28.10.2021Fachbeitrag

Klimaschutz: “Glasgow ist eine große Chance!“

Ab Sonntag kommt die Weltgemeinschaft in Glasgow zur UN-Klimakonferenz (COP26) zusammen.

Noch besteht die Möglichkeit, die globale Erderwärmung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen. Doch es bleibt nicht mehr viel Zeit. Das macht die bevorstehende UN-Klimakonferenz (COP26) in Glasgow so bedeutsam, bietet aber gleichzeitig die Chance, eine neue Ära des echten Klimaschutzes und der erneuerbaren Energien einzuleiten. Deutschland sollte dazu gemeinsam mit der EU und weiteren willigen Staaten entschlossen vorangehen.

Die Welt steht an einem Wendepunkt. Nicht nur im Hinblick auf den unumkehrbaren Klimawandel, sondern vor allem im Hinblick auf den endlich beginnenden Klimaschutz. Mitten in der Gesundheitskrise droht uns die nächste zu überholen: die Klimakrise, die uns zum schnellen Handeln zwingt. Temperaturrekorde über den gesamten Globus, Waldbrände, extreme Regenfälle samt enormen Überschwemmungen wie zuletzt in Deutschland machen deutlich, wie sich der bereits beginnende Klimawandel anfühlt. Und enorme wirtschaftliche Schäden mit sich bringt. Der jüngste IPCC Bericht1 hat einmal mehr deutlich gemacht, dass schnell gehandelt werden muss. Es ist der lauteste und letzte Weckruf der Klimawissenschaft, das Ruder in Richtung konsequenten Klimaschutz rumzureißen. Die ersten gravierenden Auswirkungen sind global ablesbar. Die letzten zehn Jahre waren die wärmsten seit 125.000 Jahren. Die gute Nachricht ist: Es ist durchaus machbar, dass die globale Erwärmung unter 1,5 Grad bleibt und die irreversiblen Klima-Kipppunkte nicht komplett überschritten werden. Die schlechte Nachricht ist: Es bleibt nur sehr wenig Zeit. Dies bedeutet, dass keine Investitionen in fossile Energieträger, weder Kohle, Öl noch fossiles Erdgas fließen dürfen, sondern nur noch in erneuerbare Energien. Die Weltnationen müssen schneller handeln als bisher. Das Pariser Klimaabkommen, zu dem sich die Weltnationen verpflichtet haben, muss endlich konsequent umgesetzt werden. Umso wichtiger, dass die Weltnationen endlich Klimaschutz prioritär umsetzen. In diesem Jahr gibt es zwei entscheidende Ereignisse: Das erste war im September die Bundestagswahl in Deutschland und das zweite ist die bevorstehende COP26 in Glasgow. Die Klimakonferenz in Glasgow ist deshalb so bedeutsam, weil die Zeit davonläuft. Viel zu lange wurde Zeit ohne effektiven Klimaschutz vergeudet. Der Klimawandel inklusive Extremwetterereignisse rund um den Globus nehmen unaufhaltsam zu. Zudem ist Glasgow aber auch eine Chance.


Reichen die Anstrengungen der EU, USA und Chinas aus?

Denn auch die Politik steht an einem Wendepunkt. Sechs Jahre nach Unterzeichnung des Paris Abkommens und 40 Jahre nach den ersten wissenschaftlichen Klimaberichten und 25 Jahre widersprüchlicher politischer Entscheidungen kommt so langsam Bewegung in echtes politisches Handeln. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union arbeiten daran, im Rahmen des EU Green Deals und „fit for 55“-Programms die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % unter das Niveau von 1990 zu senken. US-Präsident Joe Biden hat sich wieder dem Paris Abkommen angeschlossen und ein durchaus bemerkenswertes Klimaprogramm im eigenen Land durchgesetzt. Gemäß Paris Abkommen haben sich die Vereinigten Staaten verpflichtet, ihre Kohlenstoffemissionen bis 2025 um 25 % unter das Niveau von 2005 zu senken. Der chinesische Präsident Xi Jinping kündigte auf einem virtuellen Klimagipfel an, dass China seine Kohlendioxidemissionen bis 2030 um 65 % unter das Niveau von 2005 senken und bis dahin 25 % des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen decken wird. All dies sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Sie kommen spät. Wird dies ausreichen, um die Klimakrise abzuwenden? Leider nicht. So erfreulich die Nachricht auch ist, dass endlich gehandelt wird, dass der Klimaschutz endlich ganz oben auf der politischen Agenda steht, wo er hingehört. Aber: Weder das Ambitionsniveau noch das Umsetzungsniveau reichen aus, um die Pariser Klimabeschlüsse zu erreichen. Und die Pariser Klimabeschlüsse selbst sind nicht ambitioniert genug, um die Erderwärmung auf 1,5 und deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Dies würde eine 80-prozentige Reduzierung der Emissionen bis 2030 erfordern. Und eine vollständige Abkehr von fossilen Brennstoffen.


Energieversorgung zügig umbauen

Was wir brauchen, ist ein schneller Übergang zu einer 100-prozentig sauberen, erneuerbaren Energieversorgung und zur Speicherung von Energie für alles, auch für nichtenergetische Emissionen. Dieser Übergang umfasst die Elektrifizierung fast aller Bereiche - Fahrzeuge, Heizen und Kochen in Gebäuden, industrielle Prozesse - und die Vollversorgung mit Strom. Aufgrund der Effizienz von Elektrizität im Vergleich zu fossiler und nuklearer Energie kann diese Elektrifizierung den Primärenergiebedarf um mehr als 50 Prozent senken, aber die Nachfrage nach Strom wird erheblich steigen. Elektrizität ist das neue Öl. Zu den sauberen, erneuerbaren Energiequellen gehören Onshore- und Offshore-Windenergie, Photovoltaik auf Dächern und in Kraftwerken, konzentrierte Solarenergie, Solarthermie zur Wärmeerzeugung, geothermische Elektrizität und Wärme, bestehende Wasserkraft, Gezeiten- und Wellenenergie. Diese Arten von Strom und Wärme werden alle von Wind-, Wasser- und Sonnenenergiequellen bereitgestellt. Die Speicherung umfasst Strom, Wärme, Kälte und umweltfreundliche, nachhaltige Wasserstoffspeicher. Zahlreiche Studien2 belegen, dass eine Vollversorgung mit 100 % erneuerbarer Energien niedrigere Energiesystemkosten aufweist als ein konventionelles.


Neue Energiewelt ist dezentral, flexibel und intelligent

Die Welt reagiert zu spät, um die Klimakrise abzuwenden. Da sie mindestens wertvolle 25 Jahre verloren hat, müssen wir schnell handeln. Eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien kann schnell umgesetzt werden. In den 15 Jahren, bis teure Atomkraftwerke oder Kraftwerke mit CO2-Abscheidung und -Speicherung von der Planung bis zum Bau verloren sind, kann eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien erreicht werden. 

Die neue Energiewelt zeichnet sich durch mehr Dezentralität, Flexibilität und Intelligenz aus. Vor allem ist sie demokratischer, denn jeder beteiligt sich an der Energiewende, indem er Energie durch Solaranlagen oder eigene Blockheizkraftwerke produziert, Batteriespeicher über das Elektroauto mittels "Blockchain" bereitstellt und den Energiemarkt dezentral selbst gestaltet.


COP26 muss neue Ära beim Klimaschutz einleiten

Um die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, ist schnelles Handeln und eine entschlossene Umsetzung erforderlich. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird das Klimabudget in sieben Jahren erschöpft sein. Die Uhr tickt. Die COP26 in Glasgow muss eine neue Ära des echten Klimaschutzes ohne Greenwashing und eine Energiewende hin zu 100 % erneuerbaren Energien einleiten.

Deutschland sollte eine Vorreiterrolle einnehmen und im eigenen Land ernsthaften Klimaschutz hin zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien konsequent umsetzen. Global sollte Deutschland zusammen mit Europa, den USA und weiteren willigen Ländern eine Klima-Allianz für den Ausstieg fossiler Energien und dem Einstieg hin zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien gründen. Wenn dies gelänge, wäre es eine wahrlich erfolgreiche Klima-Konferenz. Es ist dringend Zeit dafür. Es ist eine letzte Chance, um das Klima-Ruder herumzureißen. Wir müssen alles dafür tun, dass dies gelingt. Let‘s do it!

Fußnoten

1 Vgl IPCC 6th assessment report (2021) https://www.ipcc.ch/assessment-report/ar6/

2 Vgl. Göke et al (2021): 100 Prozent erneuerbare Energien für Deutschland: Koordinierte Ausbauplanung notwendig. DIW Wochenbericht 29/30 / 2021, S. 507-513; Mark Jacobsen (2020):  100% Clean, Renewable Energy and Storage for Everything, Stanford 2020.; Energy Watch Group (2019): Ram et al: Global Energy System Based on 100% renewable energy; Power, Heat, Transport and Desalination Sectors.

 

 

Dieser Artikel ist Teil der Beitragsserie Internationale Klimapolitik

 

Mehr zu diesen Themen