Neue EU-Ratspräsidentschaft sollte Bürokratieabbau vorantreiben
Was kann der deutsche Mittelstand von der polnischen Ratspräsidentschaft in den nächsten 6 Monaten erwarten?
Zum Jahreswechsel hat Polen turnusgemäß den Vorsitz im Rat der EU übernommen. Zwar ist die EU-Ratspräsidentschaft nicht mit einer alleinigen Entscheidungshoheit in der EU-Politik verbunden, dennoch fällt dem EU-Mitgliedsstaat für das kommende Halbjahr eine Sonderrolle zu: Er soll Beratungen zu EU-Rechtsvorschriften voranbringen und kann dabei inhaltliche Schwerpunkte setzen. Einige der geplanten Schwerpunkte wecken besonders in der wirtschaftlich angespannten Lage Hoffnungen beim deutschen Mittelstand, kommentiert Patrick Schönowski, DMB-Referent für Digitalisierung und Internationalisierung.
Besonderer Zeitpunkt der Ratspräsidentschaft
Polens Ratspräsidentschaft fällt in einem politisch wichtigen Zeitraum. Nach der letzten Ungarn-zentrierten Ratspräsidentschaft braucht es nun umso mehr einen gemeinschaftlich denkenden und wirkenden Vorsitz. Zudem steht die erste Präsidentschaft nach Amtsantritt der neuen EU-Kommission unter besonderer Beobachtung, da damit richtungsweisend die Umsetzung der neuen Kommissionspolitik und des versprochenen Bürokratieabbaus erwartet wird. Der Amtsantritt von Trump als US-Präsident und die anhaltende Bedrohung von russischen Angriffen verstärkt vor allem die außenpolitische Relevanz. Folglich ist es nachvollziehbar und wichtig, dass das Kernthema der polnischen Ratspräsidentschaft „Sicherheit“ sein soll. Das betrifft mitunter auch den Mittelstand, indem die Resilienz in den Energie-, Gesundheits- und Logistiksektoren verstärkt wird.
Abbau von Bürokratie als Zielsetzung
Aber es sind ebenfalls rein wirtschaftspolitische Schwerpunkte geplant: EU-weit agierende Unternehmen dürften es positiv wahrnehmen, wenn Hindernisse bei grenzüberschreitender Tätigkeit im europäischen Binnenmarkt beseitigt werden. Um welche Hindernisse im Dienstleistungssektor es sich dabei konkret handeln soll, wird andererseits nicht benannt. Von den Initiativen zur Verbesserung des öffentlichen EU-Beschaffungswesens und der Verbesserung des Zugangs von Privatkapital für Unternehmen können deutsche KMU auch profitieren.
Des Weiteren darf der deutsche Mittelstand hoffen, dass der Abbau von bürokratischen Lasten tatsächlich Realität wird. Immerhin hat sich das der polnische Ratsvorsitz vorgenommen und schließt sich damit den angekündigten Vorhaben der EU-Kommission an. Die neue Ratspräsidentschaft möchte Berichtspflichten und Anforderungen mit übermäßigen Belastungen reduzieren sowie eine erweiterte Gesetzesfolgenabschätzung diskutieren. In dem Kontext sollen die Regelungen zur Energie- und Klimapolitik flexibilisiert werden. Inwieweit dabei eine Umstellung auf Belohnungen und Anreize statt sanktionsbasierter Verpflichtungen erfolgt, bleibt abzuwarten.
Digitalisierung nur Hintergrundthema
Ein Thema wird allerdings momentan vermisst: Im Digitalisierungsbereich sind keine besonderen Ankündigungen und damit keine größeren Entwicklungen zu erwarten. Zwar wird im Kontext zur Bekämpfung von Desinformation die Stärkung digitaler Dienste erwähnt und der digitale Wandel des Gesundheits- und Justizwesens anvisiert. Außerdem sollen bestehende Vorhaben, wie die Einführung des digitalen Euros und die KI-Förderung mit Kompetenzzentren, weiter vertieft werden. Abseits dessen sind jedoch keine innovativen Vorhaben oder relevante Digitalisierungsmaßnahmen für Unternehmen ersichtlich. Damit die nächsten Monate nicht verloren gehen, sollte die Thematik deshalb von Seiten der Kommission intensiver begleitet werden.
Andere Akteure in der Pflicht
Abschließend ist festzuhalten, dass die EU-Gesetzgebung aktiv von allen EU-Mitgliedsstaaten gestaltet wird, weshalb die Mittel des Ratsvorsitzes beschränkt sind. In der Vergangenheit hat sich nämlich oftmals gezeigt, dass es an der realen Gestaltung mit den anderen Akteuren scheitert. Zumindest ist die Schwerpunktsetzung in großen Teilen hoffnungsvoll für den deutschen Mittelstand.
An dieser Stelle muss sich ebenfalls die neue EU-Kommission beweisen und aufzeigen, ob sie ihre Versprechungen zum Bürokratieabbau erfüllen kann. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass es seitens der EU-Ratspräsidentschaft an Motivation fehlt. Weiterhin steht auch Deutschland in der Verantwortung, den deutschen Mittelstand auf europäischer Ebene zu vertreten. Nach der Bundestagswahl sollte sich deshalb schnellstmöglich eine neue Bundesregierung formieren und sich in der EU für die Interessen von KMU stark machen.