02.10.2019Fachbeitrag

Ausgleich von familiären Pflegeleistungen

Wie wird der Ausgleich von familiären Pflegeleistungen im Erbrecht gehandhabt?

Eine weithin unterschätze Norm des Erbrechts ist §2057a BGB

 

Wenn eines von mehreren Kindern den Erblasser längere Zeit gepflegt hat, steht diesem Kind bei der Erbauseinandersetzung unter Umständen ein finanzieller Ausgleich für die erbrachten Pflegeleistungen zu.

Gem. § 2057a BGB kann ein „Abkömmling, der durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers während längerer Zeit, durch erhebliche Geldleistungen oder in anderer Weise in besonderem Maße dazu beigetragen hat, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde“ unter bestimmten Voraussetzungen von den Miterben einen Ausgleich für die von ihm erbrachten Leistungen verlangen.

Einer der wichtigsten Anwendungsfälle der Norm ist der, dass eines von mehreren Kindern den Erblasser über einen längeren Zeitraum gepflegt hat, der Erblasser dies jedoch in seinem Testament nicht berücksichtigt oder gleich gar kein Testament errichtet hat. § 2057a BGB ist in diesen Fällen anwendbar, wenn nach der gesetzlichen Erbfolge oder aufgrund testamentarischer Anordnung mehrere (nicht notwendigerweise alle!) Kinder des Erblassers zu gleichen Teilen erben und eines dieser Kinder über längere Zeit Pflegeleistungen erbracht hat. Haben Eltern ein sog. Berliner Testament* errichtet, können Kinder auch noch nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils von ihren Geschwistern einen Ausgleich für ihre gegenüber dem erstversterbenden Elternteil erbrachten Pflegeleistungen verlangen. Und auch bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen ist § 2057a BGB zu berücksichtigen (vgl. § 2316 BGB).

Eine gesetzliche Regelung zur Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs gibt es nicht. Das OLG Schleswig hat zur Ermittlung des Ausgleichsbetrags ein dreistufiges Verfahren entwickelt (vgl. Urteil vom 22. November 2016 zum Az. 3 U 25/16):

  1. Zuerst sind Dauer und Umfang der Pflegeleistung festzustellen und es ist zu erwägen, in welchem Umfang der Nachlass durch die Pflegeleistung entlastet wurde.

  2. Sodann sind der (immaterielle) Wert der Pflege des Abkömmlings für den Erblasser und die Nachteile und Vorteile für den pflegenden Abkömmling zu berücksichtigen.

  3. Schließlich sind die Vermögensinteressen der anderen Erben und der Pflichtteilsberechtigten sowie die Höhe des Nachlasses zu berücksichtigen; der Ausgleichsbetrag darf nicht den Wert des gesamten Nachlasses erreichen.

Viele andere Gerichte verfahren ähnlich. Sie ermitteln im Ausgangspunkt den (materiellen) Wert der Pflegeleistung und berücksichtigen anschließend weitere Faktoren, z.B. ob der pflegende Abkömmling während der Dauer der Pflege kostenfrei beim Erblasser gewohnt hat.

Zur Ermittlung des (materiellen) Werts der Pflegeleistung werden meist die ersparten Heimkosten herangezogen. Wie hoch diese anzusetzen sind, orientiert sich an (lokalen) Durchschnittswerten. Der Wert der Pflegeleistung wird dann oft wie folgt berechnet:

(Ersparte Heimkosten pro Monat) x (Anzahl der Monate, in denen die Pflegeleistung erbracht wurde) x 2

Auf Basis dieses rechnerischen Werts werden dann die weiteren Umstände des Einzelfalls gewürdigt. Im Ergebnis sprechen die Gerichte häufig Ausgleichsbeträge von 5.000 € bis 50.000 € zu. Dabei muss der Abkömmling seine Eltern keineswegs ganz alleine gepflegt haben. Auch bei einer „Mitpflege“ neben einer vorhandenen Hauptpflege wurden schon Ausgleichsbeträge zugesprochen.

Fazit

Über § 2057a BGB können Kinder, die ein Elternteil gepflegt haben, auch ohne testamentarische Regelung hierzu einen finanziellen Ausgleich für ihr Engagement erhalten.

* Mit einem Berliner Testament begünstigen sich Eheleute zunächst gegenseitig und erst nach dem Tod beider Ehegatten sind die Kinder bedacht.

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