27.05.2024Hintergrund

Reform bei der Fachkräfteeinwanderung geplant?

Europawahl 2024: Der DMB fragt, die Parteien antworten.

Anlässlich der Europawahl am 9. Juni 2024 hat der DMB den aus Sicht des Mittelstandes relevanten Parteien Fragen zu den Herausforderungen des Mittelstandes gestellt. Die Antworten geben Aufschluss über die geplante europäische Mittelstandspolitik der Parteien.

Angesichts des Fachkräftemangels ist die Europäische Union auf die Zuwanderung internationaler Fachkräfte angewiesen. Diese Frage zielt darauf ab, ob das europäische Fachkräfteeinwanderungsrecht reformiert werden soll, um Fachkräften aus Drittstaaten die Migration nach Europa zu erleichtern.

Soll das europäische Fachkräfteeinwanderungsrecht reformiert werden? [Ja/Nein] Falls ja, was wollen Sie tun, um mehr internationale Fachkräfte nach Europa zu holen?

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Ja: Wir können auf die legale Zuwanderung von Fachkräften, die bei uns arbeiten und mit anpacken wollen, nicht verzichten. Daher wollen wir die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften erleichtern. Deutschland muss attraktiver für Fachkräfte werden, die Verfahren müssen rein digital bearbeitet werden. Die entsprechenden Arbeitsvisa sind schnell zu erteilen, wenn alle Voraussetzungen für eine Arbeit in Deutschland vorliegen. Wir wollen dem Fachkräftemangel in Deutschland europäisch begegnen. Wir wollen mehr Menschen in Arbeit bringen. Gleichzeitig müssen die Fähigkeiten junger Menschen aus ganz Europa zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in Deutschland gefördert und genutzt werden. Dafür müssen insbesondere alle Hürden beseitigt werden, die es bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit noch gibt.

 

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Ja. Wir brauchen einfachere Möglichkeiten für die legale Einreise in die EU. Deshalb wollen wir bestehende Möglichkeiten ausbauen und nationale Zugangsmöglichkeiten harmonisieren. Das deutsche Fachkräfteeinwanderungsgesetz, könnte als Vorbild dienen. Für die seit Kurzem durch einige Mitgliedstaaten blockierte Reform der Langzeitaufenthaltsrichtlinie werden wir uns in der nächsten Legislaturperiode weiter einsetzen. Es muss sichergestellt sein, dass Zugewanderte in gute und qualifikationsgerechte Arbeit vermittelt werden. Die Reform der kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige hat wichtige Voraussetzungen geschaffen. Nun müssen die Europäische Arbeitsbehörde gestärkt und Unterstützungs- und Beratungsangebote für mobile Beschäftigte gefördert werden, um Lohn- und Sozialdumping zu verhindern. Neben verbesserten Regeln zur Einwanderung bedarf es auch einer durch öffentliche und private Investition geförderte Aus- und Weiterbildungsoffensive.

 

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Ja. Der eklatante Mangel an Arbeits- und Fachkräften stellt Betriebe vor große Probleme und gefährdet unseren Wohlstand. Daher müssen wir mehr in die Ausbildung junger Menschen investieren, Weiterbildungsangebote auch für ältere Menschen bereithalten und Frauen die Möglichkeit geben, sich voll einzubringen. Für die verbleibende Fachkräftelücke möchten wir Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen. Gezielte Maßnahmen zur Entbürokratisierung für Arbeitgeber, einfachere digitale Prozesse für qualifizierte Fachkräfte und mehr Personal für die Bearbeitung von Anträgen in Botschaften gehen dabei Hand in Hand. Durch eine Erweiterung der EU-Bluecard und -Plattformen wie den EU-Talentpool, soll auch dringend benötigten nicht-akademischen Arbeitskräften der Zugang erleichtert werden. Damit ausländische Fachkräfte in Europa langfristig eine Perspektive sehen, braucht es zudem auch eine Willkommenskultur, die sich klar gegen Rassismus und Ausgrenzung stellt.

 

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Ja. Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels ist die EU auf die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte angewiesen. Wir Freie Demokraten fordern deshalb eine EU-Strategie für die Fachkräftegewinnung. Ziel muss ein weitgehend harmonisiertes Fachkräfteeinwanderungsrecht sein, das auch Drittstaatsangehörigen unkomplizierte Mobilität zum Zwecke der Erwerbstätigkeit ermöglicht. Wir wollen ein modernes Zwei-Säulen-System etablieren: Die Blue Card wollen wir auch für nichtakademische Fachkräfte weiter öffnen und Mindestgehaltsgrenzen wollen wir senken. Zudem wollen wir einen europäischen Talentpool mit Punktesystem nach kanadischem Vorbild einführen.  Das niederländische Vorbild eines einjährigen Orientierungsvisums für Absolventinnen und Absolventen der global besten 200 Universitäten wollen wir auf die ganze EU ausweiten. Sprachbarrieren bei Verwaltungsvorgängen in der EU müssen abgebaut werden. Dazu wollen wir Englisch als zweite Verwaltungssprache in der Europäischen Union einführen. Bei der Arbeitskräftemobilität wollen wir in der EU Hürden abbauen und insbesondere monatelange bürokratische Verfahren bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen beschleunigen. Dazu fordern wir digitale One-Stop-Shops als zentrale Anlaufstellen in jedem EU-Mitgliedstaat.

 

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Wir unterstützen eine qualifizierte Zuwanderung nach inländischen Bedarfen und Kompetenzen der Bewerber; für diese Personengruppe wollen wir vereinfachte Visa-Verfahren einführen. Wir sorgen für ein attraktives Lebensumfeld durch Senkung der Einkommenssteuern, Erleichterungen beim Immobilienerwerb zur Selbstnutzung und deutliche Verbilligungen im Wohnungsbau. Eine Einwanderung in die Sozialsysteme lehnen wir ab. Stattdessen wollen wir das inländischen Fachkräftepotential besser heben durch Stärkung der Ausbildungsfähigkeit unserer Schüler und Ersatz des Bürgergelds durch eine zur Arbeit aktivierende Grundsicherung.

 

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Das europäische Fachkräfteeinwanderungsrecht muss auch aus Sicht des BSW reformiert werden: Maßnahmen wie die „Blaue Karte“ und der „EU-Talentpool“ können weiter verbessert werden; etwa um eine einfachere Anerkennung von Berufs- und Studienabschlüssen zu garantieren. Vor allem aber müssen Maßnahmen nachgeschärft werden, um eine Gleichbehandlung von zugewanderten Fachkräften mit heimischen Arbeitnehmern zu gewährleisten.

Grundsätzlich setzt das BSW aber primär darauf, den Fachkräftemangel durch die Mobilisierung heimischer Reserven – auf EU-Ebene wie national – zu bekämpfen, denn er ist auch das Ergebnis verfehlter Ausbildungs- und Arbeitsmarktpolitik. Anstatt ihn primär durch Migration abzufedern, fordert das BSW massive Investitionen in Bildung und Ausbildung sowie schärfere Ausbildungsverpflichtungen vor allem für große Unternehmen. So würde ein großes Arbeitskräftepotenzial erschlossen; denn laut Berufsbildungsbericht 2024 sind fast 20% der jungen Deutschen ohne Berufsabschluss. Die Frauen-Erwerbsquote muss durch den Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung gefördert werden; das Bundesamt für Arbeit identifiziert allein in Deutschland ein Potenzial von 112.000 Vollzeitstellen unter den derzeit in Teilzeit beschäftigten Frauen, die vor allem aus Gründen der Kinder- und Familienbetreuung derzeit nicht voll arbeiten können. Zudem ist der Fachkräftemangel vor allen in den Branchen groß, wo die Bezahlung niedrig und / oder die Arbeitsbedingungen schlecht und prekär sind: So müssen in vielen Branchen (wie etwa der Pflege, der Gastronomie, Lieferdiensten usw.) Löhne und Arbeitsbedingungen verbessert werden, um Beschäftigte zu halten.

Wo sich der Mangel kurzfristig oder wegen des demografischen Wandels nicht beheben lässt, ist Arbeitsmigration durch reformierte nationale und EU-Regelungen wie der Entsenderichtlinie zu regulieren, um Lohndumping und Ausbeutung zurückzudrängen und um zu verhindern, dass einheimische gegen angeworbene Beschäftigte ausgespielt werden. Anwerbeprogramme in Drittstaaten vor allem aus Entwicklungs- und Schwellenländern wollen wir auf das Minimum reduzieren, um zu verhindern, dass es in den Herkunftsgesellschaften zu einem „Brain Drain“ kommt, der die dortige Entwicklung verhindert.

 

 

 

Dieser Wahlprüfstein ist Teil von insgesamt acht Wahlprüfsteinen zur Europawahl 2024.

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