14.09.2012Fachbeitrag

Kommentar:
Der Nächste, bitte! Unternehmensnachfolge, wie geht es weiter?

In der Leichtathletik ist für den Staffellauf ein genauer Bereich festgelegt, in dem der Staffelstab übergeben werden darf. Auch der Zeitpunkt, an dem der Nachfolger starten darf, ist definiert. Stabübergaben in der Wirtschaft laufen leider häufig etwas anders ab. Der Sport hat es natürlich einfacher als die Wirtschaft. Im Sport haben die Akteure feste Regeln und die Übergabe schon unzählige Male trainiert. Ein Unternehmer übergibt hingegen sein Unternehmen meistens nur einmal im Leben und Erfahrungen im Umgang mit Unternehmensübergaben sind selten.

Nichtsdestotrotz lassen sich auch bei der Unternehmensübergabe Fehler durch Regeln vermeiden. Die große Herausforderung liegt darin, dass es meistens nicht an den zahlenbezogenen Planungsgrößen scheitert, sondern – wie so häufig – am Faktor Mensch. Dem, wie wir heute so schön zu sagen pflegen „weichen Faktor“. Und die Unternehmensübergabe ist in der Tat eine weiche Sache. Sie muss gut geplant und zudem sachte kommuniziert werden. Sie darf nicht das Erreichte zerstören aber sich auch nicht denkmalpflegerisch Neuem verschließen. Sie basiert oft auf dem Lebenswerk einer oder mehrerer Generationen und muss zugleich das Fundament für eine neue und – im günstigsten Fall – nachfolgende Generation von Führungskräften und Mitarbeitern bilden.

Nach meiner langjährigen Erfahrung gibt es nicht den einen Königsweg, sondern eine Vielzahl an individuellen Möglichkeiten, eine erfolgreiche und zukunftsorientierte Unternehmensübergabe zu initiieren. Im Folgenden beschreibe ich von daher meine Erfahrungen der letzten 13 Jahre, in denen ich solche Themen unterstützt habe, und lade Sie ein, meine Lösungsvorschläge bei anstehenden Unternehmensübergaben zu durchdenken und ggf. passend zu Ihrer Situation zu modifizieren.

Tipp Nummer 1: Der richtige Zeitpunkt

Der richtige Zeitpunkt, sich über eine Unternehmensübergabe Gedanken zu machen ist der, wenn Sie das Unternehmen gerade selber übernommen oder gegründet haben. Warum? Weil Sie sich ab diesem Zeitpunkt regelmäßig mit diesem Thema beschäftigen sollten. Wieso? Der Erfolg Ihrer Unternehmungen wird Ihnen sehr schnell keine Zeit mehr lassen, sich diesem Thema zu widmen.

  • Schaffen Sie sich Intervalle, in denen Sie sich wieder mit dem Thema befassen wollen. Planen Sie visuell, damit Sie dieser Termin regelrecht anspringt. Die modernen Medien bieten Ihnen vielfältige Möglichkeiten auffällig genug erinnert zu werden. Des Weiteren übernehmen Sie für Ihre Mitarbeiter und für Ihr privates Umfeld Verantwortung. Wie ginge es beispielsweise weiter, wenn es Ihnen – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr möglich wäre, steuernd einzugreifen?
  • Darüber hinaus verändert sich Ihre persönliche Situation während der Unternehmertätigkeit ständig. Ihre Familie wird z.B. durch Zuwachs bereichert. Wird das Kind das Unternehmen weiterführen? Wird es überhaupt Lust und oder die Fähigkeit entwickeln es weiter zu führen zu können? Während Sie sich über die Jahre Gedanken über diese Fragen machen, stellen Sie auf einmal fest, es werden zwei Kinder, drei oder noch mehr. Wer macht es jetzt? Wenn es einer macht, was ist dann mit den anderen? Was, wenn es alle wollen und können? Wer macht dann was? Und ab wann? Oder, es zeichnet sich ab, dass es ein Familienfremder werden soll oder werden muss. Wie finden Sie den? Wann beginnen Sie ihn zu suchen? Welche Kriterien sind für die Suche wichtig, um den Richtigen zu finden?

Keine Angst! Ich will Ihnen Ihre gute Laune nicht verderben oder – noch schlimmer – Sie bezüglich einer geordneten Übergabe desillusionieren. Im Gegenteil: Für all diese Fragen gibt es Antworten, wenn dieses vermeintlich späte Thema früh durchdacht wird.

Nach meiner Beobachtung waren immer die Unternehmensübergaben erfolgreich, in denen die Frage der Übergabe früh, klar und zweifelsfrei feststand. Und mit früh meine ich bei einer innerfamiliären Übergabe, bei Schulabschluss bzw. während des Studiums der potenziellen Nachfolger. Zu diesem Zeitpunkt haben sich Fähigkeiten und Wünsche oft schon klar zu erkennen gegeben. Darüber hinaus ist immer noch genug Zeit etwaige Wogen zu glätten, die es zwischen konkurrierenden Kandidaten geben könnte.

Ein Beispiel aus der Praxis soll Ihnen die Möglichkeit dieses Ansatzes verdeutlichen:

In einem inhabergeführten mittelständischen Unternehmen mit mehr als 1.500 Mitarbeiter und Produktionsstätten in mehreren europäischen Ländern, wurde von den beiden Inhaber-Brüdern folgendes verfügt: Jeweils ein Spross aus jedem Familienzweig wird die Unternehmensführung des Vaters fortführen. Die anderen Kinder werden über nichtstimmberechtigte Gesellschaftsbeteiligung am Unternehmenserfolg beteiligt, oder anteilsmäßig zum Zeitpunkt der Übergabe ausbezahlt.

Das Unternehmen hatte mit dieser deutlichen Aussage der Inhaber noch ausreichend Zeit, Rücklagen für verschieden Auszahlungsmodelle zu bilden. Auch Regelungen für den Fall, dass es keinen geeigneten Nachfolger aus einer oder beiden Familienrichtungen gab, waren bereits getroffen und – der für mich wichtigste Punkt – auch allen mittel- und unmittelbar betroffenen Personen gegenüber kommuniziert worden. Selbst, wenn jetzt beide Unternehmer nicht mehr selbstbestimmt eingreifen könnten, wären alle Handlungsbevollmächtigten in der Lage, die propagierte Strategie umzusetzen.

Was verhindert oft eine solche zeitgerechte Regelung?

  • Der Unternehmensinhaber möchte möglichst lange beobachten, ob er wirklich den richtigen Kandidaten ausgewählt hat. Dem dauert es wiederum zu lange und er überlegt es sich anders. In meinen Jahren der Prozessbeobachtung war das der häufigste Grund für gescheiterte Übergaben. Insbesondere dann, wenn der Kandidat ein Außenstehender war.
  • Oder, der Unternehmer vertraut der Leistungsfähigkeit des möglichen Nachfolgers nicht oder nur teilweise und greift immer wieder in Entscheidungen ein. Auch das schafft eher Frust als Lust, als ein Unternehmen weiterzuführen. Auch der Irrglaube der Unentbehrlichkeit des aktuellen Unternehmenslenkers kann eine solche Stimmung hervorrufen. Nicht selten verlassen auch wichtige Mitarbeiter, die die tragenden Säulen des Unternehmens sind, in solchen Zeiten das Unternehmen, weil sie das Vertrauen in eine erfolgreiche Zukunft verloren haben.

Oft hat solches Verhalten den Niedergang des Unternehmens, mindestens jedoch eine gravierende Verschlechterung des Unternehmenserfolges nach sich gezogen.

Autor:
Thomas Wetzel ist Bereichsleiter Training & Coaching und ist Business Unit Manager für den Bereich Industrie der Hager Unternehmensberatung GmbH mit Sitz in Frankfurt.

www.hager-partner.de

Mehr zu diesen Themen