„Das Bauhandwerk muss und kann mit der Digitalisierung mithalten“
Kooperatives Arbeiten mittels digitaler Methoden und Tools wird immer wichtiger.
Das Bauwesen befindet sich aufgrund der zunehmenden Digitalisierung im Wandel. Eine Herausforderung stellt zudem die Energiewende dar. Damit sie gelingt, müssen verschiedene Akteure eng zusammenarbeiten. Anke Hallwaß von der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk (ZWH) erklärt im Interview, welche Rolle das Bauhandwerk hierbei spielt, welche Kompetenzen für die anstehenden Aufgaben benötigt werden und mit welchen Angeboten der beruflichen Bildung die ZWH darauf reagiert.
Frau Hallwaß, wie sieht die Arbeitswelt von morgen im Bauhandwerk aus?
Was heute schon auf vielen Baustellen zu sehen ist, wird morgen mehr und mehr zu einer Selbstverständlichkeit: das digitale Bauen. Building Information Modeling, kurz „BIM“, spielt hierbei eine zentrale Rolle. BIM ist eine Methode für kooperatives Arbeiten unter Verwendung digitaler Modelle. Mit ihr können alle relevanten Daten von Bauprojekten digital erfasst, visualisiert und modelliert werden. Alle am Bau beteiligten Akteure können auf dieselben Daten zugreifen und mit ihnen arbeiten. Damit ist allen der aktuelle Planungsstand bekannt. Das vereinfacht die Kommunikation an den Schnittstellen ungemein. Man kann dadurch Fehler vermeiden und Zeit und Kosten sparen.
Außerdem gilt: Wer digital baut, baut auch nachhaltig. Eine digitale Methode wie BIM hilft, nachhaltige Prinzipien in Bauprojekten zu integrieren. Durch eine bessere Planung können zum Beispiel Materialauswahl und Abfallreduzierung optimiert werden. Und nicht nur in der Bauphase, sondern während des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes können mit BIM Daten erfasst werden, die zur Nachhaltigkeit beitragen. So können etwa Energieverbrauch und Umweltauswirkungen überwacht und gesteuert werden.
Das Handwerk muss und kann mitziehen und sich als wichtiger Mitgestalter ins Spiel bringen. Handwerksbetriebe aus dem Bau- und Ausbaugewerbe, die digitale Tools und Methoden beherrschen, werden zu gefragten Kooperationspartnern.
Ist der breite Einsatz von BIM für das Handwerk noch Zukunftsmusik? Oder anders gefragt: Sind im Handwerk die notwendigen Kompetenzen vorhanden?
Derzeit wird BIM vor allem von Architekt*innen, Ingenieur*innen und Betreibern genutzt. Im Handwerk ist BIM hingegen noch nicht verbreitet. Sowohl institutionelle als auch private Auftraggebende sind aber mittlerweile gewisse digitale Standards gewohnt. Bei der Wahl ihrer Auftragnehmenden werden sie wahrscheinlich auch bei Handwerksbetrieben zunehmend darauf achten, ob BIM-Kompetenzen vorliegen. Daher sollten Handwerksbetriebe die Potenziale von BIM erkennen und Kompetenzen aufbauen, die man für den Einsatz von BIM braucht.
Neben der Beherrschung der Methode und Softwarekenntnissen sind auch Soft Skills notwendig, um gut mit anderen zu kooperieren und die Arbeit an den Schnittstellen zu koordinieren. Notwendig ist ein offenes Mindset, das beispielsweise dabei hilft, Routinen zu überwinden, mit Fehlern offen umzugehen und in der Kollaboration einen deutlichen Mehrwert zu sehen.
Welche Angebote machen Sie als Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk?
Wir entwickeln Angebote, die das Handwerk als Umsetzer für Zukunftsaufgaben qualifiziert. Ein gutes Beispiel dafür sind die zwei neuen Fortbildungen „Geprüfte*r Berufsspezialist*in für BIM im Handwerk“ und „Bachelor Professional für Energieeffizienz und digitales Bauprojektmanagement (EDiB)“. Diese sind im Rahmen des InnoVET-Projekts ProNet Handwerk entstanden und starten im September 2024 an der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz.
Wer an diesen Fortbildungen teilnimmt, erschließt sich das digitale Bauen und kann die digitale und nachhaltige Transformation im eigenen Betrieb anschieben. Mit dem Bachelor Professional EDiB, der gleichwertig zum akademischen Bachelor ist, kann man zudem durch die erworbenen Fach- und Schnittstellenkompetenzen die Leitung gewerkeübergreifender Projekte zur Modernisierung von Gebäuden übernehmen.
Besonders ist bei diesen Fortbildungen der gewerkeübergreifende Ansatz. Wie im wahren Leben, arbeiten im Kurs unterschiedliche Gewerke zusammen. Sie lernen mit- und voneinander und realisieren gemeinsam ein energetisches Modernisierungsprojekt. Dafür wurde eigens ein BIM-Schulungsmodell entwickelt.
Mit diesen neuen Fortbildungen können wir Digitalisierung, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit im Bauwesen vorantreiben und zu neuen Karrierewegen im Handwerk beitragen. Das ist angesichts des akuten Fachkräftemangels wichtig: Denn die Fachkräftesicherung ist einer der entscheidenden Faktoren um die notwendigen Transformationen unserer Zeit umsetzen zu können. Die berufliche Bildung im Handwerk muss noch attraktiver werden. Daran arbeiten wir.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Hallwaß!
Weitere Informationen zu den gewerkeübergreifenden Fortbildungen und zum Projekt finden Sie hier.
Dieses Interview ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Arbeitswelt von morgen".