07.10.2021Hintergrund

Bürokratie(abbau): Konsens oder Konflikt?


SPD, Grüne und FDP sondieren über eine mögliche „Ampel-Koalition“. Doch wie gut passen die Parteien inhaltlich zusammen und wo gibt es Konfliktpotential in den Gesprächen? Der DMB zeigt mit seiner „Koalitionsampel“ auf, wo Streitpunkte liegen.

Themenfeld Bürokratie

Im Themenfeld „Bürokratie“ spiegelt sich eine politische Kernfrage und klassische Konfliktlinie, nämlich die Frage nach dem Staatsverständnis der Parteien, wider. Die Bundestagsparteien haben hier mit gegensätzlichen Inhalten im Wahlkampf Position bezogen.

Dass viele kleine und mittlere Unternehmen durch bürokratische Vorgaben und Prozesse stark belastet sind, macht eine DMB-Umfrage deutlich. 85 % der Mitglieder sehen die Bürokratie als die größte Herausforderung für den Mittelstand. Wo gibt es Konfliktpotential zwischen den Parteien?

 

Belastungsmoratorium für Unternehmen

Beim Thema Bürokratieabbau muss eine künftige Regierung mehr tun, um die Wirtschaft in und für die Zeit nach der Corona-Krise nachhaltig zu entlasten. Der Normenkontrollrate (NKR) hat ein Belastungsmoratorium vor dem Hintergrund der Corona-Krise vorgeschlagen. Die FDP befürwortet ein solches Moratorium. SPD und Grüne haben sich hingegen bislang nicht zu diesen Plänen geäußert. 

Das Thema Bürokratieabbau im Allgemeinen und ein Belastungsmoratorium im Speziellen nimmt bei der FDP eine wichtige Rolle ein. Parteichef Lindner hatte sich persönlich für ein Bürokratie-Moratorium stark gemacht, um die Konjunktur in der Coronakrise anzukurbeln. Die Frage wird sein, wie wichtig der FDP ein solches Moratorium inzwischen ist. Grüne und SPD haben sich bisher weder positiv noch negativ zu einem Bürokratie- oder Belastungsmoratorium geäußert.
 

 

Konsequente Anwendung One-in-one-out Regelung (auch für Europ. Regulierung)

Die One-in-one-out Regelung sieht vor, dass jedes Bundesministerium im gleichen Maße Belastungen abbaut, wenn neue Regelungen Belastungen für die Wirtschaft aufgebaut werden. Der Bestandteil der „Bürokratiebremse“ funktioniert zwar nachweislich, doch wird bislang die Europäische Regulierung nicht gleichermaßen in dem System erfasst.

Auch hier ist die FDP besonders in der Bringschuld – denn die Liberalen haben gar ein „one in, two out“ gefordert – inklusive europäischer Ebene. Soll heißen: Für jede neue Belastung durch geplante Regelungen sollen im doppelten Umfang Belastungen abgebaut werden. Ob sie sich mit diesen Plänen gegenüber SPD und Grünen durchsetzen können, bleibt abzuwarten. Unmöglich erscheint es jedenfalls nicht, da die beiden anderen möglichen Bündnispartner sich nicht konkret zu „one in, one out“ bzw. zur konsequenten Anwendung bei europäischer Regulierung positioniert haben.
 

 

Verwaltungsleistungen zügig digitalisieren

Das 2017 verabschiedete Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund, Länder und Kommunen alle Verwaltungsleistungen – der Umsetzungskatalog enthält 575 Leistungen – bis Ende 2022 zu digitalisieren. Doch die Umsetzung stockt. Alle Parteien haben im Wahlkampf betont, dass bei Verwaltungsmodernisierung und -digitalisierung Gas gegeben werden muss.

Grundsätzlich birgt das Thema also kein großes Konfliktpotential für die anstehenden Sondierungs- und ggf. Koalitionsgespräche.
 

 

Mindestlohn erhöhen

Seit 2015 gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland. Damals wurde kontrovers diskutiert, ob es den Mindestlohn in Deutschland braucht. Gewerkschaften hatten ihn schon lange gefordert, Arbeitgeberverbände waren größtenteils gegen die Einführung.

Die SPD fordert in ihrem Wahlprogramm, den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro zu erhöhen, ebenso die Grünen, und zwar „sofort“. Die FDP  hat sich inzwischen mit dem Mindestlohn arrangiert, einen parteipolitischen „Überbietungswettbewerb“ will sie aber nicht mitmachen. Die FDP will stattdessen, dass die Mindestlohnkommission nach den jetzt gültigen Vorgaben weiterarbeitet.
 

 

Ausweitung betrieblicher Mitbestimmung

Die betriebliche Mitbestimmung steht in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt vor neuen Herausforderungen. Der Mittelstand ist sich seiner Verantwortung für die Beschäftigten bewusst.

Die SPD will die betriebliche Mitbestimmung vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen „weiterentwickeln“. Dazu zählt auch, dass der Schwellenwert der Mitbestimmungsgesetze abgesenkt werden und die Unternehmensmitbestimmung auch für Unternehmen mit ausländischen Rechtsformen gelten soll. Die Grünen wollen die Mitbestimmungsrechte „ausbauen“. Heißt konkret: mehr Mitspracherechte bei Themen wie Personalentwicklung, Weiterbildung, Standortverlagerungen etc. Die FDP hat sich für die „Digitale Mitbestimmung von Betriebsräten“ ausgesprochen, zu einer Ausweitung der Mitbestimmung hat sie sich bislang nicht konkret positioniert.

Gut möglich, dass es bei der Frage nach der gesetzlichen Ausweitung der Mitbestimmung Konflikte zwischen den drei Parteien gibt.
 

 

Allgemein verbindliche Tarifverträge für gesamte Branchen

Allgemein verbindliche Tarifverträge für gesamte Branchen gelten für alle KMU in dieser Branche, auch wenn sie kein Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes sind oder den Tarif nicht selbst geschlossen haben. Die betroffenen KMU haben so keinen Einfluss auf die Gestaltung des Tarifvertrages und werden in ihrer unternehmerischen Freiheit sowie ihrem Grundrecht beschränkt, ihre Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen selbstständig und unabhängig vom Staat zu regeln.

Die SPD hat sich klar positioniert: „Unsere Ziele sind allgemeinverbindliche Branchentarifverträge“, ebenso die Grünen, die  „es leichter machen,  Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären, damit sie für alle in einer Branche gelten“. Die FDP positioniert sich in dieser Frage nicht klar, stell jedoch in ihrem Wahlprogramm heraus, dass sie „flexible“ Regelungen in Tarifverträgen (hier hinsichtlich Arbeitszeitregelungen) befürwortet. Auch hier scheint es keine wirklichen Schnittmengen zwischen den möglichen Ampel-Koalitionären zu geben.
 

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