28.02.2022Interview

„Ich sehe eine veränderte Rolle von Events“

Interview mit Jens Ihsen, Director Düsseldorf Convention

Mittelstand Wissen: Messen & Internationale Geschäftsanbahnung
 

Die „MICE“-Branche bzw. die Meetings Industry befindet sich im Wandel. Die Corona-Pandemie erfordert von Veranstaltern ein Umdenken. Neue Formate und neue Herangehensweisen sind gefragt, um Geschäftsreisende, Messebesucher und Gäste für ausgesuchte Events und Messen zu begeistern. Wesentliche Akteure rund um die internationalen Messes- und Eventstandorte in Deutschland sind die Kommunen. Düsseldorf Convention vermarktet die Stadt Düsseldorf als Kongress- und Tagungsstandort. Im DMB-Interview erklärt Jens Ihsen, Director von Düsseldorf Convention, wie und was sich bei Messen und Geschäftsevents wandelt, welche Rolle die Stadtvermarktung dabei einnimmt und wie kleine und mittlere Unternehmen den Kontakt zu Kunden und Partnern bei wegfallenden Messen und Events halten können.

DMB: Guten Tag Herr Ihsen, Sie sind seit 2019 Director bei Düsseldorf Convention. Stellen Sie Düsseldorf Convention doch bitte einmal vor.

Ihsen: Düsseldorf Convention ist DER One-Stop-Shop für Veranstaltungsplaner, die in Düsseldorf eine Tagung, einen Kongress oder auch einen Event durchführen wollen. Wir decken die gesamte Customer Journey ab – vom Flughafentransfer über die Hotelbuchung bis hin zur Location Suche.

Das große Ziel, das unser Convention Büro damit verfolgt, ist die Ansiedlung von Kongressen und Großveranstaltungen in der Landeshauptstadt.

Was macht Düsseldorf als Tagungs- und Messestandort aus?

Zuerst natürlich: Das rheinische Lebensgefühl, das wir im Blut haben! Düsseldorf verfügt dazu über eine kompakte Infrastruktur und überzeugt durch eine perfekte Lage mit hervorragender Anbindung innerhalb Europas. Wir sind beispielsweise nur einen knappe Flugstunde von London entfernt und auch in dem „Golden Triangle“ mit Brüssel und auch Amsterdam sehr, sehr gut vertreten. Und das bietet natürlich ein Riesenpotenzial.

Innerhalb Düsseldorfs haben wir wiederum eine extrem gute Anbindung zwischen Congress Center und Messe sowie die nahe Laufdistanz zur MERKUR SPIEL-ARENA. Dazu die  direkte Lage am Rhein. Und das alles eingebettet in grüner Natur! Darüber hinaus verfügt Düsseldorf über eine vielfältige Hotellandschaft, die sich kontinuierlich in den nächsten Jahren vergrößern wird. Knapp 58 Universitäten in und um Düsseldorf und mehr als 50 Forschungsinstitute zeigen, dass Düsseldorf auch ein exzellenter Wissenschaftsstandort ist.

Dies sind alles wichtige Assets und Faktoren, warum man mit einer Tagung oder mit einem Kongress nach Düsseldorf kommen sollte. 

Die gesamte MICE-Branche – in Deutschland sowie International – macht aktuell schwere Zeiten durch. Welche Auswirkungen hat Corona auf Ihre Tätigkeit?

Wie alle anderen saßen wir im Laufe des Jahres 2020 bei strahlend blauem Himmel draußen und haben uns die Frage gestellt: Wie geht es jetzt bloß weiter? Wir haben uns dann kurz geschüttelt und festgestellt, dass es nichts bringt, in Schockstarre zu verfallen. Wir mussten stattdessen Lösungsansätze schaffen.

Wir haben dann sehr früh in der Pandemie auf digitale Veranstaltungen gesetzt. Über den „Thinktank extended“ haben wir mit unserem Partner Düsseldorf Congress gemeinsam ein eigenes Format für Veranstaltungsplaner gestartet und als hybrides Format implementiert.

Mit Sicherheit war dies das erste Learning, auf digitale Formate zu setzen. Das Ausmaß ist bis heute für die hiesige Veranstaltungsbranche immens und das wird sich mit Sicherheit auch noch bis ins Jahr 2025 durchziehen.

Allerdings ist unser Alltag nach wie vor stark geprägt von Umbuchungen und Verschiebungen von Events von einem Monat in den anderen. Da muss man auch ganz klar sagen, dass wir in Deutschland jetzt schleunigst die Kurve kriegen sollten. Sonst sehe ich die ganz große Gefahr, dass wir nicht nur die Vormachtstellung als Welt-Champion im Bereich Messen und auch den zweiten Platz hinter Amerika im Bereich der wissenschaftlichen Kongresse verlieren. Und das bereitet mir große Sorgen.

Das heißt, wir müssen jetzt perspektivisch eine klare Strategie fahren, um aus dieser Situation herauszukommen.

Sie waren Ende des vergangenen Jahres u.a. auf der IMEX (Leitmesse für die MICE-Branche) in Las Vegas, USA, mit einem Stand vertreten. Was waren Ihre Eindrücke, welche Trends prägen aktuell das Veranstaltungs- und Messegeschäft?

Das Verlangen nach dem persönlichen Treffen war dort riesig! Es war ein großes Wiedersehen innerhalb der Branche, wenn natürlich auch eher zurückhaltend mit Maske und Abstandsregeln.

Die Menschen werden zukünftig sehr, sehr bewusst entscheiden, bei welchen Messen und Veranstaltungen sie in Präsenz anwesend sein wollen und welche Events sie – wie in den letzten zwei Jahren erlernt – digital verfolgen können.

Mein Eindruck ist, dass Entscheider wieder mit sehr viel Interesse an physische Treffen herangehen und es jetzt erstmal einen Nachholbedarf für Präsenzveranstaltungen gibt. Trotzdem glaube ich, dass es diese „Good old Days“, wie wir sie aus der Zeit vor Corona kennen, wahrscheinlich so nicht mehr geben wird.

Auch in diesem Jahr werden Sie auf ausgewählten Messen die Stadt Düsseldorf präsentieren. Wie schätzen Sie im internationalen Vergleich die Aussichten für Live-Events und Messen in Deutschland in diesem Jahr ein? Erleben wir auch hierzulande zunehmend eine Rückkehr zur Normalität?

Wir sind als Destination Düsseldorf immer daran interessiert, dass Veranstaltungen live und in Farbe in der Stadt stattfinden. Das heißt, dass wir uns mit den gegebenen Rahmenbedingungen jetzt erst mal ein Stück weit arrangieren müssen. Wir müssen aber auch eine Strategie entwickeln, die es ermöglicht, dass alle wesentlichen Akteure in der Stadt Teil der „Community“ werden oder bleiben.

Und darum geht es vielleicht auch bei den Convention-Büros. Also zunächst einmal nachhören: Was sind denn unsere Standortfaktoren? In welchen Clustern sind wir denn besonders gut? Für was steht der Standort Düsseldorf?

Es bedarf eines hohen Grades an Agilität, Flexibilität, aber auch ein tiefes Technologieverständnis für die zukünftige Konzeption von Veranstaltungen. Ich sehe da schon eine veränderte Rolle von Events. Ob das wieder „normal“ ist? Ich würde sagen „The new Normal“ – das wird es sein!

Es wird eine Kombination aus digitalen und analogen Veranstaltungen sein. Wir brauchen ein Verständnis für Hybridität. Auch die Unternehmen müssen dieses Verständnis mehr und mehr entwickeln. Und es geht letztlich auch um die Einbindung in ein bestehendes Ökosystem.

Damit meine ich, Düsseldorf als gesamtes „Ökosystem“ zu sehen. Das heißt, möglichst viel am Standort möglich zu machen – und dies authentisch realisieren. Die Authentizität von Veranstaltungen in der Zukunft ist sehr wichtig, um überleben zu können.

Je authentischer und erlebnisorientierter wir die Veranstaltung gestalten, umso mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden wir auch wieder zu unserer Destination locken können. Und da geht es dann um Fragen, ob sie etwas an der Veranstaltung mitgestalten können, was sie dazu beitragen können und ob das Ganze auch adaptiv für sie ist. Was können sie für sich mitnehmen? Und ich denke, wenn wir das ein Stück weit berücksichtigen, dann haben wir auch gute Chancen, mit den Veranstaltungsformaten in Düsseldorf wieder die Hotelbetten zu füllen.

Es geht um Wertschöpfung, aber Wertschöpfung geht natürlich nur durch Wertschätzung. Also: Erst kommt die Wertschätzung, dann die Wertschöpfung.

Mittelständische Unternehmen bewegen sich häufig auf nur einer oder auf wenigen zentralen (Leit-)messen oder Branchentreffs pro Jahr. Was wäre Ihr Tipp für jene Unternehmen, deren wichtigster Event erneut ersatzlos gestrichen wurde?  

Es geht in erster Linie nicht darum, das gestrichene Event eins zu eins zu ersetzen und zu sagen: Na ja, dann machen wir halt eben was digital, damit wir überhaupt was gemacht haben. Also dieses Alibi sollte gar nicht bedient werden. Es geht vielmehr darum, eine Community aufzubauen, in der Unternehmerinnen und Unternehmer über das Event hinaus, Kontakt zur Zielgruppe halten und so auch schnell Feedback zum eigenen Produkt bekommen.

Man sollte also sozusagen eine Event-Schleife über das ganze Jahr hinaus verteilen und im Vorfeld die Kommunikation aufnehmen. Ein eigenes Format gestalten, vielleicht auch ein digitales Format, und sich die Probleme der Mitglieder oder der Kunden genau anhören. Ich denke, das hilft vielen Unternehmen auch ihren Service und ihre Produkte, ihre Dienstleistung besser zu machen.

Wie sieht die „Messe der Zukunft“ für Sie aus?

Wir treffen auf immer jüngere, vermehrt weibliche, technikaffine und Content-getriebene Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das heißt, in der Konzeption müssen wir uns sehr stark mit dem Thema Content beschäftigen.

Wir hören zwar immer überall „Content ist King“. Aber was bedeutet das? Das bedeutet einfach, dass die Teilnehmerin oder der Teilnehmer von morgen nicht Altes hören möchte, welches der Speaker vielleicht in seinem Buch schon thematisiert hat. Denn das Buch hat sie oder er schon gelesen! Im Vergleich zu früher kommen BesucherInnen selbstbewusster und besser informiert zu einer Veranstaltung.

Außerdem glaube ich, dass zunehmend in den bestehenden Formaten Druck vorherrscht, diese zu überdenken und sie möglichst nachhaltig zu machen – im Einklang mit dem Ökosystem Düsseldorf.

Denn jede Veranstaltung, die auch in der Stadt stattfindet, bedeutet einen erheblichen Ausstoß an Emissionen. Und wir müssen sicherstellen, dass diese Emissionen in Zukunft reduziert werden und vielleicht sogar am Standort kompensiert werden können. Denn wenn unsere Bürgerinnen und Bürger durch die Stadt gehen, sollen sie sich wohlfühlen und nicht den Eindruck haben, es haben wieder zu viele Konzerte und zu viele Veranstaltungen stattgefunden. Das sollte auch immer im Einklang stehen.

Mit dem „1. Düsseldorfer Verbändetag XL“ haben Sie im vergangenen Jahr ein erfolgreiches neues Format trotz Pandemie geschaffen. Was ist der Hintergrund vom Verbändetag?

In erster Linie wollten wir den Tagungs- und Kongressstandort Düsseldorf weiterhin in die Welt hinaustragen. Wir wollten präsent sein und haben uns hinterfragt, ob wir auch die Probleme aus anderen Branchen verstehen und kennen und ob wir Lösungsansätze bieten können.

Wir haben dazu die Verbände befragt und erfahren, was sie beschäftigt. So haben wir dann wirklich ganz spannende Speaker gefunden.

Wir hatten zum Beispiel mit dem Fraunhofer Institut zum Thema „Future Meeting Space – Wie tagen wir in der Zukunft?“ einen guten Ansatz. Das war ein wichtiges Thema für Verbände.

Das zweite Thema war: „Wie schaffe ich, den analogen Content zu digitalisieren?“

Und der dritte Schwerpunkt in der Veranstaltung „Wie baue ich eine digitale Verbands-Veranstaltung auf und wie kann ich eine digitale Abstimmung überhaupt rechtlich umsetzen?“

Zu all diesen Themen haben wir Lösungsansätze geboten und für knapp 130 Verbände, die digital dabei waren, eine Handlungsempfehlung in Form eines Whitepapers erstellt.

Das Paper kann man sich übrigens kostenfrei auf unserer Website www.duesseldorf-convention.de herunterladen und ist sicherlich auch für kleine und mittelständische Unternehmen interessant.

Und was sind Ihre wichtigsten „Learnings“ aus dem Verbändetag?

Man sollte im Vorfeld einer Veranstaltung fragen, was das eigentliche Ziel ist, aber auch welche Probleme mit dem Veranstaltungsformat gelöst werden können, um möglichst viele Interessenten dafür zu gewinnen. Dazu sollten die Fragen der Teilnehmerin und des Teilnehmers so beantwortet werden, dass sie oder er am Ende des Tages die Veranstaltung verlässt und sagt: Das war wirklich ein Mehrwert!

Und da sind wir dann wieder zurück beim Thema „Content“.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Ihsen.

Dieses Interview ist Teil von Mittelstand Wissen zum Thema Messen & Internationale Geschäftsanbahnung

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