06.08.2019Fachbeitrag

"Mein Ehepartner kann nehmen oder behalten, was immer er auch will"

Warum Testierende vorsichtig bei dieser Formulierung sein sollten:
Die Konsequenzen der Entscheidung des OLG Bamberg vom 6. Mai 2019 (Aktenzeichen 3 W 16/19) für Testierende

Ausgangssituation

In der Regel wollen Eheleute, dass der überlebende Ehegatte bei Versterben des anderen Ehegatten „frei schalten und walten kann“ und sich die (wirtschaftlichen) Lebensverhältnisse für ihn so wenig wie möglich ändern. Rechtstechnisch entspricht dieser Wunsch häufig einer gegenseitigen Einsetzung zum Alleinerben.

Die gesetzliche Erbfolge führt in aller Regel nicht dazu, dass ein Ehegatte den Ehegatten allein beerbt; vielmehr erbt ein Ehegatte in der Regel neben Kindern, Eltern oder Geschwistern des Erblassers. Soll der überlebende Ehegatte Alleinerbe des anderen werden, ist eine testamentarische Regelung erforderlich. Die Formulierung „mein Ehepartner kann nehmen oder behalten, was auch immer er will“ ist nicht geeignet, dies rechtssicher zum Ausdruck zu bringen.

Der vom OLG Bamberg am 6. Mai 2019 entschiedene Fall

Ein Erblasser hatte seine drei Enkeltöchter im Rahmen eines notariellen Testaments als Miterbinnen zu gleichen Teilen eingesetzt. Einige Zeit später verfügte er handschriftlich, dass nach seinem Tode seine neue Ehefrau aus seinem Besitz „nehmen oder behalten“ könne, was immer sie auch wolle. Die Ehefrau begehrte Feststellung, dass sie damit als Alleinerbin eingesetzt wurde und das ältere Testament des Erblassers seine Gültigkeit verloren hat.

Grundsätzlich gilt: Ein jüngeres Testament hebt ein älteres Testament auf, soweit es dem älteren Testament widerspricht. In das jüngere Testament kann ausdrücklich ein Widerruf des älteren Testaments aufgenommen werden, die Aufhebung des älteren Testaments kann sich aber auch ohne ausdrücklichen Widerruf allein daraus ergeben, dass die neuen Regelungen den früheren Anordnungen widersprechen. Wie ein Testament zu verstehen ist, richtet sich nach dem zu ermittelnden wirklichen Willen des Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Der Wille muss jedoch im Testament wenigstens angedeutet sein.

Die Entscheidung des OLG Bamberg vom 6. Mai 2019

Das OLG Bamberg hat in dem oben beschriebenen Fall das spätere handschriftliche Testament nicht dahingehend verstanden, dass von dem Erblasser eine Begünstigung seiner Ehefrau mit seinem gesamten Vermögen oder auch nur eines substantiellen Teils des Vermögens gewollt war. Vielmehr sollte der Ehefrau nur die Berechtigung eingeräumt werden, einzelne Gegenstände oder auch eine funktionale Sachgesamtheit von Gegenständen ihrer (freien) Wahl aus einer bestimmten bzw. im Wege der weiteren Auslegung noch näher zu konkretisierenden Besitz- bzw. Nutzungssphäre zu entnehmen oder zu behalten, mithin aus dem Nachlass für sich auszusondern.

Berücksichtigt hatte das OLG Bamberg bei seiner Entscheidung, dass der Erblasser bereits früher notarielle Testamente errichtet hatte, in denen jeweils ausdrücklich frühere Verfügungen von Todes wegen widerrufen wurden. Er war sich also der Möglichkeit bewusst, einen Widerruf ausdrücklich/klarstellend in ein Testament aufzunehmen. In dem späteren handschriftlichen Testament fand sich demgegenüber kein ausdrücklicher Widerruf des Testaments, mit dem die Enkeltöchter als Erbinnen eingesetzt wurden.

Die Erklärung, die Ehefrau könne „nehmen oder behalten“, was immer sie auch wolle, beinhalte unter Berücksichtigung dessen keine Erbeinsetzung, sondern ein sog. Hausratsvermächtnis. Ein Hausratsvermächtnis wird klassischerweise zugunsten des überlebenden Ehegatten angeordnet und umfasst diejenigen Gegenstände, die der Ehegatte zum täglichen Leben benötigt und die für den täglichen Gebrauch (beider Ehegatten) angeschafft wurden. Regelmäßig entspricht das Hausratsvermächtnis mindestens dem so genannten gesetzlichen Voraus nach § 1932 BGB, den es jedoch nur im Falle des Eintritts der gesetzlichen Erbfolge gibt.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Bamberg zeigt, dass die Auslegung einer testamentarischen Anordnung als Erbeinsetzung oder Hausratsvermächtnis zweifelhaft sein kann. Im vorliegenden Fall konnte das Gericht mit dem Argument des ausdrücklichen Widerrufs in früheren notariellen Testamenten einen „Rettungsanker“ auswerfen. Es ist unklar, ob das OLG Bamberg anders entschieden hätte, wenn der Erblasser nicht bereits früher notarielle Testamente errichtet hätte, die einen ausdrücklichen Widerruf enthielten. Gibt es keinen solchen „Rettungsanker“ oder liegt die Sache einem anderen Richter zur Entscheidung vor, kann das Ergebnis auch anders ausfallen. Für Testierende folgt daraus, dass sie ihren Willen möglichst juristisch präzise formulieren sollten. Anstelle von Umschreibungen wie „mein Ehepartner kann nehmen oder behalten, was immer er auch will“ sollten klar und deutlich die Begriffe Erbeinsetzung oder Hausratsvermächtnis verwendet werden.

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