11.08.2016Fachbeitrag

Auch Geschäftsführer ausländischer Gesellschaften können persönlich nach deutschem Insolvenzrecht haften

Rechtskommentar:

 

ln den letzten Jahren haben sich im Zuge der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit viele Gesellschaften in ausländischer Rechtsform in Deutschland angesiedelt. Auch die grenzüberschreitende Sitzverlegung eines ausländischen Unternehmens nach Deutschland ist kein Problem mehr.

Zudem ergab sich ein Trend in der deutschen Unternehmerschaft, Gesellschaften in England (vornehmlich in Form der sog. Limited) zu gründen, um anschließend deren tatsächliche Geschäftstätigkeit nach Deutschland zu verlegen. Gründe für ein solches Vorgehen waren die vermeintlich einfache und kostengünstige Gesellschaftsgründung nach englischem Recht und das niedrigere Mindestkapital im Vergleich zu einer deutschen GmbH. Hinzu kamen die deutlich weniger strengen Haftungsvorschriften für Geschäftsführer nach englischem Recht im Falle einer lnsolvenz der Limited.

Nachdem der deutsche Gesetzgeber zwischenzeitlich durch die Einführung der sogenannten "Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)" die Möglichkeit zur Gründung einer Kapitalgesellschaft ohne Mindestkapital geschaffen hat, ist nunmehr auch das Argument der geringeren Haftung von Geschäftsführern im lnsolvenzfall weitestgehend entfallen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nämlich in einem Urteil vom 15.03.2016 (Az. II ZR 199/14) entschieden, dass der Direktor einer englischen Limited, über deren Vermögen in Deutschland das lnsolvenzverfahren eröffnet wurde, nach § 64 GmbHG persönlich für alle Zahlungen haftet, die er nach Eintritt der lnsolvenzreife noch veranlasst hat. Gleiches dürfte demgemäß auch für Geschäftsführer anderer ausländischer Gesellschaften gelten, die ihre Geschäftstätigkeit in Deutschland entfalten.

Vor dem Hintergrund, dass das lnsolvenzverfahren über das Vermögen einer ausländischen Gesellschaft dem deutschen lnsolvenzrecht untersteht, wenn der Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit in Deutschland liegt, hatte der BGH darüber zu befinden, ob die Geschäftsführerhaftung nach § 64 GmbHG im Falle der lnsolvenz dem Gesellschaftsrecht (dann Haftung nein, da insoweit ausländisches Recht gilt) oder dem lnsolvenzrecht (dann Haftung ja, da deutsches Recht gilt) zuzuordnen ist. Ungeachtet der systematischen Stellung der Haftungsregelung im GmbH-Gesetz urteilte der BGH, dass es sich der Sache nach um eine insolvenzrechtliche und nicht um eine gesellschaftsrechtliche Vorschrift handele. Dass eine Anwendung der Vorschrift auf eine englische Limited zu einer Beschränkung der europarechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit führe, konnte der BGH nicht feststellen. Der EuGH hatte diese Rechtsauffassungen bereits zuvor in entsprechenden Vorlageverfahren abgesegnet.

lm Ergebnis ist festzuhalten, dass der Direktor einer englischen Limited oder jeden anderen ausländischen Gesellschaft mit Verwaltungssitz und wirtschaftlichem Schwerpunkt in Deutschland im Falle einer Insolvenzverschleppung wie der Geschäftsführer einer deutschen GmbH persönlich für alle Zahlungen haftet, die er nach Eintritt der lnsolvenzreife noch an Gläubiger der Gesellschaft geleistet hat. Auch Geschäftsführer einer Limited bzw. einer ausländischen Gesellschaft haben daher ihre Insolvenzantragspflichten nach der deutschen lnsolvenzordnung zu kennen und müssen rechtzeitig lnsolvenzantrag stellen. Die Gründung einer englischen Limited sowie anderer ausländischer Gesellschaftsformen dürfte nach obiger BGH-Rechtsprechung noch mehr an Attraktivität verloren haben. Personen in der Geschäftsführung solcher Gesellschaften sollten sich des neuen Haftungsregimes bewusst sein.

Autorin:

Christiane Schrader-Kurz | Rechtsanwältin

Derra, Meyer & Partner Rechtsanwälte PartGmbB, Ulm

www.derra.eu

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