30.04.2020Fachbeitrag

Corona: Liefer- und Produktionsverträge

Lieferpflicht, Abnahmepflicht und Pflicht zur Bezahlung trotz der Schwierigkeiten durch die Corona-Krise?

Was gilt, wenn Teile bestellt wurden, die nicht mehr benötigt werden, weil die eigene Produktion stillsteht, oder weil die eigenen Kunden nichts mehr abnehmen werden? Muss man umgekehrt Waren produzieren, von denen man schon ahnt oder weiß, dass der Kunde sie nicht abnehmen wird oder nicht bezahlen kann? Muss man vereinbarte Vorauszahlungen leisten, obwohl schon klar ist, dass der Vertragspartner nicht liefern oder produzieren kann?

Gesetze und Rechtsprechung bieten grundlegende Antworten. Vorrangig aber müssen hier die geschlossenen Verträge nach Regelungen zu diesen Fragen geprüft werden. Dies wird noch anspruchsvoller, wenn im Vertrag ausländisches Recht vereinbart wurde oder wenn der Vertrag aus Angeboten / Bestellungen sowie Auftragsbestätigungen besteht, in denen jede Seite auf ihre Liefer- oder Einkaufs- Bedingungen verwiesen hat.


Höhere Gewalt: Rechtsfolgen und Pflichten

Produktionsausfälle und Lieferengpässe können, abhängig vom Vertragsverhältnis und den getroffenen Vereinbarungen, unter eine im Vertrag enthaltene sog. Force Majeure Klausel (höhere Gewalt) fallen. Auch gesetzlich wird der Rechtsgedanke der höheren Gewalt berücksichtigt. Ist danach höhere Gewalt zu bejahen, kommt als Rechtsfolge insbesondere eine Haftungsausschluss oder eine Vertragsanpassung der vertraglichen Pflichten, bis hin zur Befreiung der Lieferverpflichtung in Betracht.

Dabei gilt es zu beachten: Selbst im Falle von Produktionsausfällen oder absehbarer Lieferengpässe benötigter Teile von Zulieferern wegen höherer Gewalt genügt ein Abwarten regelmäßig nicht. So gilt im Zweifel auch bei Annahme höherer Gewalt, dass der Lieferant seinem Käufer den (drohenden) Lieferverzug oder Ausfall unverzüglich anzeigen muss. Der Kunde muss frühestmöglich die Möglichkeit erhalten, sich auf die neue Situation einzustellen. Versäumt der Lieferant die Anzeige kann hierin eine Verletzung seiner Schadensminderungspflicht liegen. Als weitere Rechtsfolge einer fehlenden oder verspäteten Anzeige kann es dem Lieferant unter Umständen auch verwehrt sein, sich auf das Ereignis der höheren Gewalt zu berufen. Es droht somit eine umfängliche Haftung.

Umgekehrt gilt, dass in Fällen, in denen eine fehlende Leistungsmöglichkeit angezeigt wird oder konkret absehbar ist, daraus auch ein frei werden der Gegenleistung (insbesondere Zahlung oder Vorauskasse) folgt. Wer also keine Lieferung erwarten kann, muss seinerseits regelmäßig auch nicht die vereinbarte Zahlung leisten. Auch umgekehrt gilt: Ist absehbar, dass der Kunde aufgrund schlechter Vermögensverhältnisse nicht zahlen kann, kann der Lieferant eine vereinbarte Vorleistung der Lieferung potentiell verweigern. Aber Vorsicht: Es müssen im Einzelfall jeweils konkrete – und nachweisbare – Anhaltspunkte für die fehlende Leistungsfähigkeit vorliegen.

 

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