Auszüge aus den Wahlprogrammen zum Thema "Finanzen"

Auszug aus dem

Wahlprogramm von

Bündnis 90/Die Grünen

zum Thema "Finanzen"

Auszüge aus dem Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen zur Bundestagswahl:

Zukunft wird aus Mut gemacht.

18.06.2017

III. Wir teilen den Wohlstand gerechter

S. 190-196

Der gesellschaftliche Zusammenhalt bröckelt, wenn das Wohlstandsgefälle in der Bevölkerung zu hoch ist. Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zu weit geöffnet. Obwohl die Wirtschaft stets gewachsen ist, sank das reale Einkommen von Geringverdiener*innen und Teilen der Mittelschicht, die Einkommen und Vermögen der Topverdiener*innen wuchsen dagegen deutlich. Wir GRÜNE wollen das ändern und alle fair an Wohlstand und Lebensqualität beteiligen. Niemand soll in Armut leben. Wohlhabende sollen einen fairen Beitrag zum Gemeinwesen leisten.

Das Auseinanderdriften von Arm und Reich schafft wirtschaftliche Probleme. Wenn Wohlstandsgewinne bei der Mehrheit der Menschen nicht ankommen, ist das nicht nur ungerecht – es fehlen auch kaufkräftige Kunden. Stattdessen fließt zu viel Geld auf den globalen Finanzmarkt, wo schon zu oft durch spekulative Blasen, überhitzte Immobilienmärkte und Finanzkrisen Wohlstand vernichtet wurde.

Zu große Ungleichheit schadet einer demokratischen Gesellschaft. Denn sie gibt wenigen Menschen zu viel Macht. Und sie ist ungerecht, denn der Bezug von großem Reichtum zu gesellschaftlich anerkannter Leistung geht verloren, während viele Menschen trotz harter Arbeit kaum über die Runden kommen. Hohe Einkommen können sich durch besondere Leistung, Anstrengung und Verantwortung rechtfertigen. Aber wenn das Dividendeneinkommen einzelner Großerb*innen höher ist als das Jahreseinkommen aller Vorstandsvorsitzenden von DAX-Unternehmen zusammen, wenn Manager*innen das Hundertfache ihrer Angestellten verdienen und Pflegekräfte, Polizist*innen oder Erzieher*innen unterbezahlt sind, dann läuft etwas falsch.

Für eine faire und ausgleichende Steuerpolitik

Steuern finanzieren unser Gemeinwesen. Sicherheit, Infrastruktur und Bildung sind Voraussetzungen für eine funktionierende Gesellschaft. Von ihnen profitiert auch unsere Wirtschaft. Die aktuell entspannte gesamtstaatliche Haushaltssituation ist bedingt durch historisch niedrige Zinsen und den hohen Beschäftigungsstand. Sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass strukturelle Risiken weiterbestehen. Um den Investitionsstau in unserem Land aufzulösen, braucht es deshalb größere finanzielle Spielräume – insbesondere für die Kommunen.

Ein gerechtes Steuersystem sorgt dafür, dass alle nach ihrer Leistungskraft zu einer intakten und funktionierenden Gesellschaft beitragen. Hier liegt in Deutschland jedoch einiges im Argen. Arbeit wird bei uns häufig höher besteuert als Zinsen und Renditen. Das wollen wir GRÜNE ändern. Die ungleiche Besteuerung von Kapitalerträgen zu allen übrigen Einkünften wollen wir beseitigen, indem diese Erträge wieder dem normalen, persönlichen Einkommenssteuersatz unterliegen.

Noch immer gehen uns hohe Steuereinnahmen verloren. Mit aggressiven Steuertricks, dem Bankgeheimnis und den Steuerdumpingländern gibt es gerade für Superreiche zu viele Möglichkeiten, sich der Steuerverantwortung zu entziehen. Dieser Praxis sagen wir den Kampf an. Es darf keine anonymen Briefkastenfirmen mehr geben. Geschäfte in Steuersümpfen, die Steuerbetrug systematisch unterstützen, werden wir sanktionieren. Steuerliche Vorteile durch Wohnsitzverlagerungen ins Ausland wollen wir beenden.

Auch Steuervermeidung wollen wir angehen. Alle international tätigen Unternehmen sollen ab einer gewissen Größe ihre Gewinne und Steuerzahlungen nach Staaten offenlegen, damit sichtbar wird, wenn Konzerne wie Starbucks, Apple oder Google ihre Gewinne so verschieben, dass sie in den Ländern, in denen sie gute Geschäfte machen, keine Steuern zahlen. Tricksereien mit Lizenzgebühren und Zinsen wollen wir unterbinden. Banken tragen in diesem Zusammenhang eine besondere Verantwortung und dürfen weder direkt noch indirekt durch entsprechende Beratung an der Steuerumgehung beteiligt sein. So stärken wir auch unseren Mittelstand. Es herrscht kein fairer Wettbewerb, wenn Amazon weniger Steuern zahlt als der oder die Buchhändler*in um die Ecke.

Auch Vermögende können mehr zu unserem Gemeinwesen beitragen. Wir GRÜNE wollen eine verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare Vermögenssteuer für Superreiche. Selbstverständlich legen wir dabei besonderen Wert auf den Erhalt von Arbeitsplätzen und die Innovationskraft von Unternehmen. Die Große Koalition hat die Erbschaftssteuer komplizierter und nicht gerechter gemacht. Sollte sie abermals vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, werden wir ein einfaches und gerechtes Erbschaftssteuermodell entwickeln, das mit dem Grundgesetz übereinstimmt.

Wir wollen kleine und mittlere Einkommen durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags entlasten und zur Gegenfinanzierung den Spitzensteuersatz oberhalb von 100.000 Euro an zu versteuerndem Single-Einkommen erhöhen. Für Mittelstand, Selbständige und Arbeitnehmer*innen wollen wir das Steuersystem gleichzeitig vereinfachen, um sie dadurch zu entlasten. Der Aufwand durch die Buchführungs- und Steuererklärungspflichten ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Gerade Klein- und Jungunternehmer* innen wollen wir entlasten, damit sie im Wettbewerb bessere Chancen haben. Dazu gehören erhöhte Abschreibungsgrenzen für geringwertige Wirtschaftsgüter sowie eine Vereinfachung bei der Umsatzsteuer mit Blick auf die aufwendigen Verfahren beim Handel innerhalb der EU. Zusätzlich wollen wir prüfen, ob die Kleinunternehmer*innengrenze bei der Umsatzsteuer und der Gewerbesteuerfreibetrag angemessen angehoben werden sollten.

Die DMB-Einschätzung: Positiv bewertet wurde die Intention Steuervermeidung von Großkonzernen effektiver zu bekämpfen, wodurch der Mittelstand gestärkt wird. Gleiches gilt für die Vereinfachung des Steuersystems zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen. Nicht im Sinne des Mittelstandes ist die geplante Einführung einer Vermögenssteuer, deren Ausgestaltung nicht konkretisiert wird, die aber unter Umständen auch auf Betriebsvermögen von Familienunternehmen anfallen könnte.

Maßnahme: Steuersümpfe trockenlegen – weltweitere Regeln gegen Steuervermeidung

Panama Papers, Offshore- oder Luxemburg-Leaks – wir nehmen nicht hin, dass Konzerne und Superreiche mithilfe von Bankgeheimnis, Steuerdumpingländern und anderen Steuerlücken ihren Beitrag zum Gemeinwohl unterschlagen. Darum kämpfen wir für ein international verbindliches Regelwerk, das Mindeststandards für die Steuerpflichten von Unternehmen und Staaten setzt. Auch zu Hause werden wir aktiv: Banken und Kanzleien untersagen wir Geschäfte mit unkooperativen Ländern, internationale Konzerne müssen ihre Gewinne nach Ländern aufschlüsseln und Briefkastenfirmen entziehen wir durch ein Transparenzregister die Grundlage. So sorgen wir dafür, dass alle Unternehmen ihre Verantwortung für das Gemeinwesen wahrnehmen und ihren steuerlichen Beitrag leisten – der internationale Kaffeekonzern ebenso, wie es heute schon der oder die Bäcker*in an der Ecke tut.

Die DMB-Einschätzung: Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung werden vom Mittelstand unterstützt. Solche Praktiken werden überwiegend von Großkonzernen betrieben, die sich dadurch Wettbewerbsvorteile gegenüber kleinen und mittelständischen Unternehmen verschaffen.

Maßnahme: Mehr für das Gemeinwohl – Superreiche in die Verantwortung nehmen

Wir wollen nicht, dass sich Superreiche und Spitzenmanager*innen von der Gesellschaft abkoppeln. Zu oft verliert die Vergütung von Manager*innen den Bezug zum eigenen Beitrag und zu den Durchschnittsverdiener*innen. Wir setzen ein klares Stoppsignal: Zukünftig sollen Unternehmen nur noch maximal 500.000 Euro pro Kopf von der Steuer absetzen können. Auch weil Manager*innengehälter zulasten der Allgemeinheit gehen, wenn Unternehmen die Zahlungen als Betriebsausgaben absetzen. Außerdem braucht es eine verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare Vermögenssteuer für Superreiche, denn in wenigen Ländern Europas sind die Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland. Selbstverständlich legen wir dabei besonderen Wert auf den Erhalt von Arbeitsplätzen und die Innovationskraft von Unternehmen. Denn wir wollen, dass alle einen fairen Beitrag leisten, wenn unser Gemeinwesen finanziert wird und Zukunftsinvestitionen getätigt werden.

Die DMB-Einschätzung: Wie bereits zuvor beschrieben belastet eine Vermögenssteuer unter Umständen mittelständische Familienunternehmen, falls sie Betriebsvermögen erfasst. Die geplante Einführung einer solchen Steuer wird daher negativ bewertet.

Quelle: Bündnis 90/Die Grünen, Programm zur Bundestagswahl 2017