04.07.2013Fachbeitrag

Rechtskommentar:
Kopie eines Testaments als "Original"? - Ablichtung eines Testaments kann als Nachweis für den Erbanspruch ausreichen

Wer ein Testament verfasst, verfolgt in der Regel das Ziel, nach seinem Ableben die gesetzliche Erbfolge auszuschließen. Tritt der Erbfall nach dem Verfassen des Testaments dann tatsächlich ein, fangen die Probleme aber oft erst an. Ist das in Rede stehende Testament zwar wirksam zustande gekommen, das Original aber nach dem Tod des Erblassers dennoch nicht mehr auffindbar, sollten Erben oder Vermächtnisnehmer, die wenigstens über eine Kopie des Testaments verfügen, die Flinte nicht sofort ins Korn werfen.

Dies jedenfalls lässt sich einem aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg aus dem Frühjahr 2012 entnehmen. Dabei ging es um folgenden – vereinfacht dargestellten – Fall:

Der im Jahre 2001 verstorbene Erblasser hatte keine gesetzlichen Erben hinterlassen. Erst als ein Neffe der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers dem Nachlassgericht fast 10 Jahre nach dem Erbfall die Kopie eines handschriftlichen Testaments des Erblassers einreichte, kam ein Erbanspruch des Neffen überhaupt in Betracht. Das Original des Testaments konnte allerdings nicht mehr aufgefunden werden.

Die daraufhin vom Neffen beantragte Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte, wurde vom Amtsgericht (Nachlassgericht) zurückgewiesen, da nicht zweifelsfrei feststehe, dass das Original tatsächlich vom Erblasser verfasst worden und der Verlust des Originals nicht auf einen wirksamen Widerruf des Testaments, z. B. durch bewusste Vernichtung durch den Erblasser, zurückzuführen sei.

Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wurde schließlich vom Oberlandesgericht in der mündlichen Verhandlung u.a. zum Anlass für die Vernehmung der Ehefrau des Antragstellers als Zeugin genommen.

Das OLG hat in seiner Entscheidung zwar betont, dass zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich die Urschrift (= Original) der Urkunde vorzulegen ist, auf die das Erbrecht gestützt wird. Soweit diese Urkunde jedoch nicht mehr auffindbar sei, komme der allgemein anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist. In einem solchen Fall können Errichtung und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln, auch durch Vorlage einer Kopie, bewiesen werden. An den Nachweis der Wirksamkeit des Testaments seien allerdings auch hier strenge Anforderungen zu stellen.

Im vorliegenden Fall hatte der Antragsteller die Kopie eines Testaments des Erblassers erst nahezu ein Jahrzehnt nach Eintritt des Erbfalls vorgelegt. Aufgrund der anschaulichen, sehr detaillierten und nahezu widerspruchsfreien Aussage der Ehefrau des Antragstellers ist der Senat des OLG Naumburg schließlich zu der Überzeugung gelangt, dass ein Originaltestament mit dem aus der Kopie ersichtlichen Inhalt von dem Erblasser tatsächlich formgültig errichtet worden ist.

U.a. die genaue Schilderung der handschriftlichen Errichtung des Testaments durch den Erblasser in einem Krankenhausbett und die jahrelange Aufbewahrung der Kopie des Testaments in einem Kochbuch der Ehefrau des Antragstellers haben die Überzeugung des Gerichts gestärkt. Vollends überzeugt hat den Senat dann die mehr zufällige Kenntniserlangung des Antragstellers vom Inhalt einer Gerichtsentscheidung, wonach auch eine Kopie eines Testaments als tauglicher Erbnachweis dienen könne. Erst diese Entscheidung hatte den Antragsteller nahezu 10 Jahre nach dem Erbfall überhaupt zur Geltendmachung seines Erbanspruchs veranlasst.

Auf der anderen Seite hat das Gericht die Nichtauffindbarkeit des Originals – im Gegensatz zur Vorinstanz – nicht als ausreichendes Indiz für einen tatsächlich erfolgten Widerruf des Testaments durch Vernichtung der Originalurkunde gewertet.

Hier hat der Senat die Verteilung der sog. Feststellungslast (ähnlich wie im Steuerrecht hinsichtlich steuererhöhender bzw. steuerreduzierender Umstände) im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zutreffend erkannt.

Danach hat derjenige, der für sich ein Erbrecht in Anspruch nimmt – hier der Antragsteller – die Last der Nichtfeststellbarkeit der rechtsbegründenden Tatsachen zu tragen. Hierzu gehören vor allem die Existenz und der Inhalt des Testaments, etwa in Abgrenzung zu einem bloßen Testamentsentwurf. Demgegenüber geht der fehlende Nachweis rechtsvernichtender Tatsachen (z.B. der Widerruf eines Testaments) nicht zu seinen Lasten.

Diese Feststellungslast hat im Zweifel derjenige zu tragen, dem diese Tatsachen zugutekommen, also z.B. ein gesetzlicher Erbe, dessen Erbrecht durch die Existenz des Testaments zunichte gemacht werden würde. Vor diesem Hintergrund kam das OLG Naumburg zu einer für den Antragsteller positiven Entscheidung.

Fazit:

An die Wirksamkeit eines Testaments stellt der Gesetzgeber eine Reihe formaler Anforderungen, um sicherzustellen, dass tatsächlich nur der letzte Wille des Erblassers zur Geltung kommt. Zudem gilt im Zweifel nur das letzte bekannt gewordene Testament, da nur darin der letzte Wille des Erblassers enthalten ist.

Hat ein potenzieller Erbe oder Vermächtnisnehmer zwar kein Original des ansonsten nicht mehr auffindbaren – und für ihn günstigen – Testaments vorliegen, aber immerhin eine lesbare Kopie zur Verfügung, sollte der Versuch einer Geltendmachung des Erbanspruchs zumindest versucht werden. Kann zusätzlich das Zustandekommen des Testaments durch sonstige Beweismittel, z.B. Zeugenaussagen, unterlegt werden, ist der Weg zum erhofften Erbe doch noch eröffnet. Da die Durchsetzung eines auf diese Weise begründeten Erbanspruchs u.U. genauer und nachhaltiger Begründung bedarf, empfiehlt sich auch hier die Zuziehung eines kompetenten Beraters, um keine unnötigen Risiken einzugehen.

Der Autor:

Dr. Joerg Andres ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater (www.andresrecht.de) in Düsseldorf und Beirat der Advocatax Steuerberatungsgesellschaft mbH, Düsseldorf. Er ist spezialisiert auf die Bereiche Erbrecht, Steuerverfahrens- und Gesellschaftsrecht. Zudem ist er langjähriger Dozent und Autor u.a. für Erbschaftsteuer-, Steuerstraf- und -verfahrensrecht. Er ist als Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management, Standort Düsseldorf, tätig und leitet das dortige Kuratorium. Der Autor ist Verfasser des kompakten Erbenratgebers "Heute schon geerbt? … sogar schon gestern.", der als E-Book

Mehr zu diesen Themen