16.11.2016Fachbeitrag

Rechtskommentar:
Wann liegt eine AGB-Klausel vor?

Häufig geht es im Geschäftsverkehr um die Frage, wann eigentlich eine vorformulierte, einseitig gestellte Vertragsbedingung vorliegt, die als allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) einer besonderen gesetzlichen Inhaltskontrolle unterliegt. Oder andersherum: Wann gilt eine zwar einseitig gestellte Vertragsklausel als zwischen den Parteien individuell ausgehandelt, so dass das Vorliegen einer AGBKlausel zu verneinen ist? Und welche Voraussetzungen sind im Einzelnen an das individuelle Aushandeln einer Vertragsklausel zu stellen? In einer aktuellen Entscheidung des BGH (Urteil vom 20.01.2016, Az. VIII ZR 26/15) ging es um eben diese Frage.

In dem BGH-Fall hatte ein pharmazeutisches Unternehmen erfolglos die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem einem Arzneimittelgroßhändler übermittelten Mustervertrag nicht um AGB handele, sondern vielmehr um einen individuell ausgehandelten Vertrag. Als Begründung verwies das Pharmazieunternehmen darauf, dass der Vertrag mit dem Zusatz übersendet worden war, eventuelle Anmerkungen oder Änderungswünsche könnten dem Unternehmen mitgeteilt werden.

Der BGH führt unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung aus, dass zwar ein Stellen von Vertragsbedingungen nicht vorliegt, wenn der Vertragspartner bei der Auswahl der vorformulierten, in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere die Gelegenheit erhält, eigene Textvorschläge als Alternativen einzubringen. Es müsse jedoch die tatsächliche Möglichkeit bestehen, eigene Vorschläge auch durchsetzen zu können. Allein die Gelegenheit, zu vorformulierten Vertragsbedingungen Änderungswünsche mitteilen zu können, führe nicht zu einer realistischen Chance, Alternativvorschläge auch tatsächlich durchsetzen zu können.

Fazit: Sicherlich ist es nachvollziehbar, dass ein lapidarer Hinweis auf die Möglichkeit einer Unterbreitung von Änderungsvorschlägen - ohne eine Berücksichtigung der tatsächlich bestehenden Verhandlungspositionen und Einflussmöglichkeiten- nicht ausreicht, um sich einer AGB-Kontrolle zu entziehen. Durch die obige Entscheidung des BGH hat das im europäischen Vergleich eher strenge deutsche AGB-Recht eine erneute Verschärfung erfahren. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist daher durchaus auch die Rechtswahl zu Gunsten einer anderen ausländischen Rechtsordnung in Betracht zu ziehen. Verwender von Musterverträgen sollten sich darüber im Klaren sein, dass an ein individuelles Aushandeln strenge Anforderungen gestellt werden, und ggfs. gezielte Rechtsberatung in Anspruch nehmen.

Autorin

Ruth Witten-Violetti
Rechtsanwältin

Derra, Meyer & Partner Rechtsanwälte

www.derra.eu

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