27.09.2023Interview

"KI wird die Unternehmenskommunikation durcheinanderwirbeln"

Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, Prozesse zur Entwicklung und Erstellung von Inhalten zu beschleunigen.

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ist das derzeit vielleicht spannendste Thema in Sachen Unternehmenskommunikation. Bereits jetzt werden KI-Tools intensiv und erfolgreich in die Kommunikationsarbeit eingebunden. Als Inhaber der Marketingagentur ideenhunger media GmbH setzt sich Benjamin Burkard täglich damit auseinander, wie Inhalte, Webseiten und Social-Media Arbeit durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz noch effektiver gestaltet werden können. Im Interview verrät er unter anderem, welche Erkenntnisse er dabei bislang gewonnen hat, wie er KI selbst im Berufsalltag einsetzt, auf welche Gefahren man achten sollte und welche Potentiale der Einsatz von KI in der Unternehmenskommunikation in der Zukunft bereit hält.

Herr Burkard, bitte stellen Sie sich und Ihr Unternehmen kurz vor.

Mein Name ist Benjamin Burkard und ich habe die ideenhunger media GmbH vor 13 Jahren gemeinsam mit meinem Kollegen Simon Eberhardt gegründet. Dabei handelt es sich um eine Agentur und Kommunikationsberatung. Wir stehen für authentische Markenkommunikation. Denn wir glauben daran, dass man auf lange Sicht nur erfolgreich ist, wenn man niemandem etwas vormacht. Unser Geschäft basiert auf drei strategischen Feldern: der klassischen Marketingberatung, Performance Marketingkampagnen und Web, Webdesign und Webentwicklung. Unternehmerisch gesehen ist es mir vor allem wichtig, ein System zu gestalten, in dem sich meine Kollegen und Kolleginnen wohl und sicher fühlen. So können sie ihre Arbeit bestmöglich machen.

In welcher Form setzen Sie sich professionell mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenskommunikation und im Marketing auseinander?

Sowohl intern als auch extern. Intern diskutieren wir aktuell im Team vor allem darüber, wie wir KI nutzen können, um neue Formen von Kommunikation anzustoßen. Das ist unser Brennpunktthema. Extern nutzen wir KI für die Kundenkommunikation, insbesondere im Bereich Social-Media Content und um Anstöße für unsere Weiterbildungs- und Webinarangebote zu erhalten. Außerdem zeigen wir unseren Kunden, wie KI ihre Marketingarbeit im Alltag erleichtern kann.

Was ist die wichtigste Erkenntnis aus Ihrer Arbeit mit KI?

Es ergibt sich insbesondere ein großes Learning für uns: Es braucht einen Dreiklang aus Mensch, KI und wieder Mensch. Denn man braucht immer zunächst den Menschen, der sich im Arbeitsprozess Gedanken dazu macht, mit welchen Informationen man die KI füttert. Dann kommt ein KI-Tool zum Zug und erstellt Inhalte. Die muss der Mensch dann aber danach auch nochmal interpretieren. Das ist ganz wichtig! Denn wir haben in den vergangenen Monaten auch schon oft erlebt, dass die Künstliche Intelligenz Unsinn ausgegeben hat. Das lag dann meist daran, dass der Input für sie zuvor nicht präzise genug formuliert war. Wichtig also: Die Befehle, auch „Prompts“ genannt, sollten so viele Informationen wie möglich enthalten und so präzise wie möglich formuliert sein. Ein Tipp dazu: Ich frage ein KI-Tool gern zunächst, welche Informationen es benötigt, um eine bestimmte Aufgabe bestmöglich zu lösen. Die Antworten können dann wieder in den anschließenden Arbeitsauftrag an die KI fließen, um das Ergebnis zu optimieren.

Wie kann KI in der Unternehmenskommunikation eingesetzt werden, um die Kundenkommunikation zu verbessern?

Der Einsatz von KI kann unglaublich hilfreich sein, um die Inhaltsentwicklung zu unterstützen und Inhalte zu erstellen. Nicht zuletzt in der Social-Media Arbeit. Angefangen bei der Recherchearbeit bis hin zu Autopilot-Postings, bei denen ein KI-Tool vorher generierten Content selbstständig veröffentlicht. In Sachen Unternehmenskommunikation ist aktuell das Thema Recruiting sehr wichtig. Und Recruiting funktioniert, indem man es schafft, in der digitalen Welt ein Abbild des Unternehmens zu zeichnen, für das sich Menschen interessieren. Um dazu auf die richtigen Impulse zu kommen und herauszufinden, was man überhaupt kommunizieren möchte, kann KI sehr gut eingesetzt werden.

Wie kann man sich denn einen gezielten Einsatz von KI im Arbeitsablauf vorstellen?

Ich selbst nutze Künstliche Intelligenz bei meiner Arbeit vor allem zum Brainstorming, um Input für Ideen zu erhalten. Im Beispiel für einen Social-Media Post sieht das dann vielleicht so aus: Ich möchte, dass mir die KI einen Social-Media Post entwickelt, der besonders gut auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtet ist. Es soll grob um uns als Werbeagentur mit elf Mitarbeitern gehen, die eine Woche auf einer Workation in den Bergen gewesen ist. Ich frage das Tool, welche Informationen es braucht und erhalte dazu Hinweise. Dann formuliere ich mit den neuen Informationen einen präzisen Prompt für die KI, ein Posting mit fünf Emojis und insgesamt 800 Zeichen zu erstellen. Das liefert das Tool dann. Danach habe ich die Möglichkeit, das Ganze auch noch auf andere Medien und Kanäle weiterzuspielen. Ich sage der KI zum Beispiel, mir nun aus dem Posting einen Blogartikel mit 3000 Worten zu formulieren. Meine letzten fünf Postings waren zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil von einer KI generiert und ich habe sie danach nur noch feingeschliffen.

Worin liegt Ihrer Meinung nach der größte Mehrwert im Einsatz von KI bei der Unternehmenskommunikation?

KI hilft dabei, die Prozesse hin zur Entwicklung und Erstellung von Inhalten enorm zu beschleunigen. Um das mal vor Augen zu führen: Als kürzlich das Gerücht über eine freilaufende Löwin in Berlin kursierte, konnte eine Werbeagentur dort innerhalb einiger Stunden – also noch am selben Tag - für einen Kunden aus der Tierfutterindustrie passende Kampagnen-Botschaften für Social-Media entwickeln und veröffentlichen. Mit Texten und passenden Grafiken. Das Ganze funktionierte mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und wäre bis vor einiger Zeit in dem Tempo nicht machbar gewesen.

Wie kann der Einsatz von KI in der Kommunikation denn das Image eines Unternehmens verbessern?

Grundsätzlich kann KI dabei helfen, die Kommunikation nach außen optimaler bzw. pragmatischer zu transportieren. Gerade auch im Bereich der Krisenkommunikation. Beispielsweise arbeiten wir für die Stadtwerke. Man kann sich vorstellen, dass der Kundenservice dort häufig überlastet ist, wegen Anfragen zu Rechnungen, Verträgen, Beschwerden bei Wasser- oder Stromausfällen oder auch wann die Baustelle in der Straße XY endlich fertig ist und so weiter. Der Service kann dann mit den Anfragen kaum hinterherkommen und Kunden beschweren sich. Dabei können 80 Prozent der Anfragen eigentlich leicht auf der Website beantwortet werden. Werden die Kunden dort durch ein KI gestütztes Support-Tool abgefangen, kann man dem entgegenwirken und einen Imageschaden verhindern. Darüber hinaus unterstützt die KI dabei, wie man Zielgruppen bestmöglich anspricht. Das Image wird also dadurch besser, dass sich diese Gruppen vom Unternehmen gut verstanden fühlen. Zum Thema Imageverbesserung fällt mir auch noch ein: Auch die Kommunikation darüber, DASS man Künstliche Intelligenz einsetzt, kann darauf einzahlen. Das zeigt, dass man neuen Wegen gegenüber aufgeschlossen ist.

Wie können Chatbots und virtuelle Assistenten generell sinnvoll in der Kundenkommunikation eingesetzt werden?

Wie schon erwähnt, können sie helfen, die Krisenkommunikation zu verbessern bzw. Servicebereiche zu entlasten. Aber sie können auch grundsätzlich als Kundensupport eingesetzt werden, um durch Webseiten zu navigieren und Produktempfehlungen auszugeben, die zu den individuellen Kundenbedürfnissen passen. Ich hatte vorhin einen Tierfutterhersteller erwähnt. Auch unsere Agentur arbeitet für einen Produzenten von Tiernahrung. Da diskutieren wir auch gerade, wie wir es Kunden mit Hilfe eines Produktempfehlungsgenerators auf der Homepage erleichtern können, das passende Futter für den Hund oder die Katze zu finden. Auch wenn eventuell fünf Allergien vorliegen. Generell kann KI auf der Ebene der Vertriebsassistenz eine große Hilfe sein. Und auch im Bereich der nachgelagerten Servicekommunikation für Umfragen und Feedback.

Ist die KI-generierte Unternehmenskommunikation denn auch tatsächlich messbar erfolgreich?

Um es mal so zu sagen: Es ist nicht so, dass alle Kampagnen, die KI-gesteuert sind, besser laufen als die, die wir selbst gemacht haben. Aber umso komplexer die Zielgruppe und das Produktportfolio sind, desto besser funktionieren die gesteuerten Kampagnen in Kombination mit den Algorithmen auf Social-Media. Gerade im Meta-Kosmos ist das bei Facebook und Instagram auffällig. Da kristallisiert sich heraus, dass die Kombination aus 100% Algorithmus-gesteuerten Kampagnen gepaart mit Kampagnen, die mit gesundem Menschenverstand entwickelt wurden, am erfolgreichsten sind.

Haben Sie Tipps? Welche KI-Tools können Ihrer Ansicht nach aktuell helfen, die Unternehmenskommunikation effizienter zu gestalten und wie wirken sie?

Da wäre natürlich das allseits bekannte Chat GPT, das sehr gut als Inspirations- und Datenquelle und zur Inhaltserstellung genutzt werden kann. Eine gute Alternative dazu ist übrigens bard.google.com. Darüber hinaus greift unsere Agentur seit einiger Zeit auf einige KI-Tools zurück, die kostenpflichtig sind. Sie haben sich sehr bewährt, weil man durch sie in den Prozessen unglaublich viel Zeit spart. Um mal konkret einige davon zu nennen: Wir nutzen https://pdf.ai zum Zusammenfassen komplizierter Texte, wie Vertragsinhalte oder Wirtschaftsberichte. Um Projektstrukturpläne zu erhalten, Mindmaps aus Fließtexten oder Stichpunkte zu generieren hilft chatmind.tech/de. Ein sehr empfehlenswertes Video-Tool, das wir häufig sowohl zur internen als auch externen Kommunikation nutzen ist www.loom.com. Man kann sich dabei zum Beispiel durch ein Dokument oder eine Website navigieren und wird parallel am Bildrand aufgenommen und kann dort alles, was man dazu an den passenden Stellen sagen möchte, einsprechen. Die KI clustert das Video, transkribiert es und setzt Inhaltsabschnitte. Dann gibt es noch die Photoshop AI von Adobe. Sie spart uns enorm viel Aufwand in Sachen Bildbearbeitung. Wer mehr Infos möchte - wir haben kürzlich einen kleinen Artikel inklusive Erklärvideos zu unseren Lieblingstools veröffentlicht.

Gibt es auch Dinge, die man beim Einsatz von KI vorsichtig behandeln sollte?

Ich habe bereits erwähnt, dass es die Kontrolle der KI-Erzeugnisse durch Menschen braucht. Fällt die aus, besteht die Gefahr, dass man Unsinn verbreitet. Ein anderes Thema, das man bedenken sollte, ist der Datenschutz. Jedem sollte klar sein, dass die meisten KI-Tool-Anbieter in den USA sitzen. Heißt: Was man dort eingibt, landet dort auf Webservern. So ist natürlich bei der Eingabe privater Daten unbedingt Vorsicht geboten. Man sollte also auf jeden Fall vor der Nutzung von KI-Tools recherchieren, woher es kommt bzw. wo der Anbieter sitzt. Dabei wird man auch feststellen, dass es eher wenige deutschen Anbieter gibt. Abgesehen vom Datenschutz-Aspekt gibt es eine weitere Falle im Umgang mit KI: Es werden zahlreiche Apps zum Herunterladen angeboten, die suggerieren, offiziell zu Tools wie zum Beispiel Chat GPT zu gehören. In Wahrheit haben sie aber mit dem Tool oder dem Unternehmen dahinter nichts zu tun und wollen Nutzer in ein kostenpflichtiges Abo-Modell drängen.

Ein Ausblick in die Zukunft: Welche Potentiale bietet KI für die Automatisierung von Kommunikationsprozessen in Unternehmen?

Ich rechne damit, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz gerade den Bereich der Unternehmenskommunikation künftig massiv durcheinanderwirbeln wird. Auch wenn es dabei bleibt, dass auch in Zukunft Menschen die Informationen in die KI-Tools eingeben müssen: Jobprofile und Rollenbilder werden sich verändern, klassische Texter wird es nur noch wenige geben und auch das Berufsbild des Grafikdesigners wird sich rapide verändern. Und ich glaube, dass die inhaltliche Gestaltung von Kommunikationsmaßnahmen noch viel schneller wird, als sie ohnehin schon ist. Das heißt: Das Tempo in dem Unternehmen ihr Marketing und ihre Kommunikation auf aktuelle Gegebenheiten ausrichten können, wird sicher weiter zunehmen. So lässt sich dann natürlich noch leichter und unmittelbarer auf die Bedürfnisse von Zielgruppen eingehen. Auf der anderen Seite wird man aber auch immer wachsamer für Gefahren sein müssen, die die Nutzung von Künstlicher Intelligenz mit sich bringen. Zum Beispiel die, dass sich Menschen mehr und mehr auf die Arbeit von KI verlassen und die Qualität der Erzeugnisse weniger genau überprüft wird. Das kann dann dazu führen, dass mehr Unsinn verbreitet wird. Zudem wird es zunehmend schwierig, die Wahrheit von gefälschten Inhalten zu unterscheiden. Man wird sich immer ausführlicher mit dem Thema beschäftigen müssen, um dazu in der Lage zu sein.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Burkard!

Dieses Interview ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Arbeitswelt von morgen".

 

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