Nachfolge will geplant sein
Firmeninhaberin Melanie Baum des Familienunternehmens Baum Zerspannungstechnik aus Marl im Gespräch mit Mitarbeitenden des Betriebs. Acht Jahre hat sie sich in einem mehrstufigen Prozess auf die Nachfolge vorbereitet.
Ob familieninterne Nachfolge, eine Übernahme durch das Management oder durch Externe – jede Unternehmensnachfolge ist eine enorme Herausforderung, bietet mit einem bewährten Geschäftsmodell, bestehendem Kundenstamm und erfahrenden Mitarbeitenden aber auch große Chancen. Damit die Nachfolge ein Erfolg wird, muss sie langfristig vorbereitet werden. Auch auf die Finanzierung kommt es an.
Wenn sich die Generation der geburtenstarken Jahrgänge – die sogenannten Babyboomer - in den nächsten zehn bis 15 Jahren in den Ruhestand verabschiedet, wird sie nicht zuletzt eine große Lücke hinterlassen in den Führungsetagen des Mittelstands. Schon jetzt zeigt sich die Problematik beim Blick auf die Altersverteilung der Inhabenden im Mittelstand: Laut KfW Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2022 sind aktuell 31 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer 60 Jahre oder älter - etwa 1,2 Millionen. Dem gegenüber steht eine zu gering besetzte nachrückende Generation von Gründerinnen und Gründern: Geburtenschwache Jahrgänge bei den potentiellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern sorgen in Verbindung mit geringem Gründungsinteresse für eine strukturelle Nachfolgelücke.
Diese wird zur echten Herausforderung für viele mittelständische Unternehmen, trotz aktivem Engagement bei der Nachfolgesuche erfolglos zu bleiben. Eine frühzeitige Planung wird darum umso entscheidender. Denn bei einer solide geplanten Firmenübergabe können von der Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten bis zum finalen Stabwechsel im Schnitt fünf Jahre vergehen.
Nachfolge ist auch eine emotionale Entscheidung
Für jeden Betriebsinhabenden ist der Rückzug aus dem eigenen Unternehmen ein großer Schritt. Loszulassen und das eigene Lebenswerk in die Hände eines anderen Menschen zu legen, fällt gerade Unternehmerpersönlichkeiten oft schwer. Gleichzeitig müssen im Nachfolgeprozess etliche persönliche, wirtschaftliche und rechtliche Aspekte berücksichtigt werden: Was ist die Firma wert? Wie innovationsfähig ist sie aus Sicht des Nachfolgenden? Gibt es familieneigene Kandidaten oder ist ein Management-Buy-Out oder Management-Buy-In die bessere Alternative?
Ist die ideale Person für die Nachfolge gefunden, steht die Frage im Raum, wie sich das Vorhaben am besten finanzieren lässt. In Nordrhein-Westfalen steht die NRW.BANK als Förderbank scheidenden Unternehmerinnen und Unternehmern, aber auch den Übernahme-Interessierten mit einem umfangreichen Förderangebot zur Seite. In anderen Bundesländern bieten andere Förderbanken mittelständischen Unternehmen zum Teil verschiedene Förderprogramme im Bereich Nachfolge. Eine Auflistung aller deutschen Förderbanken befindet sich am Ende dieses Beitrags. Es reicht von zinsverbilligten Krediten über Eigenkapitalfinanzierungen bis hin zu einer umfassenden Nachfolgeberatung. Wie finanziert wird, ist dabei eng mit der Frage verknüpft, wie das Steuerruder übergeben werden soll. Stammt etwa die Nachfolgerin oder der Nachfolger aus der eigenen Familie, stehen eine vorweggenommene Erbschaft, Schenkung, ein Unternehmensverkauf oder sogar eine Verrentung des Verkaufspreises zur Wahl. Wenn diese grundsätzlichen Fragen – auch mit der Hilfe von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern – geklärt sind, unterstützt die NRW.BANK mit ihrer Förderberatung die Selbständigen in individuellen und kostenfreien Einzelberatungen bei der Umsetzung der Finanzierungsstrategie. Sie sondieren für sie mögliche Förderprogramme und verweisen auf geeignete Netzwerke, die zum Beispiel bei der Neuausrichtung des Unternehmens oder dessen Digitalisierung behilflich sein können.
Jungunternehmerin Melanie Baum im Familienbetrieb, den sie 2016 erfolgreich von ihrem Vater übernommen hat.
Ein Beispiel, wie sich eine Firmenübergabe optimal gestalten lässt, ist der Familienbetrieb Baum Zerspanungstechnik aus Marl. Das Unternehmen fertigt Neu-, Ersatz- und Musterteile sowie Kleinserien für den Maschinenbau. Die heutige Firmeninhaberin Melanie Baum wurde von ihrem Vater, dem Unternehmensgründer Hans-Peter Baum, über einen Zeitraum von acht Jahren in einem mehrstufigen Prozess auf die Nachfolge vorbereitet.
Ab 2008 unterstützte die studierte Betriebswirtin und Kommunikationswissenschaftlerin den Familienunternehmer zunächst bei der Strategiearbeit. Es folgte ein dreijähriges Traineeprogramm in allen Bereichen des Betriebs. So konnte sich die Unternehmertochter Schritt für Schritt auf
die Geschäftsführung vorbereiten, die sie 2016 übernahm. Die NRW.BANK begleitete sie durch den Nachfolge-Prozess und bei Innovationsfragen. Zudem setzte die Jungunternehmerin Förderprogramme der NRW.BANK, der KfW und der Bürgschaftsbank NRW ein. Heute beschäftigt Baum Zerspanungstechnik 60 Mitarbeitende und behauptet sich erfolgreich am Markt. Als Musterfabrik NRW kooperiert der Familienbetrieb mit der RWTH Aachen. Im vergangenen Oktober wurde das Unternehmen mit dem Großen Preis des Mittelstandes der Oskar-Patzelt-Stiftung ausgezeichnet. Melanie Baum erhielt im November außerdem die Ehrenplakette für besondere unternehmerische Leistungen. Kurzum: Der metallverarbeitende Betrieb aus Marl hat den Führungswechsel erfolgreich gemeistert.
Eine Herausforderung, die in den nächsten Jahren noch etliche Unternehmen in ganz Deutschland bewältigen müssen.
Sich dabei frühzeitig mit den Finanzierungsfragen auseinanderzusetzen, ist für beide Parteien der Übernahme gleichermaßen wichtig. Denn die richtige Finanzierung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor einer erfolgreichen Unternehmensübernahme. Die Hausbank sollte daher rechtzeitig in den Übernahmeprozess eingebunden werden. In der Regel geht es um deutlich größere Summen als den ausgehandelten Kaufpreis. Meist fallen Transaktionskosten an. Außerdem sollten zukünftige Unternehmerinnen und Unternehmer bereits vor dem Kauf im Blick haben, dass ihr Unternehmen über ausreichend Betriebsmittel und Mittel für Ersatz- und Neuinvestitionen verfügt. Nur so lässt sich der Geschäftsbetrieb nachhaltig sichern. Förderbanken wie die NRW.BANK stehen beiden – der amtierenden Firmenleitung und den Nachfolgenden – als starke Partnerin zur Seite, die sie unabhängig bei der Nachfolge unterstützen.
Nachfolge-Businessplan gibt Orientierung
Grundlage einer jeden erfolgreichen Übernahme ist ein Nachfolge-Businessplan, der alle Schritte und Ziele sowie Zeitvorgaben konkret schriftlich berücksichtigt. Dabei müssen alle „fünf Ws“ beantwortet werden: Wer übergibt was wann und wie an wen? Ohne Beratung und Coaching schaffen es nur wenige Übernahmegründende, einen detaillierten Übernahmeplan zu erarbeiten. Als erste Anlaufstellen dienen hier meist die Industrie- und Handelskammern oder die Handwerkskammern, aber auch die Wirtschaftsförderungsgesellschaften beraten und coachen. Die Förderberaterinnen und Förderberater der NRW.BANK unterstützen Nachfolgerinnen und Nachfolger bei der Bewältigung aller weiteren Herausforderungen als neutrale Sparringsperson, um mit dem Übernehmenden unvoreingenommen Lösungsansätze und Fördermöglichkeiten zu diskutieren. In den Fördersprechtagen der NRW.BANK und den Beratertagen bei den Kammern vor Ort informieren sie zu Förderprogrammen für konkrete Nachfolgevorhaben.
Benötigen Übernehmende finanzielle Unterstützung für die eigentliche Übernahme oder um notwendige Investitionen tätigen zu können, stehen die Förderbanken mit zinsgünstigen Darlehen zur Seite. Im Fall der NRW.BANK beispielswiese mit dem Darlehen NRW.BANK.Gründung Wachstum oder dem NRW.BANK.Universalkredit. Reichen die Sicherheiten des Übernehmers nicht aus, kommt zur werthaltigen Besicherung von Krediten möglicherweise eine Bürgschaft einer deutschen Bürgschaftsbank wie der Bürgschaftsbank NRW infrage. Kleinere Übernahmen lassen sich dagegen auch ohne Sicherheiten mit Mikrodarlehen finanzieren.
Das Angebotsspektrum von Förderbanken wie der NRW.BANK ist insgesamt breit aufgestellt. Für jeden Nachfolgefall werden daraus passgenau die Komponenten genutzt, die es braucht, um eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge zu ermöglichen. So wie es im Fall von Melanie Baum und dem Familienunternehmen gelungen ist, der Jungunternehmerin die Übernahme zu ermöglichen und das Unternehmen zugleich zukunftsfest aufzustellen. Denn jede erfolgreiche Nachfolge stärkt den gesamten Mittelstand in Deutschland.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Fachbeitrag ist in Kooperation mit der NRW.Bank entstanden.
Förderinstitut und Förderbank des Bundes:
- Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): https://www.kfw.de/
Weitere Förderinstitute und Förderbanken der Länder:
- Baden-Württemberg – Landeskreditbank (L-Bank): https://www.l-bank.de/
- Bayern – Förderbank Bayern (LfA): https://www.lfa.de/
- Berlin – Investitionsbank (IBB): https://www.ibb.de/
- Brandenburg – Investitionsbank (ILB): https://www.ilb.de/
- Bremen – Aufbau-Bank (BAB): https://www.aufbau-bank.de/
- Hamburg – Investitions- und Förderbank (IFBHH): https://www.ifbhh.de/
- Hessen – Wirtschafts- und Infrastrukturbank (WIBank): https://www.wibank.de/
- Mecklenburg-Vorpommern – Landesförderinstitut (LFI-MV): https://www.lfi-mv.de/
- Niedersachsen – Investitions- und Förderbank (NBank): https://www.nbank.de/
- Nordrhein-Westfalen – NRW.Bank: https://www.nrwbank.de/
- Rheinland-Pfalz – Investitions- und Strukturbank (ISB): https://www.isb.rlp.de/
- Saarland – Saarländische Investitionskreditbank AG (SIKB): https://www.sikb.de/
- Sachsen – Sächsische Aufbaubank (SAB): https://www.sab.sachsen.de/
- Sachsen-Anhalt – Investitionsbank (IB): https://www.ib-sachsen-anhalt.de/
- Schleswig-Holstein – Investitionsbank (IB.SH): https://www.ib-sh.de/
- Thüringen – Thüringer Aufbaubank (TAB):https://www.aufbaubank.de/
Dieser Beitrag ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Arbeitswelt von morgen"