Kindern steht bei Pflege der Eltern auch der Pflegefreibetrag nach dem ErbStG zu
Der Fall
Die Klägerin ist Tochter und Miterbin ihrer 2012 verstorbenen Mutter. Nachdem die Mutter 2001 pflegebedürftig geworden war, hatte die Klägerin sie in ihrem Haus aufgenommen und gepflegt. Das Finanzamt setzte gegen die Klägerin Erbschaftsteuer fest, ohne den Pflegefreibetrag von 20.000 € nach § 13 Abs.1 Nr. 9 ErbStG zu berücksichtigen. Der BFH hatte zu entscheiden, ob der Pflegefreibetrag zu gewähren war oder nicht.
Die Entscheidung
Der BFH stellte fest, dass der Mutter Pflege gewährt worden ist. Die Tochter hatte die Mutter in ihr Haus aufgenommen und regelmäßig und dauerhaft für das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden der Hilfsbedürftigen gesorgt. Diese Pflegeleistung hat im allgemeinen Verkehr einen Geldwert und die Tochter erbrachte sie 11 Jahre lang, ohne etwas dafür zu verlangen. So gesehen liegen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG für die Gewährung des Pflegefreibetrags vor.
Der BFH prüfte weiterhin, ob andere gesetzliche Pflichten diesen Anspruch beschränken.
Nach § 1601 ff BGB haben Kinder die Pflicht, ihren Eltern Unterhalt zu gewähren, der auch ein Naturalunterhalt sein kann. Allerdings sind die Kinder nach dieser Vorschrift gerade nicht zu einer persönlichen Pflegeleistung gegenüber den Eltern verpflichtet. Nach § 1618 a BGB hätte die Tochter die Pflicht zu Beistand und Rücksicht gegenüber den Eltern. Auch diese Vorschrift greift nicht, denn die Pflege hat einen höchstpersönlichen Charakter und die Pflicht zur Pflege kann weder eingeklagt noch vollstreckt werden. Genauso wenig umfasst der generelle Steuerfreibetrag für Kinder in Höhe von 400 000 € den Pflegefreibetrag, denn der hat den Sinn, die zusätzliche Pflegeleistung als freiwilliges Opfer der pflegenden Person zu honorieren.
Deshalb gab der BFH der Tochter Recht und sprach ihr den Pflegefreibetrag in Höhe von 20.000€ zu.
DVEV-Expertenrat
Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg und Geschäftsführer der DVEV, sagt dazu: „Das Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) ist für Laien nicht leicht zu durchdringen. Insbesondere bei komplizierten Familienverhältnissen und besonderen Umständen, wie der Pflege einer Person, ist es ratsam, fachlichen Rat einzuholen, um nicht von einer unerwarteten Erbschaftsteuerforderung überrascht zu werden. Welche Steuern anfallen und welche Freibeträge diesen entgegen gesetzt werden können, kann mit Hilfe von versierten Rechtsanwälten und Steuerberatern schon im Vorfeld ermittelt werden.“
Quelle: DVEV, Pressemitteilung vom 04.08.2017