Arbeit und Bildung: Nähe oder Distanz?
SPD, Grüne und FDP sondieren über eine mögliche „Ampel-Koalition“. Doch wie gut passen die Parteien inhaltlich zusammen und wo gibt es Konfliktpotential in den Gesprächen? Der DMB zeigt mit seiner „Koalitionsampel“ auf, wo Streitpunkte liegen.
Themenfeld – Arbeit & Bildung
Im Bereich Arbeit & Bildung wird erkennbar, dass die Parteien eine unterschiedliche Historie haben, aus der auch entsprechend unterschiedliche Ansätze hervorgehen. In vielen Aspekten werden jedoch Schnittmengen erkennbar. Diese gemeinsamen Schnittmengen liegen in einigen Punkten bei SPD und Grünen und in anderen Aspekten haben FDP und Grüne ähnliche Vorstellungen.
Lohnzusatzkosten deckeln
SPD und Grüne haben sich in ihren Wahlprogrammen nicht explizit zu der Frage geäußert, ob Lohnzusatzkosten gedeckelt werden sollen. Die FDP möchte allerdings die Abgabenbelastung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf eine Abgabenquote (Steuerquote plus Sozialbeitragsquote) von unter 40 Prozent senken.
Flexibilisierung Renteneintrittsalter (Fachkräfte)
Die SPD spricht sich gegen eine weitere Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters aus. Außerdem sollen insbesondere langjährig Versicherte vor Erreichen der Regelaltersgrenze weiterhin ohne Abschläge in Rente gehen können. Auf die Möglichkeit, freiwillig länger zu arbeiten, geht die SPD in ihrem Wahlprogramm jedoch nicht ein.
Die Grünen möchten die Rente mit 67 beibehalten. Gleichzeitig wollen sie es den Bürgern aber erleichtern, selbst darüber zu bestimmen, wann sie in Rente gehen möchten und das auch über die Regeleintrittsgrenze hinaus.
Die FDP hingegen möchte das „Renteneintrittsalter nach schwedischem Vorbild flexibilisieren“. Das würde bedeuten, dass Menschen, die später in Rente gehen eine höhere Rente erhalten und Menschen, die früher in Ruhestand gehen, bekommen eine niedrigere Rente. Wer das 60. Lebensjahr und mindestens das Grundsicherungsniveau erreicht, solle selbst über den Zeitpunkt des Rentenbeginns entscheiden können.
Obwohl alle drei Parteien unterschiedliche Ansätze verfolgen, bestehen bei der Flexibilisierung des Renteneintrittsalters durchaus gemeinsame Schnittmengen, insbesondere bei Grünen und FDP.
Fachkräftezuwanderung vereinfachen (Qualifikation)
Die FDP spricht sich bei der Einwanderung von Fachkräften in den deutschen Arbeitsmarkt für ein „modernes Zwei-Säulen-System“ aus. Dabei soll es eine überarbeitete Blue-Card geben, die auch für nicht-akademische Arbeitskräfte geöffnet wird. Zusätzlich soll eine sogenannte Chancenkarte mit einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild eingeführt werden, das Fachkräften die Möglichkeit bieten soll, auch ohne Arbeitsplatzangebot zur Arbeitssuche nach Deutschland zu kommen. Mittelfristig soll diese Chancenkarte nach dem Willen der FDP in einem europäischen Talentpool aufgehen. Gut integrierte Schutzsuchende sollen die Möglichkeit eines „Spurwechsels“ in eine der beiden Säulen der Einwanderung in den Arbeitsmarkt erhalten.
Auch die Grünen setzen auf eine punktebasierte Talentkarte auf Basis des jährlichen Arbeitskräftebedarfs. Ähnlich wie die FDP möchten die Grünen Menschen, die keinen sicheren Aufenthaltstitel in Deutschland haben, aber bereits in den Arbeitsmarkt integriert sind oder deren Qualifikation zum Fachkräftebedarf passt, einen „Spurwechsel“ ermöglichen.
Während die SPD in ihrem Wahlprogramm auf dieses Thema nicht eingeht, gibt es hier sichtbare Gemeinsamkeiten zwischen Grünen und FDP.
Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit (Statt einer täglichen)
Die SPD betont in ihrem Wahlprogramm, die „Schutzfunktion des Arbeitszeitgesetzes erhalten“ zu wollen. Die tägliche Arbeitszeit zu verlängern, kommt daher aus Sicht der SPD nicht in Frage.
Die FDP möchte die Arbeitszeit flexibilisieren und eine „wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit“ einführen.
Die Grünen gehen in ihrem Wahlprogramm nicht auf diesen Punkt ein.
Rechtsanspruch auf Homeoffice
Die SPD möchte einen Rechtsanspruch auf mobile Arbeit einführen. Bei einer Fünf-Tage-Woche sollen Beschäftigte grundsätzlich mindestens 24 Tage pro Jahr mobil oder im Homeoffice arbeiten können, sofern die Tätigkeit dies erlaubt. Dazu möchte sie auch ein Mitbestimmungsrecht für die Einführung und Ausgestaltung mobiler Arbeit einführen. Die Freiwilligkeit der Beschäftigten ist insgesamt ein Grundsatz, der bei der mobilen Arbeit laut SPD gelten muss.
Die FDP fordert zwar keinen Rechtsanspruch auf Homeoffice, sondern „mobiles Arbeiten und das Homeoffice nach niederländischem Vorbild zu stärken.“ Der Arbeitgeber muss dann den Antrag der Beschäftigten auf mobiles Arbeiten oder Homeoffice prüfen und gemeinsam mit ihnen erörtern. In einem solchen Erörterungsanspruch sieht die FDP die Möglichkeit, einen Kulturwandel und die Akzeptanz des mobilen Arbeitens zu fördern.
Die Grünen möchten ein Recht auf mobiles Arbeiten einführen, das entweder im Homeoffice oder im Co-Working-Space stattfindet. Allerdings betont die Partei, dass diese mobile Arbeit stets freiwillig für die Beschäftigten erfolgen und mit einem Rückkehrrecht an einen Arbeitsplatz im Betrieb verbunden sein muss.
Da SPD und Grüne einen Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten einführen möchten und die FDP dem Thema Homeoffice grundsätzlich positiv gegenübersteht, dürfte es hier Aussichten auf eine Einigung geben.
Rentenversicherungspflicht Selbstständige / Bürgerversicherung
Die SPD möchte eine „grundsätzliche Pflicht zur Altersvorsorge einführen und Selbstständige schrittweise in die gesetzliche Rentenversicherung integrieren“. Außerdem streben die Sozialdemokraten eine „Vollversicherung als Bürgerversicherung“ an, die alle pflegerischen Bedarfe und Leistungen abdeckt.
Ähnlich setzen sich auch die Grünen dafür ein, die gesetzliche Rentenversicherung schrittweise zu einer „Bürger*innenversicherung“ weiterzuentwickeln. In einem ersten Schritt sollen dabei Selbstständige ohne obligatorische Absicherung verpflichtend in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden.
Die FDP hingegen möchte für Selbstständige „maximale Wahlfreiheit“ bei der Altersvorsorge. Ein gemeinsamer Schnittpunkt mit SPD und Grünen liegt jedoch darin, dass die Freien Demokraten eine Pflicht zur Altersvorsorge wie bei der Krankenversicherung grundsätzlich für angemessen halten.