10.11.2021Interview

“Viele KMU sind schon heute sehr fortschrittlich eingestellt."

Anfang des Jahres trat in Deutschland ein nationales Brennstoffemissionshandelssystem in Kraft.

Mit einem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung im April zu Nachbesserungen ihrer Klimaschutzziele verpflichtet. Darauf hat die Bundesregierung ihr Klimaschutzgesetz novelliert. Deutschland soll danach nun bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Doch was bedeutet dieses Ziel für KMU und welche Rolle spielen sie auf dem Weg Deutschlands in die Klimaneutralität?

Frau Schulze, welche Rolle nimmt die Bundesrepublik Deutschland bei der UN-Klimakonferenz in Glasgow ein?

Deutschland und die EU sind mit starken Klimazielen nach Glasgow gekommen, die noch dazu rechtsverbindlich sind. Das zeigt: Wir nehmen das Versprechen von Paris ernst. Wie dort vereinbart, haben wir im letzten Jahr – fünf Jahre nach Paris – unsere Klimaziele nach oben korrigiert. Das hat eine weltweite Dynamik entfacht: Auch die USA, Großbritannien, Japan, Costa Rica haben ihre Klimaziele erhöht.

Klar ist aber auch: Die Weltgemeinschaft ist noch nicht auf Kurs, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Auch bei der Unterstützung von Klimaschutz in Entwicklungsländern gibt es noch Nachholbedarf. Und einige Details im Regelwerk des Pariser Abkommens müssen konkreter festgelegt werden. Dafür setze ich mich in Glasgow ein.

 

Sie sagen, dass sich in den kommenden zehn Jahren entscheidet, ob wir es schaffen, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Welche Entscheidungen sind in dieser Hinsicht auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow notwendig?

Zentrale Herausforderung ist, dass noch weitere Länder verbesserte Klimaziele für 2030 vorlegen und damit das Versprechen von Paris einlösen. Da denke ich vor allem an die Länder der G20, die das noch nicht getan haben: China zum Beispiel, Australien und Russland. Hier werden wir Europäer nicht lockerlassen, eine Verbesserung der Ziele einzufordern. Denn alle müssen mitmachen, wenn wir die Pariser Klimaziele erreichen wollen. Ein großer Fortschritt ist, dass auch diese Länder jetzt die Klimaneutralität anstreben.

Deutschland kann anderen Ländern im Kampf gegen den Klimawandel helfen – finanziell, aber auch mit den Erfahrungen, die wir hier machen. Zum Beispiel dabei, wie eine erneuerbare Energieversorgung funktioniert oder wie Stahlproduktion auf Basis von grünem Wasserstoff gelingt.

 

Welche Rolle spielen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Kampf gegen den Klimawandel und für das Erreichen der deutschen Klimaziele?

Deutschlands Wirtschaft wird vom Mittelstand getragen. Daher spielen KMU auch eine ganz entscheidende Rolle im Klimaschutz. Viele KMU sind schon heute sehr fortschrittlich eingestellt und haben die Klimaneutralität fest im Blick. Manchmal schon allein deshalb, weil sie Teil einer Lieferkette sind, die das einfordert. Der Mittelstand trägt außerdem die starke Entwicklung der Umwelttechnologien in Deutschland. Das sichert internationale Wettbewerbsfähigkeit, hochwertige Arbeitsplätze und stabilisiert die wirtschaftliche Entwicklung.

Ich setze mich dafür ein, dass nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltige Wertschöpfungsketten von der Politik gestärkt werden. Dazu brauchen wir verbindliche Umweltstandards und zukunftsgerichtete Investitionen. So unterstützt das Bundesumweltministerium beispielsweise die deutsche KMU-GreenTech-Branche mit Förderprogrammen wie der Exportinitiative Umwelttechnologien oder durch die Nationale Klimaschutzinitiative.

 

Anfang des Jahres trat das nationale Emissionshandelssystem (nEHS) in Kraft. Wie wollen Sie verhindern, dass die damit verbundenen Belastungen für KMU zu einem Nachteil im internationalen Wettbewerb werden?

Mit der Einführung des nationalen Brennstoffemissionshandels haben wir in Deutschland zunächst einmal für gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen allen Unternehmen gesorgt, die dasselbe Produkt herstellen. Denn jetzt zahlen alle Unternehmen für CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen einen CO2-Preis: entweder im Rahmen des EU-Emissionshandels oder im Rahmen des nationalen Brennstoffemissionshandels.

Daneben erhalten die Unternehmen, die mit ihren Produkten besonders im internationalen Wettbewerb stehen, eine finanzielle Kompensation für einen Teil der zusätzlichen CO2-Kosten. Dies betrifft Unternehmen in allen Branchen, für die auch im EU-Emissionshandel ein sogenanntes „Carbon-Leakage-Risiko“* festgestellt wurde. 

* Carbon-Leakage-Risiko: Risiko, CO2-Emissionen in Länder mit weniger strengen Emissionsauflagen zu verlagern. 

Darüber hinaus wird ein großer Teil der Einnahmen aus dem nationalen Brennstoffemissionshandel für die Entlastung der EEG-Umlage verwendet. Für die Unternehmen sinken dadurch die Stromkosten.

Damit hat die Bundesregierung sichergestellt, dass durch die Einführung des Brennstoffemissionshandels für deutsche Unternehmen keine unangemessenen Nachteile im internationalen Wettbewerb entstehen.

 

Was sollten die ersten Schritte einer neuen Bundesregierung sein, um die deutschen Klimaziele zu erreichen?

Über die nächsten Schritte muss natürlich die neue Bundesregierung entscheiden. In jedem Fall hat sie dafür eine solide klimapolitische Grundlage: ein Klimaschutzgesetz mit konkreten CO2-Minderungszielen für alle Bereiche. Verfehlt ein Sektor die vereinbarten Ziele, muss sofort nachgesteuert werden.

Klar ist, dass wir weitere und verschärfte Klimaschutzmaßnahmen brauchen werden, um die ambitionierteren Ziele des neuen Klimaschutzgesetzes zu erreichen.

Das Klimaschutzprogramm 2030 mit seinem breiten Maßnahmenmix ist dafür eine gute Grundlage. Die neue Bundesregierung kann darauf aufbauen. Das wird in dieser Legislaturperiode sicher leichter werden, wenn sich die neue Bundesregierung stärker als ein Team versteht.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Schulze!

Dieses Interview ist Teil der Beitragsserie Internationale Klimapolitik

 

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