02.08.2023Fachbeitrag

Arbeitsrechtliche Aspekte von temporärer Auslandstätigkeit

Für die temporäre Tätigkeit im Ausland von einer Dauer von wenigen Wochen im Jahr ist auch die Bezeichnung „Workation“, eine Kombination aus Arbeit (= work) und Urlaub (= vacation), weit verbreitet.

Arbeitnehmer wünschen sich heute zunehmend häufiger die Möglichkeit, zumindest für eine gewisse Zeit mobil aus dem Ausland zu arbeiten. Möchten Arbeitgeber diesem Wunsch nachkommen, tun sich dadurch verschiedene arbeitsrechtliche Fragen auf. Welche rechtlichen Aspekte vorher geklärt werden sollten, darauf geht der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Jan Peters, in diesem Beitrag ein.

Seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie wünschen Arbeitnehmer zunehmend, zumindest teilweise „remote“ bzw. „mobil“ aus dem Ausland zu arbeiten. Für die temporäre Tätigkeit im Ausland von einer Dauer von wenigen Wochen im Jahr ist auch die Bezeichnung „Workation“ weit verbreitet. Viele Arbeitgeber erkennen, dass sie mit einem entsprechenden Angebot ihre Mitarbeiter weiter an sich binden bzw. neue Mitarbeiter gewinnen können. Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels sind Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung in der Unternehmenspraxis nicht selten von existenzieller Bedeutung. Dennoch sollten sich Arbeitgeber zuvor eingehend mit den rechtlichen Rahmenbedingungen von „Workation“ bzw. einer Auslandstätigkeit befassen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick zu den wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen, die sich Arbeitgebern stellen, wenn Arbeitnehmer temporär für wenige Wochen im Jahr im Ausland arbeiten, ihren Lebensmittelpunkt jedoch unverändert in Deutschland haben.

Kein gesetzlicher Anspruch

Aktuell können Arbeitnehmer nicht gesetzlich beanspruchen, remote bzw. mobil aus dem Ausland zu arbeiten. Die Arbeitsvertragsparteien können die temporäre Auslandstätigkeit jedoch auf Basis einer Vereinbarung regeln, z. B. einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag. Als weitere Rechtsgrundlagen kommen insbesondere tarifvertragliche Regelungen und Betriebsvereinbarungen in Betracht.

Anwendbares Recht

Sind Arbeitnehmer grenzübergreifend tätig, ist fraglich, welches nationale Recht anwendbar ist. Für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) bestimmt sich diese Frage nach der sog. Rom-I-Verordnung (EG) Nr. 593/2008). Haben die Arbeitsvertragsparteien keine sog. Rechtswahl zugunsten des ausländischen Rechts vereinbart, bleibt deutsches Recht dann anwendbar, wenn sie das Arbeitsverhältnis in Deutschland begründet haben, überwiegend vollzogen haben und der Arbeitnehmer lediglich temporär aus dem Ausland arbeitet. Dies ist im Rahmen von „Workation“ regelmäßig der Fall.

Dennoch können zusätzlich bestimmte Vorschriften des ausländischen Tätigkeitsstaates anwendbar sein (sog. Eingriffsnormen nach Art. 9 Abs. 1 Rom-I-Verordnung). Diese Eingriffsnormen entstammen regelmäßig dem jeweiligen öffentlichen Recht (z. B. Regelungen zum Arbeitsschutzrecht). Diese Regelungen hat der deutsche Arbeitgeber auch dann zu beachten, wenn Arbeitnehmer nur kurzweilig im Ausland arbeiten.

Weitere einzuhaltende Eingriffsnormen können sich innerhalb der EUauf Basis der jeweiligen nationalen Umsetzung der sog. Entsenderichtlinie (96/71/EG in der Fassung 2018/957/EU) ergeben. Diese Regelungen können sog. Mindestarbeitsbedingungen vorsehen, z. B. zu der Entlohnung, dem Mindestjahresurlaub oder den Höchstarbeitszeiten. Dies setzt voraus, dass die Tätigkeit im Ausland eine sog. Entsendung im Sinne der jeweiligen nationalen Umsetzung der Entsenderichtlinie ist. Auch kurz- und mittelfristige Auslandseinsätze können eine solche Entsendung begründen. Zudem können nach der nationalen Umsetzung der Entsenderichtlinie für deutsche Arbeitgeber Meldepflichten gegenüber den ausländischen Behörden bestehen (z. B. mit Angaben zu Dauer und Datum des Einsatzes, Ansprechpartner und Kontaktpersonen, Anschrift des Arbeitsplatzes, zur Tätigkeit und Identität des Arbeitnehmers).

Praxistipp:

Arbeitgeber sollten vorab prüfen, wie der jeweilige EU-Mitgliedstaat die Entsenderichtlinie umgesetzt hat. Dazu ist insbesondere zu prüfen, ob die temporäre Tätigkeit im Ausland auf Wunsch des Arbeitnehmers nach dem jeweiligen nationalen Recht eine Entsendung ist und welche gesetzlichen oder tarifvertraglichen allgemeinen Arbeitsbedingungen geregelt sind. Zudem ist zu prüfen, ob und welche Meldepflichten gegenüber den ausländischen Behörden bestehen.

Vereinbarung zur temporären Auslandstätigkeit

Möchte der Arbeitgeber den Arbeitnehmern gestatten, temporär im Ausland zu arbeiten, sollte er dazu eine Vereinbarung mit den Arbeitnehmern abschließen. Die Vereinbarung sollte insbesondere die folgenden Punkte umfassen:

Der Arbeitgeber sollte den Arbeitnehmern keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch einräumen, temporär im Ausland tätig sein zu dürfen. Vielmehr sollte der jeweilige Auslandseinsatz von der Zustimmung des Arbeitgebers im Einzelfall abhängig sein. Denn auf diese Weise kann der Arbeitgeber auf tatsächliche und rechtliche Änderungen flexibel reagieren und beispielsweise eine Auslandstätigkeit untersagen, wenn der Mitarbeiter „vor Ort“ im Betrieb gebraucht wird.

Auch sollten Regelungen zur Dauer und Häufigkeit der Auslandstätigkeit vorgesehen sein. Es ist üblich, die Auslandstätigkeit auf maximal etwa vier Wochen jährlich zu beschränken. Es ist auch festzulegen, in welchen Staaten der Arbeitnehmer arbeiten darf. Empfehlenswert ist, die Auslandstätigkeit zunächst auf EU-Mitgliedstaaten oder alternativ auf einige EU-Mitgliedstaaten zu beschränken. Denn dies vereinfacht es dem Arbeitgeber, die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen zu prüfen, da innerhalb der EU zahlreiche Rechtsvorschriften miteinander harmonisiert sind.

Arbeitgeber sollten auch erwägen, etwaige Aufwendungsersatzansprüche (entsprechend
§ 670 BGB) des Arbeitnehmers auszuschließen. Dies kann beispielsweise Reise- und Unterbringungskosten sowie Kosten für IT und Kommunikation (z. B. Internet, Handy) umfassen.

Es sind ferner Regelungen dazu sinnvoll, eine Auslandstätigkeit zu verweigern, die Vereinbarung (einseitig) zu beenden oder zu widerrufen. In bestimmten Situationen kann es auch notwendig sein, einen laufenden Auslandseinsatz vorzeitig zu beenden und den Arbeitnehmer anzuweisen, nach Deutschland zurückzukehren. Dies kann etwa dann geboten sein, wenn die IT-Infrastruktur (z. B. schlechte Internetverbindung) im Ausland unzureichend ist oder sich abzeichnen sollte, dass die planmäßige Rückkehr nicht umsetzbar ist (z. B. im Fall von Naturkatastrophen, kriegerischen Auseinandersetzungen, Ausreiseverboten oder Flughafenstreiks).

Zudem sollte der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Adresse des Tätigkeitsortes mitteilen und auch eine inländische Adresse mitteilen, an die der Arbeitgeber etwaige Schreiben zustellen lassen kann. Der Arbeitnehmer sollte dem Arbeitgeber auch etwaige IT- und Internetstörungen mitteilen müssen.

Arbeitnehmer sollten eine ergänzende Auslandskrankenversicherung abschließen und dem Arbeitgeber nachweisen. Denn deutsche Krankenversicherer tragen grundsätzlich zwar die im Ausland entstehenden Heilbehandlungskosten, jedoch der Höhe nach begrenzt auf hypothetisch in Deutschland angefallene Kosten.

Es sind auch weitere Punkte zu regeln, die üblicherweise Gegenstand einer „normalen“ Mobile Office Vereinbarung sind. Dies sind z. B. Regelungen zur Arbeitszeiterfassung, zum Datenschutz, zur IT- und Datensicherheit sowie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Zu denken ist auch an eine etwaige Zeitverschiebung am Tätigkeitsort und an Regelungen zu einer bestimmten „Kernarbeitszeit“. Je nach Ausgestaltung können Arbeitgeber solche Fragen auch im Rahmen einer Richtlinie bzw. Policy auf Basis ihres Direktionsrechts einseitig anweisen.

Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung länger als vier aufeinanderfolgende Wochenaußerhalb Deutschlands, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dessen Abreise bestimmte Arbeitsbedingungen nach § 2 Abs. 2 und ggf. Abs. 3 Nachweisgesetz schriftlich nachweisen und aushändigen.

Praxistipp:

Arbeitgeber sollten eine Vereinbarung zur temporären Auslandstätigkeit sehr sorgfältig gestalten, damit die Regelungen auch wirksam und gerichtlich durchsetzbar sind. Punkte, die der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts einseitig anweisen kann, sollte er hingegen in einer Richtlinie bzw. Policy regeln, damit er diese Regelungen auch wieder einseitig abändern kann.

Weitere rechtliche Aspekte

Zusätzlich ruft eine Auslandstätigkeit von Arbeitnehmern insbesondere auch sozialversicherungs-, steuer- und aufenthaltsrechtliche Fragen hervor, die Arbeitgeber zuvor prüfen sollten.

Es ist daher vorab zu prüfen, ob der Arbeitnehmer trotz der Auslandstätigkeit (ausschließlich) im deutschen Sozialversicherungssystem verbleibt. Für Auslandseinsätze innerhalb der EU, des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der Schweiz ist zum Sozialversicherungsrecht die Verordnung (EG) 883/2004 maßgeblich. Im Ausgangspunkt sind Arbeitnehmer nach Art. 11 Abs. 3 lit. a) der Verordnung in dem Staat sozialversicherungspflichtig, in dem sie die Beschäftigung tatsächlich (körperlich) ausüben. Zu diesem sog. Beschäftigungslandprinzip sind jedoch Ausnahmen geregelt, u. a. die sog. Entsendung. Nach Art. 12 der Verordnung ist vorgesehen, dass Arbeitnehmer in dem inländischen Sozialversicherungssystem verbleiben, wenn sie im Rahmen einer Entsendung im Ausland tätig sind. Es ist fraglich, ob eine temporäre Auslandstätigkeit auf Wunsch des Arbeitnehmers eine solche Entsendung ist, da eine Entsendung voraussetzt, dass der Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers im Ausland tätig ist. Im Rahmen von „Workation“ wünscht in der Regel der Arbeitnehmer, im Ausland zu arbeiten – von einer Weisung des Arbeitgebers kann daher vielfach keine Rede sein. Allerdings nimmt die Deutsche Verbindungsstelle der Krankenversicherung Ausland (DVKA) an, dass auch im Rahmen von „Workation“ eine Entsendung gegeben sein kann. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber von der Auslandstätigkeit Kenntnis hat, ihr zustimmt, die erbrachte Arbeitsleistung entgegennimmt und vergütet. Zudem muss der Arbeitgeber die Entsendung bei der zuständigen Stelle beantragen. Die Auslegung des Begriffs der Entsendung durch die DVKA ist nicht rechtlich zwingend, aber praxisgerecht. Die Auslegung der DVKA ist aber deshalb ausgesprochen relevant, weil die deutschen Krankenversicherer ihr in der Regel folgen und auf dieser Basis eine sog. A1-Bescheingung erteilen. Eine erteilte A1-Be­schei­ni­gung ist so­wohl für die Trä­ger der so­zia­len Si­cher­heit als auch für die Ge­rich­te des Mit­glied­staats, in dem der Arbeitnehmer remote bzw. mobil arbeitet, grund­sätz­lich bin­dend, so­lan­ge sie vom Her­kunfts­mit­glied­staat weder wi­der­ru­fen noch für un­gül­tig er­klärt wor­den ist (vgl. EuGH, Ur­teil vom 6. September 2018, C-527/16). Arbeitgeber müssen für jeden Fall der temporären Auslandstätigkeit innerhalb der EU bzw. des EWR und der Schweiz die A1-Bescheinigung rechtzeitig und vorab beantragen.

Für Auslandseinsätze außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz sind die jeweiligen Sozialversicherungsabkommen maßgeblich, die die Bundesrepublik Deutschland auf Basis von völkerrechtlichen Verträgen mit vielen (aber nicht mit allen) Drittstaaten abgeschlossen hat.

Steuerrechtlich sollten Arbeitgeber insbesondere prüfen lassen, ob die temporäre Auslandstätigkeit eine sog. Betriebsstätte oder Vertreterbetriebsstätte begründet. Dadurch könnten steuerrechtliche Verpflichtungen des deutschen Unternehmens gegenüber dem ausländischen Staat entstehen. Eine Auslandstätigkeit kann auch dazu führen, dass der Arbeitnehmer im Ausland lohnsteuerpflichtig wird. Insofern sollte eine doppelte Besteuerung vermieden werden. Arbeitgeber sollten dazu die jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen prüfen, die die Bundesrepublik Deutschland mit einigen Staaten abgeschlossen hat.

Aufenthaltsrechtlich ist zu unterscheiden, ob die Arbeitnehmer innerhalb der EU, des EWR und Schweiz oder in Drittstaaten tätig werden. Arbeitnehmer mit der Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates können innerhalb der EU ohne Aufenthaltstitel arbeiten. Dies gilt entsprechend für Bürger der EWR-Staaten bzw. der Schweiz. Drittstaatsangehörige, die auf Basis eines Aufenthaltstitels in Deutschland tätig sind, dürfen allerdings nicht ohne Weiteres (nur) mit diesem Aufenthaltstitel innerhalb der EU, des EWR oder der Schweiz tätig sein. Insofern sollten Arbeitgeber prüfen, welche Anforderungen der jeweilige Staat stellt.

Für Auslandstätigkeiten in den Drittstaaten ist für alle Mitarbeiter zu prüfen, ob und welche aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen der ausländische Staat vorsieht. Es kann insofern erforderlich sein, dass die Arbeitnehmer auch für eine kurzweilige Tätigkeit einen Aufenthaltstitel benötigen.

Dieser Beitrag ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Arbeitswelt von morgen"

 

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