30.11.2020Fachbeitrag

The Do's and Don'ts of Israeli Culture

Die israelische Kultur unterscheidet sich in gewissen Punkten von der deutschen.


Der kreisförmige, vom Stararchitekt Oscar Niemeyer entworfene Platz „Kikar Hamedina“ gilt als eine der feinsten Adressen Tel Avivs. Im Parterre der hochpreisigen Wohnhäuser ringen exklusive Kleiderboutiquen mit Juwelieren und Spitzenfriseuren um Verkaufsfläche. Doch die Rückseite der begehrten Gebäude bietet ein überraschendes Bild: funkelnde Limousinen parken auf pockennarbigen Straßenpflastern neben offenen, überfüllten Mülltonnen. Lose baumeln provisorisch angebrachte Wasserleitungen dröhnender Klimaanlagen am bröckelnden Putz. Hier wird schnell offenbar: In Israel gelten für einige Dinge andere Prioritäten als in Deutschland.

Wie im Umgang mit dem öffentlichen Raum läuft auch in Israels Geschäftswelt vieles anders als in Europa. Doch was genau? Was sollten deutsche Geschäftsleute bei einer Reise nach Jerusalem beachten? Jede Beschreibung israelischer Kultur oder israelischen Geschäftslebens läuft Gefahr, in gleich mehrfacher Hinsicht unzulänglich zu sein, zumal wenn sie wie hier kurz und zuspitzend verfasst ist. Da ist einmal der Umstand, dass Israel eine besonders heterogene Gesellschaft ist. Israels Gesellschaft besteht zu einem großen Teil aus Einwanderern aus mehr als 70 verschiedenen Ländern oder deren Nachkommen. Jeder bringt einen Anteil dieser heimischen Kultur mit und hält weiter an ihr fest. Einwanderer aus Russland treffen hier auf Immigranten aus Äthiopien. Säkulare und tiefgläubige Juden bilden eigene Subkulturen. Rund ein Fünftel der Bevölkerung wird von überwiegend muslimischen Arabern gestellt, mit ihrer eigenen Kultur und Geschichte, dazu kommen Tscherkessen, Drusen, Beduinen und viele andere. Dennoch – bei aller Gefahr der Verallgemeinerung – gibt es ein paar Dinge, die für all diejenigen, die in Israel Geschäfte machen wollen, erwähnt werden dürfen, oder gar sollten.


Offen und direkt

„Erwarten Sie, während einer Präsentation häufig unterbrochen zu werden“, warnt etwa der Ratgeber „Mit Israelis arbeiten“ des Konzerns Intel, und erklärt: „Israelis haken lieber sofort nach, statt bis zum Ende eines Vortrags zu warten. Am besten halten Sie inne und beantworten Sie die Fragen.“ Kurz darauf folgt die nächste Warnung, diesmal vor israelischer Offenheit: „Israelis diskutieren gern. Lassen Sie sich von der Lautstärke oder Intensität der Debatten nicht überraschen.“ Auch andere Ratgeber sind sich in diesem Punkt einig: Israelis debattieren mit einer für Nordeuropäer oft überraschenden Leidenschaft, ohne die Diskussion indes persönlich zu nehmen.

Mit gleicher Inbrunst wird hier gern verhandelt. Alles gilt als verhandelbar. Lassen Sie sich von Kostenvoranschlägen deshalb nicht erschrecken. Höchstwahrscheinlich rechnet ihr Gegenüber gar nicht damit, die genannte Summe zu erhalten, sondern betrachtet diese lediglich als Ausgangspunkt für Verhandlungen. Alles darf infrage gestellt werden, selbst wenn es sich um bereits unterschriebene Verträge handelt. Denn während in Deutschland auf die Formulierung einer Idee meist eine lange Planungsphase folgt und erst danach zur Tat geschritten wird, beginnen Israelis oft sofort mit der Umsetzung selbst vager Ideen. Statt an einem (nicht existierenden) Langzeitplan festzuhalten, justieren sie ihr Vorhaben deshalb fortwährend an die sich wandelnden Umstände. Das mag so manchem Deutschen als waghalsig oder chaotisch erscheinen. Israelis preisen diese Eigenschaft indes als gedankliche Flexibilität und mentale Agilität.


Schnell per Du

Ähnliches gilt für Verhandlungsgespräche selbst. Deutsche beginnen diese zumeist erst nach intensiven Vorbereitungen und versuchen, ihre Ziele mit Hilfe von Graphen und Zahlen zu verdeutlichen. Israelis geht es oft vornehmlich darum, ihr Gegenüber besser persönlich kennenzulernen um auszuloten, ob es möglich sein wird, die Geschäftsstrategie im Laufe der evolvierenden Beziehungen und Umstände gemeinsam neu auszurichten. So sollte man sich nicht wundern, wenn ein Partner die Bitte äußert, nachzuverhandeln, selbst wenn ein Projekt bereits auf der Grundlage einer Abmachung begonnen hat.

Wie in anderen mediterranen Ländern ist man auch in Israel weitaus offener als in nordeuropäischen Staaten. Israelis bleiben im Gespräch ungern auf Distanz, weder körperlich noch bei der Auswahl der Themen. Physischer Kontakt gehört – wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht – zum Alltag. Israel ist ein Land flacher Hierarchien, oder wie es im Fachjargon heißt, geringer Machtdistanz. Israelis tendieren dazu, ihre professionellen Titel herunterzuspielen. Im Hebräischen gibt es keine Höflichkeitsform, weshalb selbst Vorstandsvorsitzende und Mitarbeiter einer Putzkolonne alternativlos sofort per Du sind. Seien Sie also nicht überrascht, wenn Ihr Gegenüber auch Ihnen das Du schnell anbietet.

Generell kommt man in Israel schnell zur Sache. Israelis sind es gewohnt, selbst hochrangigen Vorgesetzten unverblümt ihre Meinung kundzutun. Diese Lässigkeit spiegelt sich auch in der Kleidung wider: eines der ersten Dinge, die Deutsche in Israel lernen, ist, Krawatte und Sakko im Koffer zu lassen. Ein weißes, gebügeltes Hemd und eine saubere Jeans gelten hier bereits als „gut gekleidet“.


Was Israelis besonders wichtig ist

Andere Dinge nehmen Israelis indes sehr ernst. Dazu gehört der Familienzusammenhalt, besonders an religiösen Feiertagen. Diese beginnen am Vorabend des Feiertags und enden mit Sonnenuntergang. Deshalb sollten geschäftliche Belange nur im Notfall zwischen Freitagmittag und Samstagabend geklärt werden, denn der Ruhetag Sabbath ist selbst säkularen Juden als Auszeit, die mit Verwandten und Freunden verbracht wird, heilig. Ähnliches gilt für die (zahlreichen) anderen religiösen Feiertage, sowie für zwei nationale Feiertage – dem Unabhängigkeitstag und dem Gedenktag für Gefallene. Die meisten jüdischen Israelis treten nämlich vor allem gegenüber Ausländern als überzeugte Patrioten auf, selbst wenn sie aus ihrer Kritik an ihrer Regierung selten einen Hehl machen. Sport, Reisen oder Familie sind deshalb oft dankbarere Gesprächsthemen als Außenpolitik, Terrorismus oder soziale Probleme innerhalb der israelischen Gesellschaft.

Lassen Sie sich indes von diesen Besonderheiten der israelischen Gesellschaft und ihres Alltags nicht abschrecken! Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens hat das Büro des Landes Nordrhein-Westfalen für Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Jugend und Kultur in Israel eingerichtet, das Ihnen gemeinsam mit unseren Partnern stets gern zur Seite steht, Sie berät und Türen für Sie öffnet. Wer geschäftlich nach Israel reist, darf damit rechnen, schnell gute Verträge abzuschließen. Und Dank der Offenheit und Gastfreundschaft der Menschen hier kann man darauf bauen, nicht nur mit geschäftlichen Erfolgen, sondern in Folge herzlich ausgesprochener Einladungen von einer Geschäftsreise nach Israel auch noch mit einem Füllhorn faszinierender neuer kultureller Erfahrungen wieder heimzukehren.


Zur Beitragsserie: Israel - Chancen für den Mittelstand

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