorschriften und Verfahren vor. Das ist zwar richtig, greift aber zu kurz: Das BSW fordert darüber hinaus eine grundlegende Reform des Vergaberechts (siehe auch Frage 6), um die Gestaltungsspielräume für öffentliche Auftraggeber zu vergrößern. Notwendig ist eine allgemeine Erhöhung der Schwellenwerte, ab denen eine EU-weite Ausschreibung zu erfolgen hat, damit mehr Aufträge an örtliche Anbieter vergeben und soziale, ökologische und wirtschaftspolitische Vergabekriterien definiert werden können – zur Stärkung lokaler Wirtschaftskreisläufe und Förderung von KMU.

 

 

 

Dieser Wahlprüfstein ist Teil von insgesamt acht Wahlprüfsteinen zur Europawahl 2024.

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