„Wir haben neue Impulse gesetzt“
Unternehmen sollten sich früh auf eine Nachfolge im eigenen Betrieb vorbereiten.
DMB-Mitglied Benny Hahn hat mit seinem Geschäftspartner Christian Bopp mithilfe des Search-Fund-Modells ein mittelständisches Unternehmen als Geschäftsführer übernommen. Die provantis IT Solutions GmbH entwickelt Software für das Projektmanagement wie beispielsweise zur Erfassung von Arbeits- und Projektzeiten an. Im Interview mit dem DMB Hahn darüber, wie der Übernahmeprozess verlaufen ist und welche Erfahrungen er als junger Geschäftsführer gesammelt hat.
DMB: Hallo Herr Hahn, sie haben zusammen mit ihrem Geschäftspartner Christian Bopp 2022 die provantis IT Solutions GmbH als Geschäftsführer übernommen. Wie ist der Übernahmeprozess verlaufen? Gab es besondere Momente oder Meilensteine?
Benny Hahn: Wir hatten uns damals mit dem Modell des Search Funds auf die Suche nach einem Unternehmen im deutschsprachigen Raum, was einen Übergabeprozess anstrebte, begeben. Unser Fokusbereich lag auf Unternehmen mit Bezug zu Software und darunter war auch der Teilbereich von Software für das Projektmanagement. Wir sind daraufhin proaktiv auf die beiden Gründer der provantis IT Solutions GmbH zugegangen. Zuerst mit einem sehr persönlichen Brief und im Anschluss im E-Mail- sowie persönlichen Austausch. Wir konnten glücklicherweise ihr Interesse wecken und ins Gespräch kommen. Über mehrere Gespräche hinweg haben wir gemerkt, dass es in die richtige Richtung geht, mehrere Aspekte direkt gut gepasst haben. Zum einen der gemeinsame Wille dieses mittelständische Unternehmen mit Blick auf beispielsweise Langfristigkeit und Nachhaltigkeit weiterzuführen. Als nächsten Schritt haben wir einen Letter of Intent unterzeichnet, der uns in die Verantwortung nahm, uns auf das Unternehmen zu fokussieren und wir andersherum als potenzielle Nachfolger priorisiert wurden. Das war der Startpunkt des strukturierten Übernahmeprozesses. Dafür wurde ein vollumfängliches Konzept erarbeitet. In einer gelungenen Zusammenarbeit mit den Gründern wurden alle relevanten Aspekte des Unternehmens geprüft. Uns sind in dem Prozess keinerlei Warnzeichen aufgefallen, was dann dazu führte, dass wir recht schnell mit der Kaufverhandlung starten konnten. Die Nachfolge konnte offiziell Ende März 2022 starten. Unser Übernahmeprozess hat somit circa fünf Monate gedauert.
Sehr spannend, waren in dem Prozess auch Dritte mit eingebunden, wie beispielsweise Investoren oder Berater?
Wir haben uns einerseits für Teilbereiche der Due-Diligence-Prüfung für beispielsweise steuerrechtliche Prüfungen Dienstleister mit ins Boot geholt. Einige Teilbereiche der Prüfung konnten wir selbst durchführen, um uns gleichzeitig mit den Kunden, dem Markt, dem Produkt und den kommerziellen Themen des Unternehmens tiefer zu beschäftigen. Die Investoren, die durch das Search-Fund-Modell Teil des Projekts sind, haben natürlich zu jedem Zeitpunkt im Prozess ihre Meinungen und Impulse eingebracht. Dementsprechend gab es einen inneren Kreis, der konstant in den Prozess integriert war. Wir können solch eine Vorgehensweise definitiv weiterempfehlen. Es traten keinerlei größere Komplikationen auf.
Wie verlief der Prozess, in ihrem Fall, von staatlicher Seite aus? Gab es Momente, in denen Ihnen bürokratische Steine in den Weg gelegt wurden?
Im Rahmen des Unternehmenskaufes mussten wir entsprechend Anwälte und Notare mit involvieren. Allein der Notartermin zeigte wie viel Bürokratie in so einem Prozess steckt. Wir saßen mehrere Stunden mit den beiden Gründern im Notarzimmer und durften uns Vertragswerk nach Vertragswerk anhören. Da gab es einen enormen bürokratischen Aufwand. Von der Seite der Banken aus hatten wir weniger Bürokratieprobleme, dafür aber eher Schwierigkeiten mit teils konservativen Ansichten. Die provantis IT Solutions GmbH existiert schon seit mehr als 23 Jahren und hatte auch zu dem Zeitpunkt der Übernahme sehr gute Finanzkennzahlen. Dennoch haben wir von einigen Banken das Feedback bekommen, dass Risiken im Unternehmen gesehen werden und deswegen Abstand von der Finanzierungsunterstützung genommen wird. Wir mussten also in dieser Hinsicht schon mit einigen Rückschlägen umgehen, haben aber am Ende eine Bank gefunden, die uns auch heute noch sehr gut unterstützt.
Haben Sie besondere Methoden angewendet, um neue Geschäftsmöglichkeiten zu identifizieren und zu erschließen?
Wir haben auf bestehendem aufgebaut, aber auch viele eigene neue Ideen eingebracht. Im Vorhinein richteten wir einen genauen Blick auf die Unternehmens- und Kundenstruktur, den Markt und das Produkt, wodurch viele Ideen entstanden. Es war auch wichtig, sich intensiv mit dem bestehenden Team auszutauschen. So konnten wir unsere Vorstellungen mit dem realistischen Möglichen abgleichen und eine gute Mitarbeiterbindung herstellen. Wir haben beispielsweise die Website sowie die Marke komplett neu aufgesetzt, neue Prozesse für den Vertrieb entwickelt und eingeführt sowie mit der Versendung eines Newsletters begonnen. Es ist meiner Meinung nach auch eine Generationsfrage: Die Gründer haben den Schwerpunkt im Unternehmen und am Markt auf ein bestimmtes Segment gelegt und mein Geschäftspartner Christian Bopp und ich legen den Schwerpunkt da etwas anders und blicken anders auf den Markt. Wir schauen sehr stark darauf, wir uns langfristig und modern im Markt platzieren können und das sehr gute Produkt immer stärker etablieren können. Wir haben neue Impulse setzen können.
Das hört sich nach einem sehr spannenden und produktiven Prozess an. Wie lief dabei der Austausch mit den Gründern des Unternehmens?
Da wir durch den Generationenunterschied teilweise auch andere Sichtweisen auf das Unternehmen haben, sind wir neue Thematiken zu Beginn sehr behutsam angegangen. Wir haben die Themen, die unserer Meinung nach eher dringend waren, zuerst umgesetzt und dabei aber immer eine Erklärungsarbeit geleistet, um das Team und deren Wissen einzubeziehen. So konnten die Gründer, sowie die Mitarbeiter, gut nachvollziehen was wir warum machen. Transparente Kommunikation ist dabei unglaublich relevant.
Viele Unternehmen setzen heute auf moderne Arbeitstechniken und digitale Plattformen. Haben sie ähnliches auch in Ihrem Unternehmen eingeführt?
Ja, wir haben zum Beispiel ein neues CRM-System eingeführt, was uns mehr Möglichkeiten in der Automatisierung und Marketingprozessen gibt. Wir haben ebenfalls ein neues Unternehmenswiki eingeführt, um die interne Dokumentation zu stärken und das deutlich größer gewordene Team dabei auch mit einzubeziehen. Aber auch mehrere kleinere Prozesse und Tools, wie beispielsweise die Telefonanlage, haben wir erneuert und auf eine neue Software umgestellt.
Sie haben viele Beschäftigte, die ortsunabhängig arbeiten. Kann trotzdem eine Unternehmenskultur aufgebaut bzw. erhalten werden?
Der Modus hat sich bei uns mittlerweile richtig gut eingespielt. Der Großteil unseres Teams arbeitet remote, es gibt nur einige wenige Beschäftigte, die regelmäßig von dem Büro aus arbeiten. Unser Team ist in den letzten eineinhalb Jahren auch ordentlich gewachsen und wir haben viele neue Personen angestellt, die nicht in der Nähe unseres Büros in Stuttgart sitzen, sondern in der gesamten Bundesrepublik verteilt sind. Wir sehen uns aber digital in festen wöchentlichen Terminen, um einen guten Austausch zu gewährleisten. Darüber hinaus veranstalten wir einmal im Quartal ein Teamevent, bei welchem wir uns mindestens zwei Tage lang mit allen in Präsenz treffen und Workshops, sowie Teambuilding-Maßnahmen ausüben.
Wie kam die von Ihnen beschriebene Veränderung bei den Angestellten, die schon lange im Betrieb arbeiten, an?
In den ersten beiden Workshops hat man definitiv gemerkt, dass da ein neues Gefüge und ein neues Teamgefühl entsteht, was natürlich auch etwas Zeit in Anspruch nimmt. Wir stehen aber mittlerweile kurz vor dem fünften Event dieser Art und merken, dass die Kultur sowie das Teamgefühl immer besser werden. Wir spüren wie das Team spannende gemeinsame Erfahrungen macht und durch die Events enger zusammenwächst.