27.03.2020Monitoring

Wiederbelebung der WTO

Kurz zusammengefasst

Seit Jahren leidet die Welthandelsorganisation (WTO) an einem immer weiter fortschreitenden Bedeutungsverlust. Diese Entwicklung gipfelt in ihrer momentanen Handlungsunfähigkeit.

Der DMB verfolgt die Entwicklungen und stellt alle relevanten Hintergrundinformationen bereit.

 


Die Ereignisse im Detail

27.03.2020 | EU, China und weitere WTO-Mitglieder einigen sich auf alternativen Streitschlichtungsmechanismus

Die EU und 15 weitere EU-Mitglieder einigen sich auf ein alternatives Verfahren zur Streitschlichtung. Da das WTO-Berufungsgericht seit Dezember 2019 nur noch aus einer Richterin besteht, ist eine Streitschlichtung seither nicht mehr möglich. Mit ihrer vorübergehenden Lösung können die 16 beteiligten Staaten Handelsstreitigkeiten unter sich schlichten. Unter den Teilnehmern sind neben der EU und China unter anderem auch Kanada, Australien, Brasilien, Chile, Singapur, die Schweiz und Norwegen.

Laut EU-Handelskommissar Phil Hogan sei das vorrangige Ziel aber weiterhin die Wiederherstellung der ursprünglichen Berufungsfunktion des WTO-Streitbeilegungssystems.

10.12.2019 | Das Mandat von zwei Berufungsrichtern endet

Am 10.12.2019 endet turnusmäßig die Amtszeit von zwei der verbliebenen drei Richter des WTO-Berufungsgerichts, das für die Streitschilichtung der Handelsorganisation zuständig ist. Von eigentlich sieben Richtern ist nunmehr nur noch einer aktiv, da die US-Regierung seit Jahren die Nominierung neuer Richter blockiert. Die Nachbesetzung muss im Konsens von allen Mitgliedsstaaten beschlossen werden. Da die Entscheidung von Streitfällen laut WTO-Statuten ein mindestens dreiköpfiges Gremium erfordert, ist das Berufungsgericht von nun an handlungsunfähig – eine Streitschlichtung ist nicht mehr möglich. Verstöße gegen WTO-Recht können folglich nicht mehr geahndet werden.

18.09.2018 | EU stellt Konzept zur Modernisierung der WTO vor

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström stellt in Brüssel ein EU-Konzept zur Modernisierung der WTO vor. Dieses sieht eine Aktualisierung des Regelwerks für den internationalen Handel, eine Stärkung der Überwachungsfunktion der WTO und eine dauerhafte Überwindung der drohenden Blockade beim Streitbeilegungssystem der WTO vor.

Worum geht es?

Die Welthandelsorganisation wurde am 15. April 1994 in Marrakesch gegründet. Sie entstand aus dem General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) in der Uruguay-Runde nach siebenjähriger Verhandlungszeit zwischen 123 teilnehmenden Staaten. Inzwischen zählt die WTO 164 Mitgliedstaaten. Die erklärten Ziele der WTO sind der Abbau von Handelshemmnissen und die langfristige Unterstützung des internationalen Freihandels. Weiterhin ist die Organisation für die Streitschlichtung bei Handelskonflikten zuständig und überwacht die Einhaltung der durch WTO-Abkommen beschlossenen Regeln.

 

Reformbedarf bei der WTO

Der Reformbedarf wird von allen Seiten an die WTO herangetragen. Die US-Regierung will zum Beispiel die aus ihrer Sicht wettbewerbsverzerrenden wirtschaftlichen Maßnahmen der chinesischen Regierung einschränken. Die US-Regierung beschuldigt die WTO, den Aufstieg Chinas als Wirtschaftsmacht zugelassen und sich dabei nicht für die Öffnung des chinesischen Markts eingesetzt zu haben.

Die EU will zusammen mit China, Indien, Kanada und Mexiko die Streitschlichtung der WTO reformieren und Blockaden, wie die der US-Regierung, unmöglich machen. Die US-amerikanische Regierung hat jedoch alle gemachten Reformvorschläge blockiert.

Umsetzung und nächste Schritte

Umsetzung: unklar

Nächster Schritt: Verhandlungen zur Reformierung der WTO

Warum relevant für den Mittelstand?

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind auf konstante Rahmenbedingungen im Welthandel angewiesen. Die Entwicklung gefährdet die Planungssicherheit der Unternehmen. In den Wahlprüfsteinen des DMB zur Europawahl 2019 war u.a. die Revitalisierung der WTO ein oft genanntes Thema zur Stärkung des globalen Freihandels.

Die DMB-Bewertung

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Die Diskussion um mögliche WTO-Reformen ist festgefahren. Sie steht sinnbildlich für den Konflikt zwischen den beiden wirtschaftlichen Großmächten USA und China, die um die Vorherrschaft in der globalen Wirtschaft ringen. Die WTO dient dabei als Nebenkriegsschauplatz und ihre Handlungsunfähigkeit wird bewusst in Kauf genommen. Zwischen diesen beiden Position gefangen steht die Europäische Union, die ohne die Kooperation mit den beiden Schwergewichten keine WTO-Reformoptionen umsetzen kann.

Hauptleidtragende der WTO-Krise ist die Weltwirtschaft – und damit natürlich auch der exportorientierte deutsche Mittelstand. Fest steht, dass die WTO durch Reformen gestärkt werden muss, um in Zukunft unabhängiger in Konflikt-Situationen agieren und damit überleben zu können. Obwohl die Verhandlungen derzeit festgefahren sind, führt kein Weg an einer grundlegenden Reform der WTO vorbei.

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